TV-Kritik «Der Traum vom Eigenheim» Reicht das Geld für eine frei stehende Badewanne?
Die Familie Knecht im Berner Oberland will sich ein Eigenheim leisten. Eine SRF-Dokserie begleitet sie auf dem mühsamen Weg.
Kürzlich staunte sogar die «New York Times» über die reiche Schweiz, in der sich bloss eine Minderheit ein Eigenheim leisten kann. Laut einer Umfrage wünschen sich 52 Prozent der 30- bis 40-Jährigen in der Schweiz Wohneigentum, aber selbst Gutverdienende müssen auf Randregionen ausweichen: Seit 2000 sind die Preise für Eigenheime um 75 Prozent gestiegen.
Diese eindrückliche Zahl blendet die vierteilige SRF-Dokserie «Der Traum vom Eigenheim» ein, aber natürlich bleibt sie nicht bei trockenen Statistiken. Jede Folge porträtiert eine Familie, die den kollektiven Schweizer Traum von geräuschlosen Schubladen, frei stehender Badewanne und integriertem Dunstabzug verwirklichen möchte.
Zuerst sind die sympathischen Knechts im Berner Oberland dran, die nach 20 Jahren in Asien in die Schweiz zurückgekehrt sind. Rolf Knecht war «kulinarischer Direktor» für eine Hotelkette in Indoniesen, die Knechts zogen immer wieder um, jetzt wohnt die fünfköpfige Familie in einer 2-Zimmer-Wohnung in Meiringen BE – und Rolf Knecht holt die Pommes frites von der Fritteuse auf dem Balkon.
Es ist eng, auch wenn selbstverständlich keine Slumverhältnisse herrschen in einer Schweizer Mietwohnung mit Aarke-Wassersprudler. Die Knechts, die beide praktisch Vollzeit arbeiten, brauchen mehr Platz und mehr Rückzugsmöglichkeiten und entscheiden sich für ein Holzhaus im Dorf für knapp 1 Million Franken. Ein Haus als Verpflichtung und Versprechen nach langen unsteten Jahren: Hier bleiben wir jetzt.
Rolf Knecht klickt irgendwann die Mails mit dem Betreff «Zusatzkosten» weg.
Die Dokserie begleitet die Familie von 2021 bis zur Schlüsselübergabe in diesem Herbst – quasi ein Countdown bis zum Wohneigentum. Dass es mit dem Eigenheim in der Schweiz so kompliziert ist, wundert nicht nur Erica Knecht, in ihrem Heimatland Kanada sei das an vergleichbarer Lage deutlich einfacher. Auch Rolf Knecht klickt irgendwann die Mails mit dem Betreff «Zusatzkosten» weg.
Die Sitzungen mit der Bank und den Architekten sind aufreibend, die Mutter erkrankt zusätzlich an einem Burn-out. Und die Anwesenheit der SRF-Crew wird auch nicht immer zur Entspannung beigetragen haben: Manchmal wirkt es, als träume die Dokserie von (noch) mehr Drama. Aber man merkt der sehenswerten ersten Folge an, dass da ein Filmteam und eine Familie Zeit miteinander verbracht haben – so macht der Dok die abstrakten Begriffe von Eigenkapital und Co. nachvollziehbar und menschlich.
Leisten können sich die Knechts das Eigenheim am Ende nur dank einer vorgezogenen Erbschaft. Der Krieg in der Ukraine verteuert die Holzpreise, es kommt zu Verzögerungen, und auch wenn das Luxusprobleme sind, möchten die Knechts endlich einziehen können.
Die Weisheit des Holz-Poliers
Rolf Knecht reflektiert das Privileg, sich ein Haus leisten zu können, er sei «politisch links» und jetzt Eigentümer. Und nach der Zeit in Asien habe er die Schweiz ein Stück weit idealisiert: Es sei nicht so, wie man es sich vorstelle.
Im fertigen Haus ist dann auch nicht ganz alles, wie es sich die Knechts vorgestellt haben. Doch da hätten sie vielleicht die Vertragspassage, in der es um den Ofen geht, genauer lesen müssen. Das wird aber sicher alles noch, ganz nach der schon fast buddhistischen Weisheit des Holz-Poliers aus dem Oberland: «Wir bauen nur ein Haus, ein Zuhause macht ihr selber draus.»
«Der Traum vom Eigenheim», weitere Termine: 24. November, 1. Dezember und 8. Dezember auf SRF 1, jeweils 21 Uhr.
Fehler gefunden?Jetzt melden.