Debatte um NeutralitätTaiwan wird zur Belastungsprobe für die SVP
Eine Parlamentariergruppe plant eine Reise auf die von China beanspruchte Insel. Die Partei tut sich mit ihrer Position schwerer als im Fall Ukraine.
Sie umfasst nur 36’000 Quadratkilometer, weniger sogar als die Schweiz – und doch ist die Insel Taiwan ein geopolitischer Brennpunkt: von China als Teil des eigenen Territoriums beansprucht, von den USA als Bollwerk der Demokratie protegiert. Der Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, der ranghöchsten US-Parlamentarierin, hat letzte Woche die schwelenden Brände neu angefacht.
Das Regime in Peking versucht seither, mit Militärmanövern im umgebenden Meer Taiwans Bevölkerung einzuschüchtern. Auf symbolische Bekenntnisse zur Unabhängigkeit Taiwans reagieren Chinas autokratischer Herrscher Xi Jinping und seine Entourage traditionell höchst empfindlich.
Eine solche symbolische Aktion könnte es nun bald auch aus der Schweiz geben. Wie die «Sonntagszeitung» berichtete, plant eine Gruppe von Parlamentarierinnen und Parlamentariern einen baldigen Besuch der Insel. Es handelt sich um Mitglieder der Freundschaftsgruppe Schweiz - Taiwan, die vom Tessiner SVP-Ständerat Marco Chiesa geleitet wird. Man erwäge eine solche Reise schon länger, habe sie aber wegen Corona verschoben, erklärt Chiesa auf Anfrage. Abgeklärt werde derzeit, ob sich ein Termin im ersten Quartal 2023 finden lasse.
Taiwan spaltet die SVP
Für den Präsidenten der Freundschaftsgruppe ist die Angelegenheit durchaus delikat. Chiesa ist nämlich auch Präsident der SVP Schweiz, die derzeit mit einer Volksinitiative die aussenpolitische Neutralität in der Verfassung verankern will.
Laut «NZZ am Sonntag» wirkt vor allem Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher innerhalb der Fraktion darauf hin, Provokationen an die Adresse Chinas unbedingt zu vermeiden. Martullo-Blocher ist als Unternehmerin den Chinesen eng verbunden und hat in der Vergangenheit die Regierung in Peking schon überschwänglich gelobt. Diese denke und handle «sehr fundiert, professionell und sehr langfristig ausgerichtet», erklärte die Ems-Chemie-Chefin vor zehn Jahren in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger».
Man wolle kein Öl ins Feuer giessen, sagt Chiesa.
Prompt machten am Sonntag Schlagzeilen von einer «gespaltenen SVP» die Runde. Denn auch Taiwan hat in der Fraktion gewichtige Fürsprecher. Dazu gehören die Nationalräte Christian Imark und Andreas Glarner, die beide ebenfalls in der Freundschaftsgruppe sitzen.
Nachdem erste öffentliche Dissonanzen angeklungen sind, scheint man sich in der Partei nun vorerst auf ein gemeinsames Wording verständigt zu haben. Bei Chiesa klingt es so: Falls die Reise für zusätzliche Spannungen im Verhältnis China - Taiwan sorge, werde man darauf verzichten. Man wolle kein Öl ins Feuer giessen. Grundsätzlich solle die Schweiz «mit allen sprechen». Würde man davon absehen und «Kanäle schliessen», bedeutete dies, «dass wir nicht mehr neutral sind».
SVP steht möglicherweise vor schwieriger Positionierung
Bei anderen angefragten Fraktionsmitgliedern tönt es dem Sinn nach ähnlich. Die Hoffnungen ruhen auch auf dem Faktor Zeit. Bis Anfang 2023 könnten die Spannungen zwischen China und den USA theoretisch wieder etwas abgeklungen sein, sodass die Reise eines Schweizer Politikergrüppchens in Peking nicht für gesondertes Aufsehen sorgte.
Sollte China seine Aggressionen gegen Taiwan allerdings verstärken, steht die SVP vor einer diffizilen Positionierung. Sie dürfte ihr schwererfallen als beim Ukraine-Krieg, wo sie mit Verweis auf die Neutralität die Sanktionen gegen Russland geschlossen ablehnt. Zur Ukraine bestehen nur wenig Beziehungen, und zudem wird Russlands rechtsautoritärer Machthaber Wladimir Putin in Teilen der SVP durchaus bewundert.
Mit China und Taiwan ist es komplizierter. Zum einen gibt es Politiker wie Andreas Glarner, die zu Taiwan geschäftliche Beziehungen pflegen. Zum anderen bietet das kommunistische China für eine rechte Partei deutlich weniger ideologische Anknüpfungspunkte als der vorgeblich wertkonservative Putin. Glarner und Imark haben sich schon mehrfach bemerkenswert deutlich für eine Unterstützung Taiwans ausgesprochen.
Es ist davon auszugehen, dass eine militärische Eskalation im Chinesischen Meer den SVP-internen Dissens klar zutage treten liesse. Für Marco Chiesa wird es dann um gewichtigere Dinge gehen als bloss eine Parlamentarierreise.
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