Gastkommentar Stimmrechtsalter 16 jetzt!
Die Jungen leiden besonders unter der Corona-Krise. Es ist höchste Zeit, ihnen eine politische Zukunftsperspektive zu geben.
Spätestens seit der Publikation der Sotomo-Studie vom April 2020 über das Verhalten der Schweizer Bevölkerung während der Corona-Krise wissen wir, dass Kinder und Jugendliche weniger gut über den Lockdown hinweggekommen sind als Seniorinnen und Senioren. Gründe dafür gibt es viele: Einerseits haben Jugendliche noch keinen gefestigten Erfahrungsschatz, von dem sie in Krisenzeiten zehren können, andererseits haben sie noch nicht genug Positives erlebt, um dem Leben gegenüber dankbar zu sein.
Im Gegenteil: Sie haben eine unsichere Zukunft vor sich. Es ist daher nicht erstaunlich, dass viele junge Menschen in Krisenzeiten Zukunftsängste entwickeln. Die Beratungstätigkeit von Pro Juventute während des Lockdown hat gezeigt: Viele Kinder und Jugendliche leiden im Stillen.
Wir, die über 18-Jährigen, fällen oftmals Entscheide, die vor allem die jüngere Generation betreffen.
Gleichzeitig können die Jugendlichen nicht mitbestimmen, wie die Gesellschaft sich während und nach der Pandemie entwickeln soll. Wie wird sich der Arbeitsmarkt entwickeln? Welche Prioritäten setzt die Politik bei der Bewältigung der Krise? Wie geht es weiter mit unserer Gesellschaft? All diese Fragen beschäftigen die Jungen. Sie werden aber nicht um ihre Meinung gebeten, weil den unter 18-Jährigen das Stimm- und Wahlrecht verwehrt wird. Ein klares demokratisches Ungleichgewicht.
Wer Erziehungsarbeit leistet, weiss: Jugendliche, denen Verantwortung übertragen wird, entwickeln ein grösseres, gesünderes Selbstbewusstsein als diejenigen, die von den Erwachsenen dauernd als «das kannst du noch nicht» eingestuft werden.
Nur schon deshalb sollte die politische Partizipation von Jugendlichen ein zentrales gesellschaftliches Anliegen sein. Wir, die über 18-Jährigen, fällen oftmals Entscheide, die vor allem die jüngere Generation betreffen. Diese unfaire Entscheidungskompetenz nimmt tendenziell zu. 2035 wird die Hälfte der Stimmenden über 60 Jahre alt sein. Ganz objektiv betrachtet, sind junge Menschen im partizipativen Prozess untervertreten.
Eine frühzeitige Mitsprache von Jugendlichen – gepaart mit politischer Bildung – ist ein wirkungsvolles Mittel, um diese für die Übernahme politischer Verantwortung zu motivieren. Nur wer auch mitbestimmen kann, übernimmt gesellschaftliche Verantwortung, wird mit den politischen Regeln vertraut und denkt in der Gesellschaft mit. Dank Mitsprache sind Jugendliche ein Teil der Gesellschaft und gestalten ihr Umfeld mit.
Dass eine Kommission des Zürcher Kantonsrats nun beschlossen hat, mit dem Anliegen vorwärtszumachen, ist ein positives Zeichen.
Umgekehrt gilt auch: Sobald 16- und 17-Jährige ein Stimmrecht erhalten, verändert sich die Wahrnehmung der aktiven Politikerinnen und Politiker im Hinblick auf eine neue Wählerschaft. Sie richten sich automatisch auf den Einbezug der jüngeren Generation aus. Pro Juventute, die sich für das Stimmrechtsalter 16 einsetzt, sieht in der Senkung eine Möglichkeit, den Generationenvertrag zu stärken – ein Mehrwert für unsere Gesellschaft. Dass eine Kommission des Zürcher Kantonsrats nun beschlossen hat, mit dem Anliegen vorwärtszumachen, ist ein positives Zeichen.
Wir, die wir uns stolz wähnen auf unsere direkte Demokratie, sind gut beraten, die politische Bildungsbasis zu stärken und den 16- und 17-Jährigen die Stimme zu geben, die ihnen zusteht. Nur so ist die demokratische Schweiz in der Lage, das hohe Niveau an politischer Partizipation beizubehalten. Die Kinder und Jugendlichen, welche besonders betroffen sind durch die Corona-Krise, werden es Ihnen danken.
Fehler gefunden?Jetzt melden.