Verspätungen und alte SitzeNeuer Swiss-Chef übt Kritik: «Wir werden dem Qualitätsanspruch nicht gerecht»
Jens Fehlinger hat eine Fluggesellschaft mit grossen Herausforderungen übernommen. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt hat er erklärt, wie er sie angehen will.

- Jens Fehlinger führt die Fluggesellschaft Swiss seit Oktober als neuer Chef. In der Öffentlichkeit ist er bisher nicht aufgetreten.
- Er plant, die Kabinenausstattung auf der Langstrecke zu verbessern.
- Ein neues Verpflegungskonzept soll die Qualität steigern.
- Trotz der Herausforderungen verzeichnet die Swiss einen hohen Gewinn.
Man kann den obersten Managern der Fluggesellschaft Swiss nicht vorwerfen, dass sie uneinsichtig wären: Schon der vormalige Chef Dieter Vranckx äusserte sich in den letzten Monaten seiner Amtszeit mehrmals negativ über die Leistungen des Unternehmens, was Kundenservice oder Pünktlichkeit angeht. Hingegen stimmten die Finanzzahlen. Darum beförderten die Chefs des Mutterkonzerns Lufthansa den Schweizbelgier Vranckx Mitte vergangenen Jahres nach Frankfurt.
Nachdem die Stelle eine Zeit lang unbesetzt gewesen war, übernahm im Oktober der Deutsche Jens Fehlinger: Er arbeitet, wie seine Vorgänger, seit Jahrzehnten im Konzern – erst als Pilot, danach im Management.
Am Montagmorgen hat Fehlinger sich und seine Pläne für das Unternehmen erstmals den Medien vorgestellt. Fehlinger wirkt im Gespräch zugänglich. Er lobt seine neue Belegschaft für das konstruktive Feedback. Das kenne er so nicht aus Deutschland: «Wir Chefs kriegen sehr klar aufgezeigt, wo unsere Stärken und Schwächen liegen.»
Doch Fehlinger erwidert die Kritik auch: «Wir haben einige Themenfelder, wo wir nicht dem Qualitätsanspruch gerecht werden.» Das mag ein Stück weit Taktik sein: Wer die Zustände zum Amtsantritt schlechtredet, kann danach leichter über Verbesserungen berichten.
Pünktlichkeitsziele weit verfehlt
Der Medientermin am Klotener Hauptsitz der Swiss hätte schon Mitte Januar stattfinden sollen. Doch damals war die Unternehmensspitze stark mit der Aufarbeitung der Notlandung in Graz kurz vor Weihnachten beschäftigt, in deren Nachgang ein Crewmitglied gestorben war. Der Unfall war am Mediengespräch kaum Thema. Die Swiss kann dazu keine neuen Aussagen treffen, da die Untersuchungen noch laufen.
Andere Dinge, die schiefgelaufen sind, spricht Fehlinger dagegen deutlich an. Die Swiss hinkt ihren Pünktlichkeitszielen seit Jahren hinterher. Letztes Jahr kamen 65 Prozent der Flüge pünktlich an; das langfristige Ziel liegt bei 80 Prozent.
Ein Grund dafür ist laut Fehlinger das starke Wachstum: 2024 bot die Firma zehn Prozent mehr Kapazität an als im Jahr zuvor. 2025 sollen es nur noch fünf Prozent Wachstum sein. Allerdings tragen auch Ursachen zu den Verspätungen bei, für die die Swiss nichts kann: Zum Beispiel sind die Luftraumüberwachungen in Europa seit Jahren überlastet oder kommt es an verschiedenen Flughäfen zu Engpässen in der Abfertigung am Boden.

Weiter ortet Fehlinger Verbesserungspotenzial im Erlebnis während des Fluges. «Wir wissen, dass wir mit der jetzigen Kabinenausstattung nicht mehr dem gerecht werden, was heute als angemessen angesehen wird», sagt er mit Blick auf die Ausstattung der Langstreckenflotte. In den nächsten Jahren tausche die Swiss über 5000 Sitze aus.
Fehlinger spricht damit Punkte an, die die Swiss im Kern betreffen: Sie sieht sich selbst als Premium-Airline. Doch stellt sich die Frage, wie stark sie das im heutigen Umfeld noch sein kann. Auf der Langstrecke haben die Konkurrenten aus dem Nahen Osten nicht nur ganze Staaten im Rücken, sondern müssen dort auch viel geringere Abgaben zahlen als die europäischen Mitbewerber.
Zudem dürfen sie, anders als europäische Airlines, über russisches Territorium fliegen, was die Flugrouten nach Fernost deutlich verkürzt. Insbesondere in der Economy-Klasse ist das Produkt von Emirates, Etihad oder Qatar Airways attraktiver als jenes der europäischen Traditions-Airlines.
Neues Lounge-Gebäude für die «Top-Kunden»
Im Kurz- und Mittelstreckengeschäft, wo meist nur der Preis zählt, bedrängen hingegen Billigflieger die Swiss. Entsprechend passt diese ihr Geschäftsmodell an: Mittlerweile kostet jeder Kaffee extra, und die Passagiere können nur noch das Handgepäck ohne Aufpreis mitnehmen. Das Bewertungsportal Airlineratings führt die Swiss darum in seinem Ranking neu in der Kategorie der «Hybrid»-Airlines – also zwischen jenen mit umfassendem Service und den Billigfliegern positioniert. Dort erreichte die Swiss den weltweit zwölften Rang.
Fehlinger begegnet dem, indem er dutzendfach die Qualität betont. Gerade beginne die Swiss mit der Umsetzung eines neuen Verpflegungskonzepts auf der Langstrecke. Im Spätsommer liefert Airbus zudem die erste von zehn modernen Langstreckenmaschinen des Typs A350 an die Swiss aus. Für die «Top-Kunden», also ab der Business-Klasse, mietet die Swiss voraussichtlich ab 2027 ein neu gebautes Gebäude am Flughafen Zürich an. Dort richtet sie für diese Check-in-Schalter, Lounges und eine eigene Sicherheitsabfertigung ein.
Es ist Fehlingers Glück, dass er diese Anpassungen mit einer gut gefüllten Kasse angehen kann: Der Swiss geht es nach knapp überstandener Coronakrise mittlerweile finanziell wieder blendend. Anfang März wird sie abermals einen Jahresgewinn von deutlich über einer halben Milliarde Franken verkünden.
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