SVP-KandidatenkarussellDer Favorit überlegt es sich, drei sagen bestimmt ab
Wer folgt auf Parteipräsident Marco Chiesa? Die Auswahl ist gross, trotzdem gilt der Schwyzer Marcel Dettling bereits als aussichtsreichster Anwärter. Doch dieser hält sich noch bedeckt.
Wer will es? Wer kann es? Das Amt des SVP-Präsidenten Marco Chiesa wird frei – und sogleich stellt sich den SVP-Delegierten die Frage, ob sie den Auftrag annehmen wollen, die grösste Partei der Schweiz in die Zukunft zu führen.
Die Meistgehandelten
Der meistgenannte Mann heisst Marcel Dettling. Der Landwirt war bereits 2020 Favorit auf die Nachfolge von Albert Rösti. Er rang damals mit sich und zog sich dann zurück, weil die Aufgabe unvereinbar war mit seinem Familienleben. Nun sind die Kinder vier Jahre älter – und Dettling ist wieder Kronfavorit.
Der Schwyzer war Wahlkampfleiter bei den vergangenen Wahlen. Er kann in einem Festzelt vor die Leute stehen und sie mit seinen Worten mitreissen. Etwas, mit dem sich zum Beispiel Chiesa immer etwas schwertat, vor allem in der Deutschschweiz. Er überlege es sich ernsthaft, sagt Dettling auf Anfrage dieser Redaktion.
Ein anderer hochgehandelter Mann ist Manuel Strupler. Der Thurgauer Nationalrat hat sich quasi in den vergangenen Monaten warmgeredet für ein grösseres Amt in der Partei.
Der Gartenbauunternehmer sprach als Mitglied des Parteileitungsausschusses an den Delegiertenversammlungen vor, er trat mehrmals in der SRF-«Arena» auf, und wenn man mit SVP-Leuten sprach, hörte man: Der Strupler sei einer für höhere Aufgaben. Der 43-Jährige mochte sich bislang nicht zu seinen Ambitionen äussern.
Die Vielbeschäftigten
Magdalena Martullo-Blocher ist Unternehmerin eines Milliardenkonzerns, sie ist Bündner Nationalrätin, beliebt bei der SVP-Basis und die Tochter von Christoph Blocher. In SVP-Kategorien gedacht also eine valable Kandidatin. Doch die wenigsten Kolleginnen und Kollegen in der Partei glauben, dass sie das Amt der Parteipräsidentin ausüben möchte. Martullo-Blocher selbst liess eine Anfrage unbeantwortet.
Als Fraktionschef im Bundeshaus stellt sich die Frage nach dem Präsidium auch für den Zuger Nationalrat Thomas Aeschi. Für ihn kommt das Amt eher nicht infrage. «Die Arbeit als Fraktionspräsident ist ebenfalls sehr wichtig und ich mache sie gern», sagt er. «Zudem bin ich gerade erst für zwei weitere Jahre wiedergewählt worden.»
Der Zürcher Nationalrat Thomas Matter sitzt im Parteileitungsausschuss, er gehört zu den grössten Finanzierern der Partei und machte sich in der Vergangenheit durch aufwendige Wahlkampfvideos bei der SVP-Basis beliebt. Zugleich ist er Verwaltungsratspräsident einer Bank und einer der Väter der SRG-Halbierungsinitiative. Er sagt auf Anfrage, er mache sich Gedanken, doch als Unternehmer sei er sich bewusst, was dies an Mehraufwand bedeute.
Die Aussenseiter
Im Wahlkampf um das Klimaschutzgesetz im vergangenen Sommer kam der Walliser SVP-Nationalrat Michael Graber zu nationaler Bekanntheit. Darum fällt SVP-intern auch stets dessen Namen in Bezug auf das Präsidium. Dieser antwortet: «Ich schliesse das nicht völlig aus. Doch es ist für mich eine Zeitfrage.»
Graber ist neben seinem Amt als Nationalrat auch Stadtrat von Brig und führt eine Anwaltskanzlei. Er müsse sich nun Gedanken machen – «ich habe ja dafür noch Zeit.» Tatsächlich läuft die Anmeldefrist bis zum 19. Januar.
Bis dann müssen die Kantonalparteien ihre Kandidaten der Findungskommission melden. Darin sitzt als Präsident Alt-Nationalrat Caspar Baader, dazu Fraktionschef Thomas Aeschi, der ehemalige Parteipräsident Toni Brunner, die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger, der ehemalige Aargauer Regierungsrat Ernst Hasler, der Waadtländer Alt-Nationalrat Jean-Pierre Grin sowie der einstige SVP-Generalsekretär Martin Baltisser. Die Findungskommission wird daraufhin eine Auswahl an Kandidaten vorschlagen, am 23. März wählen die SVP-Delegierten ihren neuen Parteipräsidenten.
