Die Taliban und die Rechte der FrauenDie Ehe als Tauschgeschäft von Unterhalt gegen Sex
Die Rechte der Frauen würden gewahrt, sagen die Taliban, allerdings innerhalb der Grenzen des islamischen Rechts, der Scharia. Was das für die Afghaninnen bedeutet.
Es war eine Schreckensherrschaft, vor allem über die Frauen in Afghanistan, als die Taliban von 1996 bis 2001 erstmals an der Macht waren. In Interviews mit dem Fernsehsender al-Jazeera und auf einer Pressekonferenz in Kabul versicherte die Taliban-Führung nun, Frauen hätten von den Islamisten nichts zu befürchten. Die Rechte der Frauen würden gewahrt, allerdings innerhalb der Grenzen des islamischen Rechts, der Scharia, wie stets hinzugefügt wurde.
Das ist eine wenig konkrete Aussage, denn wie die Taliban die Scharia interpretieren, wissen nur sie selbst. Gibt es überhaupt klare Regeln für Frauenrechte innerhalb der Scharia? Christine Schirrmacher, Professorin für Islamwissenschaft an der Universität Bonn, hat unter dem Titel «Frauen unter der Scharia» eine Zusammenfassung geschrieben: Die Scharia umfasst zwar auch das Strafrecht, vor allem aber das Familienrecht.
Zu den Grundzügen gehört die Ehe als Tausch von Unterhalt gegen sexuelle Verfügbarkeit. Die Scharia erlaubt die Polygamie und die Züchtigung der Ehefrau. Ausserdem braucht es vor Gericht zwei Aussagen von Frauen, um die eines Mannes aufzuwiegen. Zwar sieht der Koran für Männer und Frauen die gleichen Strafen bei Unzucht vor, als Hüterinnen der Familienehre werden Frauen aber meist trotzdem härter bestraft.
Im Iran wird anders interpretiert
Die Scharia ist kein kodifiziertes Gesetzbuch, eher ein Grundgerüst, das sehr unterschiedlich interpretiert wird. Ausserdem stehen im Koran, auf den sich die Scharia bezieht, gelegentlich widersprüchliche Dinge: Die Gleichstellung von Frauen liesse sich Schirrmacher zufolge begründen, die Unterordnung aber auch, und so wird es üblicherweise in islamischen Ländern auch gesehen.
Als die Taliban in den Neunzigerjahren in Afghanistan an der Macht waren, haben sie sich eindeutig für Letzteres entschieden. Es reicht ein Vergleich mit der Islamischen Republik Iran: Dort gelten berufstätige Frauen, der Zugang zu Bildung und zu medizinischer Versorgung als korankonform, unter den Taliban in den Neunzigerjahren in Afghanistan aber war dies beschränkt oder ganz unterbunden.
Was zu erwarten ist, zeigen Berichte aus Gebieten, die die Taliban seit Wochen oder Monaten kontrollieren. Mitte Juli hat die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen durch die Taliban im Norden des Landes moniert. Die Taliban hätten Schulen für Mädchen geschlossen und angeordnet, Frauen dürften das Haus nur noch in männlicher Begleitung verlassen, auch für Arztbesuche. Zwei Richterinnen und eine Journalistin wurden ermordet, wofür die Taliban die Verantwortung zurückweisen. In Kandahar und in Herat wurden schon im Juli weibliche Bankangestellte nach Hause geschickt, noch ehe die Taliban einmarschierten.
Es hat bisher wenig Protest gegeben gegen ihre Machtübernahme, bei einer Demonstration in Jalalabad gab es nach Medienberichten am Mittwoch Tote. In der Hauptstadt Kabul wurde eine kleine Gruppe Frauen dabei gefilmt, wie sie für ihre Rechte skandierte. Sie trugen Schleier, die ihre Haare bedeckten, nicht aber ihr Gesicht. Die Taliban-Herrschaft in den Neunzigern verbindet man vor allem mit der Burka, die Gesicht und Körper verhüllt.
Nur die Haare zu bedecken, werde nicht genügen. Es sei islamische Regel, das Gesicht zu bedecken.
Die CNN-Korrespondentin Clarissa Ward gehört zu den Journalisten, die noch in Afghanistan sind, sie hat in den vergangenen Tagen Taliban auf der Strasse nach der Verschleierung gefragt. Nur die Haare zu bedecken, bekam sie als Antwort, werde nicht genügen. Es sei islamische Regel, das Gesicht zu bedecken.
Ward ordnete in einem Interview mit CBS die Beteuerungen der Taliban ein, sie würden die «Rechte der Frauen wahren»: Aus dem Strassenbild in Kabul, so Ward, seien Frauen sofort bei der Machtübernahme verschwunden, schon aus Angst. Sie erzählt von einer Frau, der ein Lebensmittelhändler sagte, sie sei nicht angemessen verschleiert. «Das haben die Taliban ihm nicht zu sagen befohlen. Die Leute nehmen an, dass das erforderlich sei.»
Werden sich die Frauen wehren können?
Es wird also nicht nur darum gehen, welche Regeln für Frauen die Taliban aufstellen. Für die Frauen in Afghanistan wird es schon schlimm genug sein, wenn die Taliban selbst bestehende Rechte nicht durchsetzen. Werden Frauen sich tatsächlich gegen Übergriffe wehren können oder ihren Einlass an der Universität einfordern dürfen, werden sie gegen Kündigung geschützt sein? Das wären konkrete Versprechen. Aber genau die haben die Taliban nicht gegeben.
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