Kommentar zur Rassismus-DebatteStellen wir uns dem Rassisten in uns
Es ist leicht, in der Black-Lives-Matter-Debatte mit dem Finger auf andere zu zeigen. Doch wäre Selbstreflexion angebracht.
Manchmal kann man es einfach nicht richtig machen. Dieser Gedanke muss SRF-Moderator Sandro Brotz gekommen sein, als ihm die «Arena» mit dem Titel «Jetzt reden wir Schwarzen» um die Ohren flog. Hauptvorwurf: Drei der vier Gäste in der ersten Reihe waren weiss.
Manchmal kann man es einfach nicht richtig machen: So lautet auch der Subtext eines Artikels in der «SonntagsZeitung». Polizisten schildern darin ihr Dilemma: Immer häufiger würden sie bei Festnahmen dunkelhäutiger Personen gefilmt, manchmal sogar provoziert, «um eine medienwirksame Reaktion hervorzurufen». Manche Polizisten überlegten sich in der Folge zweimal, ob sie eine Kontrolle überhaupt durchführen wollten.
Ist es unangenehm, in Situationen höchster Belastung gefilmt zu werden? Zweifelsohne. Ist die Dokumentation solcher Einsätze also ein Problem? Auf keinen Fall. Der Fall von George Floyd hat nur deshalb eine weltweite Debatte ausgelöst, weil sein brutaler Erstickungstod gefilmt worden war.
Viele werden zum Schluss kommen, dass wir bisher nicht alles richtig gemacht haben.
Transparenz ist in der Auseinandersetzung mit Rassismus und Racial Profiling von höchster Bedeutung. Beamte müssen von falschen Vorwürfen entlastet werden, wenn ihr Einsatz verhältnismässig war. Und Fehler müssen schonungslos aufgearbeitet werden, wenn sie passieren.
Fredy Fässler, St. Galler Polizeidirektor und gleichzeitig Mitglied der Anti-Rassismus-Kommission, stellt sich auf den Standpunkt, die Schweiz habe kein flächendeckendes Rassismus-Problem. Er betont aber auch: Die meisten von uns – er eingeschlossen – hegten unbewusst rassistische Reflexe.
Diesen Reflexen müssen wir uns stellen. Das kann bedeuten, dass der Einzelne darüber nachdenkt, warum er so krampfhaft am Namen einer Süssspeise festhält. Dass sich die Gesellschaft Gedanken über die Zusammensetzung von Diskussionsrunden macht. Oder dass die Politik noch einmal sorgsam die Vor- und Nachteile von Bodycams abwägt.
Viele werden zum Schluss kommen, dass wir bisher nicht alles richtig gemacht haben.
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