Vorstoss von RebellenSyrische Armee verteidigt Hama und startet Gegenoffensive
Die Dschihadisten waren bisher ohne grosse Gegenwehr in Richtung Süden marschiert. Jetzt geht Assads Armee zum Gegenangriff über.
Nach dem Vorrücken der von Dschihadisten angeführten Aufständischen in Richtung der syrischen Stadt Hama hat die Armee von Machthaber Baschar al-Assad Aktivisten zufolge mit einer Gegenoffensive begonnen. In der Nacht drängten die Regierungstruppen die Kämpfer bis auf zehn Kilometer vor die strategisch wichtige Stadt zurück, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch mitteilte. Die syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete von «heftigen Zusammenstössen» im Nordosten und Nordwesten der Stadt.
Mit Unterstützung aus der Luft habe die Armee «nach Mitternacht» in der Nähe von Hama einen Gegenangriff gegen die Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und ihre Verbündeten gestartet, hiess es von der in Grossbritannien ansässigen Beobachtungsstelle, die ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien bezieht. Die Regierungstruppen hätten die Kontrolle über zwei Dörfer im Umland von Hama zurückerobert, hiess es weiter.
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, die Armee führe ihre Einsätze gegen «terroristische Organisationen» im Norden der Provinz Hama fort. Einheiten der Armee seien in «heftige Zusammenstösse» verwickelt.
Bewohner berichten von Bomben
Kurz zuvor hatte die Beobachtungsstelle berichtet, dass sich die Kämpfer «vor den Toren von Hama» befänden und einige Stadtviertel bombardierten. Der in Hama lebende 36-jährige Wassim sagte, die ständigen Bombardierungen seien «deutlich zu hören» gewesen. «Ich werde zu Hause bleiben, weil ich nirgendwo anders hinfliehen kann.»
Andere Menschen aus dem Umland von Hama packten ihr Hab und Gut auf Fahrzeuge und versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, wie Bilder der Nachrichtenagentur AFP zeigen.
Die Stadt Hama im westlichen Zentrum von Syrien liegt zwischen Aleppo im Norden und Damaskus im Süden und ist für den Schutz der rund 220 Kilometer entfernten Hauptstadt von grosser Bedeutung. Laut dem Chef der Syrischen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, würde eine Einnahme von Hama «eine Bedrohung» für den Rückhalt der Regierung in der Bevölkerung darstellen.
Während Hama zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 eine Bastion der Opposition gegen Machthaber Assad und Schauplatz häufiger Massenproteste war, leben in den ländlichen Gebieten westlich der Stadt viele Alawiten, die derselben schiitischen Glaubensrichtung angehören wie Assad selbst.
Erstmals grosser Widerstand gegen HTS
Seit mittlerweile einer Woche rücken die Dschihadistengruppe HTS und verbündete Kämpfer bei ihrer im Norden gestarteten Grossoffensive gegen die Regierungstruppen vor. Neben zahlreichen Ortschaften gelang es ihnen, auch die Millionenstadt Aleppo nahezu vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Während sie dabei auf nur wenig Widerstand gestossen waren, erwiesen sich die Kämpfe um Hama nun als deutlich erbitterter.
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle wurden seit Beginn der Offensive 602 Menschen getötet, darunter ein Grossteil Kämpfer, aber auch 104 Zivilisten.
HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, hervorgegangen, hat nach eigenen Angaben aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida.
Angesichts der Offensive hatten der Iran und Russland dem Verbündeten Assad ihre Unterstützung zugesichert. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle flog die russische Luftwaffe nicht nur erstmals seit 2016 Angriffe auf Aleppo, sondern war auch in der Provinz Hama im Einsatz. Moskau erklärte am Mittwoch, Russland, der Iran und die Türkei stünden in «engem Kontakt». Ankara unterstützt Aufständische in Syrien, bemühte sich jedoch in den vergangenen Monaten um eine Annäherung an die Regierung des Nachbarlandes.
Der syrische Bürgerkrieg hatte 2011 begonnen, nachdem Assad Proteste gegen die Regierung mit Gewalt niederschlagen liess. Eine halbe Million Menschen wurden getötet und Millionen weitere vertrieben. Die nun wieder aufgeflammte Gewalt trieb UN-Angaben zufolge erneut 50.000 Menschen in die Flucht. Der Konflikt war zuvor auch infolge einer von Russland und der Türkei im Jahr 2020 vermittelten Waffenruhe weitgehend eingefroren gewesen.
AFP/fem
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