TV-Kritik: Schweizer «Tatort»SRF zeigt einen Schoggi-Krimi, der zu satt macht
Der zweite Zürcher «Tatort» führt in die Züriberg-Villa eines Schokoladenfabrikanten. Ein Film mit viel Frauenpower, die sich tapfer durch eine überspannte Story kämpft.
Die neuen «Tatort»-Kommissarinnen aus der Schweiz, Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler), gaben im Herbst ihr sehenswertes Debüt. Und gleich vorweg: An den Schauspielerinnen liegt es nicht, dass die zweite Zürcher Folge mit dem Titel «Schoggiläbe» kein Schleck ist. Auch ihre Gegenspielerinnen machten ihre Sache gut – im Rahmen dessen, was diese Episode erlaubte: die 81-jährige Zürcher Doyenne Sibylle Brunner («Rosie») als Firmenpatriarchin und Elisa Plüss, 1989 in Zürich geboren und Gewächs des Zürcher Schauspielhauses, als ihre Enkelin.
Das Problem ist besagter Rahmen. All die hier versammelte helvetische Frauenpower kann aus der überladenen Story, geschrieben von Stefan Brunner und Lorenz Langenegger, und ihrer – teils – verstiegenen Inszenierung (Viviane Andereggen) keinen Spannungsknüller schälen.
Perverse Vermögensschere
Die Themen geben zwar eine Menge her, wurden aber laut schreiend in den Film hineinplakatiert: das «Zureich» von Zürich, sprich: die perverse Vermögensschere – die sich auch zwischen den Kommissarinnen auftut. Das eiskalte Fassadendasein in einer High Society à la Fritz Zorns «Mars». Die allgegenwärtige Verfilzung ganz oben, die allgegenwärtige Angst ganz unten, bei den Sans-Papiers und bei mittellosen Ungarn. Wohnungsnot, Homophobie, Prostitution, Leihmutterschaft, Depression. Sonst noch was?
Bei dem in seiner Züriberg-Villa hingemetzelten, schwulen Schokoladenfabrikanten Chevalier bündeln sich diese Sujets auf knallig-unglaubwürdige Weise – zur pseudo-antiken Tragödie, aufgemöbelt durch Techniken wie Reproduktionsmedizin und 3-D-Spurensicherung. Besonders Brunners Patriarchin bedient sich grosszügig am Themen-Wühltisch, den das Schweizer Fernsehen für seine Neugestaltung des nationalen süssen Lieblingsmotivs nutzte; statt Schoggi-Soap («Lüthi und Blanc») nun Schoggi-Krimi. Und bei der Enkelin verbindet sich Machtgier mit ideologischem Sendungsbewusstsein zum diabolischen Mix.
Durch das bunte Motivationspatchwork verzettelt sich auch der Film. Die allgemeine Verwirrung wird noch verstärkt durch eine Regie, die vieles ostentativ unausgesprochen lässt, lieber bedeutungswabernd auf wortlose Gesten zoomt. Auch bei der horizontalen Erzählung über den Background der Kommissarinnen setzt Regisseurin Andereggen gern auf raunende Andeutungen.
Gelungen sind dagegen die expliziten Metamomente von «Schoggiläbe»: Die zwei Ermittlerinnen und die Staatsanwältin verraten, was ihre Welt im Innersten zusammenhält – und sprechen die Zuschauer dabei direkt an. «Was hätten Sie getan?» Wir jedenfalls werden auch den nächsten Ott/Grandjean-«Tatort» gespannt einschalten. Da geht noch was.
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