Sparen im Gesundheitswesen Streit um 600 Millionen Prämienfranken
Das Bundesamt für Gesundheit soll Leistungen und Medikamente unter die Lupe nehmen. Nach Kritik von der Finanzkontrolle beschweren sich nun die Arzneimittelhersteller. Das Bundesamt verteidigt sich.
Auf 602 Millionen Franken pro Jahr schätzte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor knapp einem Jahr das mögliche Einsparpotenzial bei den damals 15 laufenden Überprüfungen von Leistungen und Medikamenten im Gesundheitswesen. Das würde die Krankenkassenprämien immerhin um 2 Prozent senken.
Bundesrat Alain Berset sprach sogar von 20 Prozent, die insgesamt im Gesundheitswesen eingespart werden könnten. Diese Überprüfungen, «health technology assessments» oder kurz HTAs genannt, sind eine von 38 Massnahmen, welche der Bundesrat zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen stärken will.
Auftrag nicht erfüllt
Doch das BAG kommt mit den Untersuchungen nicht vom Fleck. Im Sommer kritisierte die Eidgenössische Finanzkontrolle das Bundesamt ungewöhnlich scharf. Die Anzahl der Überprüfungen sei zu tief, sie dauerten zu lange, und das BAG steuere selber zu wenig Vorschläge bei, was überprüft werden soll. Die ersten fünf Berichte mit einem Einsparpotenzial von 100 Millionen Franken pro Jahr seien seit drei Jahren in Arbeit und allesamt verspätet. Zwei davon hätten bis jetzt zu keinen Empfehlungen für Streichungen oder Einschränkungen geführt. Die anderen drei sind noch hängig. Der Auftrag sei erst erfüllt, wenn Einsparungen erzielt würden, so die Mahnung der Finanzkontrolle.
Der Untersuchungsbericht schlug vor, dass jährlich Einsparungsziele festgelegt und die Zahl der Überprüfungen jedes Jahr erhöht werden soll. Der Überprüfungsprozess müsse zudem beschleunigt werden, zum Beispiel, indem bereits im Ausland durchgeführte HTAs beigezogen und auf die Schweiz angewandt würden. Das BAG solle dazu internationale Partnerschaften schliessen.
Zu viele Arzneimittel in Prüfung
Nun kommt auch noch Kritik der Pharmafirmen. Diese haben in einem Papier und mehreren Treffen dem BAG eigene Vorschläge unterbreitet, wie die Überprüfungen verbessert werden könnten. Die Branche stört sich daran, dass die Mehrzahl der Überprüfungen Arzneien betrifft. Denn diese seien der Leistungsbereich, der vor der Zulassung am strengsten auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werde. Und auch danach werden alle Arzneimittel alle drei Jahre wieder unter die Lupe genommen. Bei den medizinischen Leistungen von Ärzten beispielsweise oder bei Laboranalysen, etwa zum Vitamin-D-Spiegel, ist dies hingegen nicht der Fall.
Darum fordert die Vereinigung der Pharmafirmen in der Schweiz, dass schon bei der Themenfindung eine Vorabklärung stattfindet, damit frühzeitig jene Leistungen überprüft werden, bei denen es sich hinzuschauen lohnt. Ebenso stört sich die Branche daran, dass die von einer Untersuchung betroffenen Firmen vom BAG nicht direkt kontaktiert werden, sondern nur die Verbände.
Branche verzögert die Verfahren
Das Bundesamt schreibt auf Anfrage, man habe die Dauer der Überprüfungen bereits reduziert und das Verfahren vereinfacht. Der Einbezug von internationalen Erkenntnissen sei bereits jetzt Standard. Im vergangenen Jahr seien mehr interne Themen gemeldet worden. Das BAG spielt den Ball aber an die Branche zurück und weist darauf hin, dass nach einer Überprüfung die Berichte von Kommissionen der Branche geprüft und die Pharmafirmen angehört werden. Und das führe wegen der gesetzlichen Verfahrensrechte der Betroffenen «regelmässig zu Verzögerungen».
Zurzeit sind 17 Überprüfungen am Laufen – 10 davon zu Arzneimitteln, 4 zu medizinischen Leistungen und 3 zu diagnostischen Tests. In diesem Jahr will das Bundesamt für Gesundheit 13 Berichte zu möglichen Kosteneinsparungen abschliessen und publizieren. Gespart ist danach aber noch nichts, dann gehen die Berichte an die Fachkommissionen zur Beurteilung.
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