Premier League und Black Lives MatterSymbol gegen Rassismus nur noch «erniedrigend und bedeutungslos»?
«Es ist allerhöchstens noch gute PR. Die Message ist verloren gegangen»: In Englands Fussball wird das symbolhafte Hinknien gegen Rassismus kontrovers diskutiert.
In Englands Fussball gibt es fast im Wochentakt einen Aufschrei. Es geht nicht um zu ausschweifende Formen des Beisammenseins in Zeiten der Pandemie, nicht um die übliche Empörung. Vielmehr geht es um konkrete Gewalt. Sie ist verbaler Natur, und sie trifft die Fussballer wegen ihrer Hautfarbe. Marcus Rashford erfährt sie, der sozial engagierte Spieler von Manchester United. Anthony Martial, sein Clubkollege. Und auch Wilfried Zaha, englisch-ivorischer Stürmer von Crystal Palace. Sie werden alle beleidigt, sehen sich mit Affen-Emojis und anderen Geschmacklosigkeiten konfrontiert.
Was die Premier League dagegen tut, ist knien.
Und zwar seit Monaten. Seit die Liga im vergangenen Sommer den Spielbetrieb nach der Corona-Pause wieder aufgenommen hat, knien sich die Spieler beider Mannschaften vor dem Anpfiff hin. Es soll ein Symbol des Protests sein, angelehnt an die «Black Lives Matter»-Bewegung in den USA, welche das Knien nicht erst seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd durch den Polizisten Derek Chauvin zur stillen Unmutsbekundung erhoben hat. Football-Spieler Colin Kaepernick kniete schon 2016 während der US-Hymne, seither tun es ihm Sportler auf der ganzen Welt gleich. Ein Aufstand mit Beuge.
Doch in Englands Fussball wird die Bewegung mehr und mehr kontrovers diskutiert. «Wir sollten das unbedingt beibehalten», sagte Harry Kane, Captain des englischen Nationalteams, noch im Dezember gegenüber der BBC. «Das ist doch alles erniedrigend und nur noch eine bedeutungslose Scharade», meinte Zaha vergangene Woche in einem Podcast. «Warum muss ich für dich niederknien, um zu zeigen, dass wir etwas wert sind? Warum muss ich überhaupt ‹Black Lives Matter› auf dem Rücken meines Trikot stehen haben, um dir zu zeigen, dass wir zählen?» Bereits im Oktober hat Les Ferdinand, Präsident des Londoner Fussballclubs Queens Park Rangers, bekannt gegeben, dass man sich in der Mannschaft darauf geeinigt habe, sich vor Spielen nicht mehr hinzuknien. «Es ist allerhöchstens noch gute PR. Die Message ist verloren gegangen.» Dem Beispiel von QPR folgten schon verschiedene Zweitligisten.
Nicht nur im Fussball zeigt man sich in England gespalten ob der Wirkung dieser stillen Proteste. Beim Six-Nations-Turnier im Rugby kam es im Spiel zwischen England und Schottland zu einer absurden Szene. Die Hälfte der englischen Mannschaft blieb stehen, während sich die andere hinkniete. Billy Vunipola, englischer Nationalspieler mit tongaischen Wurzeln, erklärte: «Die ‹Black Lives Matter›-Bewegung stimmt nicht mit dem überein, woran ich glaube. Da wurden auch schon Kirchen beschädigt und Bibeln angezündet. Das will ich nicht unterstützen.»
«Das will ich nicht unterstützen.»
Das Problem von Hass und Rassismus wird sich weder durch den Verzicht aufs Hinknien noch durch die bewusste Entscheidung dafür lösen. Der Fussball ist von hassgesteuerten Ausfällen unterlaufen. Wie der «Guardian» jüngst vorrechnete, wurden für die vergangene Saison in fast 300 der 2663 Profi-Spiele in England Zwischenfälle mit rassistischen oder sonstigen diskriminierenden Äusserungen gemeldet, also bei rund zehn Prozent aller Spiele. Im Vergleich zur Saison 2018/19 hat sich die Anzahl der Zwischenfälle mit rassistischen Gesängen in der abgelaufenen Spielzeit verdoppelt – und das, obwohl wegen des Coronavirus eine Vielzahl von Partien entweder abgesagt oder vor leeren Tribünen ausgetragen wurde.
Der Hass im Netz, den Rashford und Co. jedes Wochenende aufs Neue hin erdulden, wird von solchen Statistiken nicht erfasst. Von Entanonymisierung auf den sozialen Medien verspräche man sich einen grossen Effekt – die grossen Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter reagieren zurückhaltend, weil sie der Idee, ihre kostbaren User-Daten abzugeben, nur wenig abgewinnen können.
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Wilfried Zaha – auch er wurde vor ein paar Monaten übelst im Netz beleidigt – sagt, er fühle sich oft wie ein Vehikel, das für eine Gruppe sprechen müsse, für die er so nicht stehe. «Ständig wollen die Leute, dass ich an Rassismus-Gesprächen teilnehme», sagte der Nationalspieler der Elfenbeinküste gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. «Und ich denke mir: Nein, ich mach das nicht für euch, nur damit ihr sagen könnt: Zaha hat für uns gesprochen. Im Prinzip geht es nur darum, einen Haken dran zu machen.»
Die nächste Empörung über einen rassistischen Zwischenfall wird folgen. Und so lange anhalten, bis das Publikum davon wieder gelangweilt ist.
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