Auch der St. Galler Nationalrat Mike Egger überlegt sich eine Kandidatur. «Es ist eine sehr reizvolle Aufgabe», sagt er. «Aber der Moment muss auch stimmen.» Er meint: Er gehöre als 31-Jähriger eher zu den jüngeren SVP-Politikern, das könne ein Nachteil sein. Zudem müsse ihn die Partei auch wollen. Solche Fragen werde er in den kommenden Tagen mit seinem Team abklären. Sicher ist, dass Egger seine Zukunft in Bern sieht. Er hat sich kürzlich gegen eine Regierungsratskandidatur in St. Gallen entschieden, weil er seine nationalen Erfahrungen noch ausbauen möchte.
Ebenfalls aus dem Kanton St. Gallen kommt die Ständerätin Esther Friedli. Sie war bereits im Kandidatenfeld, als es um die Nachfolge von Bundesrat Ueli Maurer ging. Sie verzichtete und kandidierte stattdessen für die Nachfolge von SP-Politiker Paul Rechsteiner im Ständerat. Zur Überraschung vieler holte sie sich dann den einen frei gewordenen Ständeratssitz. Etwas, was andere SVP-Politiker während Jahrzehnten nicht schafften, unter anderem auch nicht ihr Partner Toni Brunner, der die nationale SVP-Partei acht Jahre lang führte. Friedli wollte sich nicht zu ihren Ambitionen äussern.
Aus Bern meldet Nationalrat Lars Guggisberg sein Interesse an: «Das Amt des SVP-Präsidenten ist sehr reizvoll», sagt der Direktor des kantonalen Gewerbeverbands Berner KMU. «Ich überlege mir eine Kandidatur und werde in den nächsten Tagen mit meinem familiären und beruflichen Umfeld Gespräche führen.»
Von den Kandidatinnen und Kandidaten in der Westschweizer wäre der Freiburger Nationalrat Pierre-Andre Page ein valabler Chiesa-Nachfolger. Page ist zurzeit zweiter Vizepräsident des Nationalrats. Doch der 63-Jährige winkt ab, er sei zu alt: «Die SVP braucht eine junge Präsidentin oder einen jungen Präsidenten und wohl jemanden aus der Deutschweiz. Ich bin auch erst in meiner zweiten Legislatur in Bern.» Interessierte Kandidierende gebe es genügend, sagt Page.
Falls sich jemand aus der Romandie für die Aufgabe interessiert, muss er oder sie sehr gut Deutsch sprechen, was eine zusätzliche Hürde sein kann. Die Genferin Céline Amaudruz wäre für Page eine gute Präsidentin. «Ob sie als Mutter eines Kleinkinds die Aufgabe anstrebt, weiss ich nicht», sagt Page. «Es wäre sicher möglich, aber dann müsste sie wohl ihr Familienleben sehr gut organisieren und an ihrer Parteiaufgabe ausrichten.» Amaudruz werden zudem Bundesratsambitionen nachgesagt. Sie selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Die nicht Interessierten
Bereits abgesagt hat der Solothurner Nationalrat Christian Imark, mit 41 Jahren ein Vertreter der jüngeren SVP-Generation. «Ich sehe soeben meinen kleinen Kindern beim Spielen zu. Das möchte ich in Zukunft auch noch können.» Auch der Berner Ständerat Werner Salzmann sagt: «Ich stelle mich nicht zur Verfügung». Er sehe Marcel Dettling in der Favoritenrolle: «Wenn er will, dann wird er gewählt.»
Ganz ähnlich klingt Benjamin Giezendanner, Nationalrat und Transportunternehmer aus dem Aargau, der Dettling als «Idealkandidaten» sieht. Nur wenn dieser nicht zur Verfügung stehe, würde er für sich selbst eine Lageanalyse machen.
Ebenfalls verzichtet hat der Zürcher SVP-Präsident Domenik Ledergerber, er will sich auf die Leitung der Zürcher Partei konzentrieren. Einen Wunsch hat er aber: Die neue Präsidentin oder der neue Präsident soll länger im Amt bleiben als Chiesa: «Vier Jahre sind zu kurz.» Es sei für die Partei von Vorteil, wenn jemand zwei Wahlkampfzyklen à vier Jahre absolvieren könne.
Was zur Frage führt: Wer kann die notwendigen Opfer für das Amt bringen?
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