Rechtsextreme unter SpionageverdachtEin Angriff auf das Herz der Demokratie
China, Russland oder der Iran haben ein Interesse, dass bei den Europawahlen Anfang Juni Extremisten zulegen. Dass man in Moskau und Peking dafür Geld in die Hand nimmt, darf nicht verwundern. Deswegen muss die Demokratie wehrhafter werden.

Sind Europas selbst ernannte Patrioten besonders anfällig, sich in den Dienst feindlicher Mächte wie Russland und China zu stellen? Das EU-Parlament hat am Dienstag den Mitarbeiter des Abgeordneten Maximilian Krah von der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) suspendiert, weil dieser mehrfach Informationen an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben haben soll. Der Mann war zuvor in Deutschland wegen Spionageverdacht verhaftet worden. Die Nummer zwei auf der Europaliste der AfD steht wiederum im Verdacht, aus Moskau Geld angenommen zu haben, um Stimmung gegen die Unterstützung für die Ukraine zu machen.
Die Warnungen der Sicherheitsbehörden häufen sich. Von Belgien über Tschechien bis nach Deutschland gibt es neue Ermittlungen. In Belgien stand zuletzt ein Politiker des rechtsextremen Vlaams Belang im Fokus, der ebenfalls über Jahre Aufträge eines chinesischen Geheimdienstmannes ausgeführt haben soll. Dazu gehörten Störaktionen im EU-Parlament, die Diskreditierung chinakritischer Wissenschafter oder 2014 Reisen als «Wahlbeobachter» zum Fake-Referendum auf der von Russland annektierten Krim. Der Vlaams Belang könnte bei den Wahlen im Juni stärkste Kraft in Flandern werden.
Propagandanetzwerk in Tschechien
In Tschechien will die Regierung ein russisches Propagandanetzwerk unter dem harmlosen Namen Voice of Europe entdeckt haben, über das Politiker in Deutschland, Belgien, Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Polen mit Geldüberweisungen unterstützt worden sein sollen. Dies mit der klaren Aufgabe, die EU davon abzuhalten, der Ukraine im Kampf gegen die russische Armee Hilfe zu leisten. Es gibt natürlich auch die Kategorie der nützlichen Idioten, die sich umsonst oder einfach aus ideologischer Verblendung in den Dienst demokratiefeindlicher Mächte wie Russland, China oder auch des Iran stellen. Andere machen es offenbar für Geld, die Ermittlungen werden es zeigen.

Klar ist, dass Russland oder China ein Interesse haben, dass extremistische Parteien am rechten oder auch linken Rand des politischen Spektrums zulegen. Das gilt für nationale Wahlen, aber ganz besonders für die Europawahl Anfang Juni. In Ländern wie Bulgarien, der Slowakei oder Ungarn dominieren russische oder chinesische Narrative in den sozialen Medien. Der Vormarsch der Populisten könnte die EU handlungsunfähig machen. Ein fragmentiertes Europa ist ein schwaches Europa, das auf Pekings unfairen Wettbewerb oder die Machtansprüche im Südchinesischen Meer keine Antworten hat. Ein schwaches und zerstrittenes Europa wird die Ukraine fallen lassen, sich Wladimir Putins imperialen Plänen nicht länger entgegenstellen.
Erwachen kommt spät
Immerhin ist jetzt klar, wer extremistische Parteien wählt, wählt mehr Einfluss für Russland und China. Die selbst ernannten Patrioten verkaufen offenbar recht bereitwillig die Interessen ihrer Heimatländer. Das Erwachen der Ermittlungsbehörden und der Regierungen kommt spät. Man werde das Risiko von Desinformation, künstlicher Intelligenz und ausländischer Einflussnahme auf das Wahlverfahren genau beobachten, mahnten die Staats- und Regierungschefs der EU vergangene Woche am Gipfel in Brüssel. Mahnungen reichen allerdings nicht. Ermittler müssen Geldflüssen noch systematischer nachgehen, Regierungen müssen aktiver ihre Politik erklären und gegen Desinformation vorgehen. Demokratie muss wehrhaft werden, oder sie wird sich gegen autoritäre Regimes nicht behaupten können.
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