Risiko MangellageStrom sparen oder nicht? Kantone kritisieren Kommunikation des Bundes
Die Schweiz kommt wohl ohne Energiemangel durch den Winter – oder etwa doch nicht? Die Energiedirektoren bemängeln, wie die Behörden informiert haben.
Was gilt nun: Müssen wir befürchten, dass es diesen Winter an Strom und Gas mangeln wird? Oder ist die Gefahr gebannt?
Ein eindringlicher Appell kommt nun aus den Kantonen: «Es ist noch zu früh, Entwarnung zu geben», sagt Jan Flückiger, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Energiedirektoren (EnDK). In diesem Gremium agieren jene 26 Regierungsräte, die in ihren Kantonen den Energie-Bereich führen. Es gebe zu viele Unsicherheiten, sagt Flückiger. Unklar ist etwa:
wann die französischen Kernkraftwerke wieder ans Netz kommen,
wie kalt der Winter wird,
wie stabil die Schweizer Meiler laufen,
wie schnell sich die Gasspeicher leeren.
Die Kantone teilen also die Einschätzung von Werner Luginbühl. Der Präsident der Elektrizitätskommission hat diese Woche gemahnt, es bestünden weiterhin «unkalkulierbare Risiken». Unklar ist, ob diese Warnung in der Bevölkerung angekommen ist, gibt es doch vonseiten der Behörden auch ein anderes Signal: Wir müssen vor diesem Winter nicht mehr wirklich zittern.
Warum? Am 2. November liess der Bund, gestützt auf eine neue Swissgrid-Studie, verlauten, die Stromversorgungslage im Winter sei «angespannt, aber nicht gravierend gefährdet». Eine problematische Botschaft sei dies, finden die Energiedirektoren. «Durch diese Kommunikation ist der falsche Eindruck entstanden, wir hätten alles bereits definitiv überstanden», sagt EnDK-Generalsekretär Flückiger. Das erschwere das Leben der Energiedirektoren, welche Bevölkerung und Wirtschaft weiterhin zum freiwilligen Strom- und Gassparen gewinnen wollten.
«Wir haben keine Entwarnung gegeben.»
Das federführende Bundesamt für Energie (BFE) sieht sich keinerlei Schuld bewusst. Es sei seine Aufgabe, Informationen wie bei der vorliegenden Studie transparent und rasch mitzuteilen, sagt Sprecherin Marianne Zünd. «Und wir haben dabei keinesfalls kommuniziert, dass es im Winter nun sicher gar keine Probleme geben wird. Wir haben also keine Entwarnung gegeben.» In der Tat steht in der Mitteilung des Bundes vom 2. November, Versorgungsengpässe könnten trotz allem «nicht ausgeschlossen werden».
EnDK-Generalsekretär Flückiger entgegnet, das BFE hätte besagte Studie kommunikativ besser einbetten können, im Sinne von: Es gebe Anzeichen der Entspannung, die Situation bleibe aber angespannt, weil es viele unwägbare Risiken gebe.
Die Kritik aus den Kantonen ist nicht zuletzt Ausdruck eines Dilemmas, in dem sich der Bund befindet. Wie kommunizieren, dass die Lage weiterhin ernst ist – und dabei trotzdem nicht dramatisieren? Tatsache ist: Das BFE hat in den Medien klargestellt, eine vollständige Entwarnung gebe es nicht, Haushalte und Wirtschaft sollten weiterhin Strom sparen. Zuletzt hat es aber gesagt, der Sparappell erfolge auch mit Blick auf den Winter 2023/24 – weil nicht sicher sei, ob es gelinge, die Gasspeicher im nächsten Jahr wieder aufzufüllen.
Gerade dieser Hinweis auf den übernächsten Winter könnte bei vielen den Eindruck verstärkt haben, dass die Gefahr für die kommenden Monate aus der Welt ist. Dazu kommen Medien, welche bereits die «grosse Entwarnung» für diesen Winter verkündet haben. Pikanterweise haben auch einzelne Energiedirektoren zu diesem Bild beigetragen. Zürichs Baudirektor Martin Neukom (Grüne) mahnte zwar vergangene Woche, bei den Energiesparbemühungen nicht nachzulassen. Doch gleichzeitig versprühte er Optimismus: Für diesen Winter, sagte er, sehe es gut aus.
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