Subtropenluft bodigt den WinterAm Wochenende gibt es mildes Wetter – und die Hochwassergefahr steigt
Ab dem Wochenende übernehmen atlantische Sturmtiefs das Wetter-Zepter in der Schweiz. Ein sogenannter atmosphärischer Fluss führt danach Luftmassen zum Alpenraum, die alles andere als winterlich sind.
«Der Atlantik siegt immer»: Dieses unter Meteorologen geläufige Sprichwort besagt, dass wenn es im Winter über Europa zum «Kampf» von sehr gegensätzlichen Luftmassen (atlantisch-mild gegen kontinental-kalt) kommt, am Ende meistens die milde Variante obsiegt.
Das stimmt zwar nicht immer. Aber meistens.
Geradezu beispielhaft dafür ist das, was in den kommenden Tagen in der Wetterküche ablaufen wird. Der Wintertraum, den viele Regionen vor allem in der Zentral- und Ostschweiz zum Dezemberbeginn erleben durften, wird beendet. Und zwar auf ziemlich extreme Art und Weise. «Die Grosswetterlage stellt sich markant um», sagt dazu Andreas Stutz, Meteorologe von Meteo Schweiz.
Verantwortlich dafür ist das, was auf dem Nordatlantik geschieht, der eigentlichen «Wetterküche» Europas. Dort formiert sich – eingebettet in ein auflebendes Höhenwindband – eine ganze Kaskade von Sturmtiefs. Ab Samstag beginnt deren Anrennen gegen den europäischen Kontinent. Mit im Gepäck haben diese Tiefdruckgebiete all das, was dem Winterliebhaber ein Graus ist: milde Luft, viel Wind, viel Regen.
Bis am Samstagabend werden die Atlantikstürme den Winter in der Schweiz in einem ersten Schritt bis in mittlere Lagen (etwa 1500 Meter) hinauf vertreiben. Die Schneefallgrenze steigt gemäss den Prognosen von Meteo Schweiz bis gegen 2000 Meter. Im Flachland stellt sich mildes und regnerisches Hudelwetter bei Temperaturen um 10 Grad ein.
Doch damit noch nicht genug. Zu Beginn der kommenden Woche intensiviert sich der Zustrom von sehr milder Luft weiter. Über dem Atlantik bildet sich ein mehrere Tausend Kilometer langes «Förderband», auf dem mit sehr viel Feuchtigkeit angereicherte Luftmassen von den Subtropen (karibischer Raum) bis nach Europa transportiert werden. Im Fachjargon ist dabei von einem «Atmospheric River» (zu Deutsch «Atmosphärischer Fluss») die Rede.
Atmosphärische Flüsse lassen Meteorologen stets aufhorchen. Der Grund: Ist ein solcher Fluss über einen längeren Zeitraum (mehrere Tage) hinweg auf die gleiche Region und insbesondere mit einer senkrechten Komponente auf ein Gebirge gerichtet, kann es zu intensiven Stauniederschlägen kommen.
Gemäss Meteo Schweiz trat dieser Fall beispielsweise vom 6. bis 10. Oktober 2011 ein. Damals fielen in diesem Zeitraum am Alpennordhang 100 bis zum Teil über 200 mm Niederschlag. Die Schneefallgrenze lag zunächst unter 1000 Metern, stieg in der milden subtropischen Luft dann aber über 3000 Meter an.
Ob es in der kommenden Woche auch so arg kommen wird, ist derzeit noch unsicher. Die Wettermodelle lassen die Schneefallgrenze jedoch bis zur Wochenmitte über dem Alpenraum auf 2000 bis teilweise 2600 Meter ansteigen, vor allem in der Westhälfte des Landes. Das bedeutet, dass ein Grossteil der Niederschläge – bis gegen 100 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 72 Stunden – nicht in fester, sondern in flüssiger Form herunterkommen wird. Weil es in den letzten Wochen bereits überdurchschnittlich nass war, sind die Böden mit Feuchtigkeit gesättigt. Alles, was an Regen dazukommt, fliesst also oberflächlich ab. Fazit von Meteorologe Andreas Stutz: «Es kommt voraussichtlich sehr viel Wasser in die Abflüsse.»
Zusätzlich verkompliziert wird das Ganze durch die grossen Schneemengen in den Alpen. Gemäss dem Schweizerischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) ist die Schneeschicht in weiten Teilen des Alpenbogens derzeit etwa doppelt so mächtig wie sonst für die Jahreszeit üblich.
Wenn nun eine Milderung bis in grosse Höhen einsetzt und auch noch kräftige Niederschläge dazukommen, geht auch noch eine gehörige Portion Schmelzwasser in die Bäche und Flüsse auf der Alpennordseite. Die Hochwassergefahr entlang der grösseren Gewässer (zum Beispiel am Rhein) wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit markant zunehmen.
Bei Meteo Schweiz beobachtet man die Entwicklung deshalb derzeit sehr genau. Dass man wegen der Wetterlage im Verlauf des Wochenendes eine Warnung herausgeben werde, sei bereits klar, sagt Andreas Stutz. Es sei aber noch zu früh, um exakte Aussagen zu den Regenmengen und den am stärksten betroffenen Gebieten machen zu können.
Blickt man noch etwas weiter in die Zukunft, bietet sich für alle Winterfans zumindest noch ein kleiner Hoffnungsschimmer. Indem das Weihnachtstauwetter heuer früh im Dezember einsetzt – und nicht wie sonst üblich um die Festtage herum –, besteht eine gewisse Chance, dass das Wetter zum Jahresende hin wieder winterlicher werden könnte. Zaghafte Hinweise darauf finden sich in den aktuellen Langfristprognosen des europäischen Wettermodells ECMWF.
Wie immer bei einem chaotischen System wie dem Wetter gilt aber: Alles, was über eine Woche in der Zukunft liegt, ist mit derart grossen Unsicherheiten behaftet, dass man sich nicht darauf verlassen sollte.
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