Stimmen die Zahlen aus China?
Europa schaut hoffnungsvoll nach China, wo die Corona-Zahlen abnehmen – doch sie müssen mit Vorsicht betrachtet werden.
Während die Zahl der Ansteckungen mit Sars-CoV-2 in der Schweiz und Europa rasant steigt, schauen viele Menschen gespannt nach China. Dort, wo das neuartige Coronavirus seinen Ursprung hat, stehen die Zeichen auf Entspannung. Seit Wochen gehen die Zahlen zurück. Am Donnerstag haben die Behörden zum ersten Mal seit dem Ausbruch im Januar landesweit keine lokalen Neuinfektionen gemeldet.
Das öffentliche und wirtschaftliche Leben in China scheint langsam wieder zurückzukehren. Geschäfte und Fabriken öffnen, die Bevölkerung traut sich nach wochenlanger Quarantäne auf die Strasse. Das macht auch in hiesigen Breitengraden Hoffnung auf eine baldige Besserung der Lage. Doch ist sie berechtigt?
Das Bild, das China derzeit nach aussen vermittelt, wird angezweifelt. Ein Grund sind ausgerechnet die Zahlen, an die sich viele Menschen momentan klammern. Denn inwieweit die offizielle chinesische Statistik die wahre Lage widerspiegelt und wie hoch die Dunkelziffer ist, ist unklar. Mehrmals hat China die Testmethoden geändert und damit für Verwirrung bei internationalen Beobachtern gesorgt.
Am 13. Februar gab es einen sprunghaften Anstieg auf 15'152 Fälle, als die chinesischen Behörden eine Neuklassifizierung von Verdachtsfällen vornahmen. Nur eine Woche später machten sie diese Änderung aber wieder rückgängig, was die Zahlen am 20. Februar stark sinken liess. Zahlreiche Wissenschaftler äusserten daraufhin Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Behörden.
Diese hatte zu jenem Zeitpunkt bereits durch massive Vertuschungsversuche gelitten. Laut dem renommierten chinesischen Wirtschaftsmagazin «Caixin Global» wusste die Regierung schon im Dezember Bescheid, ergriff aber erst im Januar Massnahmen. Die Geschichte des Arztes Li Wenliang, der früh vor dem Ausbruch einer neuartigen Lungenkrankheit gewarnt hatte, aber laut Berichten gezwungen wurde, diese «Gerüchte» nicht weiterzuverbreiten, ging um die Welt. Der 34-Jährige starb, weil er selbst an Covid-19 erkrankte.
Die aktuelle Message der Regierung, in China herrsche wieder Normalität, muss ebenfalls mit Vorsicht genossen werden. Reportagen wie diese des «Time Magazine» lassen etwas anderes vermuten. Auch andere Berichte verweisen auf Städte und Regionen, in denen weiterhin strikte Massnahmen und eingeschränkte Bewegungsfreiheit gelten. Dort, wo die Menschen wieder arbeiten gehen, gibt es viele Kontrollen. Vor allem kleine Unternehmen leiden unter Beschränkungen und Auflagen, die weiterhin gelten.
Die Normalität, welche die chinesische Regierung vermitteln will, ist trügerisch. Letzte Woche besuchte Staatschef Xi Jinping demonstrativ den Ausbruchsort der Pandemie Wuhan, um zu signalisieren, dass die Lage unter Kontrolle sei. Doch die Gefahr ist längst nicht gebannt.
Momentan gibt es keine lokalen Ansteckungen mehr, aber täglich neue Fälle von Infizierten, die aus dem Ausland nach China zurückkommen. Viele waren in den Ferien in Europa. Um eine Ausbreitung der eingeschleppten Fälle möglichst zu verhindern, gelten strenge Quarantänemassnahmen für Rückkehrer. Trotzdem steigt die Angst vor einer zweiten Corona-Welle.
Eine solche wäre unmöglich zu verbergen und könnte die ganzen Fortschritte der letzten Wochen und Monate zunichtemachen. Die genauen Fallzahlen sind zwar kaum unabhängig zu prüfen. Dass sie in letzter Zeit stark gesunken sind, ist aber weitgehend unbestritten. Die chinesische Regierung hat rigoros durchgegriffen und die Lage dadurch zumindest vorerst in den Griff gekriegt. «Die Abnahme der Fälle ist real», bestätigte ein internationales Forscherteam unter Führung der WHO Anfang März.
Ob das auch so bleibt, ist die entscheidende Frage der nächsten Wochen. Viele Experten befürchten, dass die Verbreitung des Virus jetzt, wo die Massnahmen in China gelockert werden, wieder zunehmen könnte. Für Europa wären das schlechte Aussichten.
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