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Chinesische Flugobjekte über den USA
Spionage-Ballone tauchten schon vor Florida und Texas auf

Der Überwachungsballon kurz vor seinem Abschuss durch einen F-22 Kampfjet. Das Spektakel war vom Ferienort Myrtle Beach in South Carolina aus zu beobachten.
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Ein Spionageballon aus China sorgt in den USA für Aufregung – und lässt die Beziehungen zwischen Washington und Peking auf einen Tiefpunkt fallen. Wir klären hier die wichtigsten Fragen vom Überflug, dem Abschuss bis zu den Folgen dieses Vorfalls – und was das US-Verteidigungsministerium über ähnliche Vorfälle in den letzten Jahren gesagt hat.

Was ist über den Spionage-Ballon bekannt?

Das US-Verteidigungsministerium hatte am Donnerstagabend die Sichtung des chinesischen Ballons erstmals publik gemacht. Der Ballon war über dem US-Bundesstaat Montana gesichtet worden. US-Aussenminister Antony Blinken nannte das Eindringen des «Überwachungsballons» in den Luftraum der USA «inakzeptabel» und «unverantwortlich». China sprach dagegen von einem Forschungsballon, der durch «höhere Gewalt» vom Kurs abgekommen sei. Für Aufregung in den USA sorgte auch, dass der Ballon nahe der US-Luftwaffenbasis in Montana flog, wo mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen lagern.

Präsident Joe Biden hatte bereits am Mittwoch die Erlaubnis zum Abschuss erteilt, sobald die Mission ohne unangemessenes Risiko für Menschenleben erfüllt werden könnte. Ein Abschuss des Ballons über Land war aufgrund der Grösse und Höhe des Ballons und seiner Last zu gefährlich. Am Samstag schossen Kampfjets den Ballon dann über US-Hoheitsgewässern ab.

Was passiert nach dem Abschuss?

Nach dem Abschuss durch das US-Militär läuft die Bergung der Trümmerteile.  Bei der Sicherung des Gebiets helfe die Küstenwache. Die Bundespolizei FBI beteilige sich an der Auswertung, berichten US-Medien übereinstimmend. Die Trümmer lagen nach Pentagon-Angaben rund 11 Kilometer vor der Küste South Carolinas in relativ flachem Wasser.

Die USA erhoffen sich von der Auswertung Aufschluss über die technischen Fähigkeiten des Ballons. Die Informationskapsel sei weitgehend intakt, hiess es aus dem Pentagon.

Mehrere US-Republikaner kritisierten das abwartende Vorgehen bis zum Abschuss scharf. Senator Thom Tillis aus North Carolina schrieb auf Twitter: «Jetzt, wo diese peinliche Episode vorbei ist, brauchen wir Antworten von der Biden-Regierung über den Entscheidungsprozess. Das kommunistische China durfte tagelang ungehindert die amerikanische Souveränität verletzen. Wir müssen auf künftige Provokationen und Übergriffe Chinas besser vorbereitet sein.» Am 15. Februar soll der Senat in einer geheimen Sitzung unterrichtet werden.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Der Abschuss des Ballons war eine politische Demonstration

Stammt der zweite Ballon auch aus China?

Der zweite Ballon über Kolumbien stammt auch aus China, bestätigt Mao Nin. Er sei bei einem «Flugversuch» auf Abwege geraten.

Ja, der über Kolumbien entdeckter grosser Ballon stammt auch aus China. Die chinesische Aussenamtssprecherin Mao Nin bestätigte am Montag vor der Presse in Peking die Herkunft. Er habe einen «Flugversuch» unternommen, diene «zivilen Zwecke» und sei auf Abwegen. Ähnlich wie im Falle des abgeschossenen mutmasslichen chinesischen Spionageballons über den USA sagte die Sprecherin, durch das Wetter und seine begrenzten Steuerungsmöglichkeiten sei er in den Luftraum lateinamerikanischer Staaten eingedrungen.

Als verantwortliches Land habe China die betroffenen Länder informiert und sei angemessen mit dem Fall umgegangen. «Wir werden keine Bedrohung für andere Länder darstellen, was von allen verstanden worden ist», sagte die Sprecherin. China stehe auch im Kontakt mit der US-Regierung, die aufgefordert werde, «professionell, ruhig und angemessen» mit dem Vorgang um den Ballon über den USA umzugehen. Es sei ein «isolierter, unerwarteter Zwischenfall» gewesen, der durch «höhere Gewalt» ausgelöst worden sei. Die USA seien informiert worden, was China dazu herausgefunden habe.

Was ist über frühere Vorfälle bekannt?

Nach dem Abschuss des Spionage-Ballons informierte das Verteidigungsministerium ein Kongress-Komitee über frühere, ähnliche Vorfälle. China verfüge über eine ganze Ballonflotte, mit der auch andere Länder des westlichen Hemisphäre überwacht würden. In den vergangenen Jahren seien chinesische Ballons über Ländern auf fünf Kontinenten gesichtet worden, darunter in Ostasien, Südasien und Europa.

Allein in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump von 2017 bis 2021 hätten mindestens dreimal Überwachungsballons aus China die USA überflogen, sagte der Pentagon-Beamte. Seit Beginn der Amtszeit von Joe Biden habe es einen kurzen Überflug gegeben. Insgesamt seien die Flüge meist nicht besonders lang gewesen oder erst rückwirkend entdeckt worden, wurde geschildert.

Angesteuert hätten die Ballons auch die Umgebung von Hawaii oder Guam, wo das Indo-Pazifik-Kommando und die Pazifikflotte der USA beheimatet sind. Zweimal wurden die Flugobjekte in der Nähe von Florida gesichtet, mindestens einmal bei Texas. Genauere Angaben zu den Vorkommnissen gab das Verteidigungsministerium nicht bekannt. Es ist auch nicht bekannt, ob die Ballons in den US-Luftraum eindrangen, welcher sich bis 12 nautische Meilen (22,2 Kilometer) vor der Küste erstreckt.

Lesen Sie dazu auch: Peking fühlt sich ertappt – Nach Jahren der Isolation scheint Pekings Blick auf die Weltlage nicht mehr klar zu sein.

Was taugen solche Ballone überhaupt?

Ballons zur Aufklärung waren mit der Satellitenüberwachung aus der Mode gekommen, haben aber Vorteile: Sie können aus relativer Nähe Details und Bewegungen über längere Zeit beobachten, Kommunikation abfangen und sind für Radar schwer zu entdecken. Ihre Steuerung hat sich deutlich verbessert. Ausserdem sind sie billiger als Satelliten. Weil die benötigte Technik immer kleiner und leichter werde, erlebten die Ballons ein Comeback, sagte der australische Militär-Experte Peter Layton dem Sender CNN. Es gibt nur ein Problem: Wenn sie tief fliegen, sind sie – wie jetzt in den USA – mit blossem Auge erkennbar.

Wie gross die Ausbeute der Ballon-Reise war, ist noch unklar. Zwar flog er nahe dem Malmstrom Luftwaffenstützpunkt in Montana, wo auch atomare Interkontinentalraketen lagern. Aber Layton wies noch auf eine ganz andere Facette der Spionagegefahr hin: In der Nähe der Raketensilos stünden die Masten eines kleinen ländlichen Mobilfunkanbieters, der weiterhin Telekomausrüstung von Chinas Netzwerkriesen Huawei benutze. Huawei wird von den USA als Gefahr für die nationale Sicherheit gesehen, weswegen die grossen Mobilfunkbetreiber die billige Technologie meiden müssen.

Ein «Stratollite» wird für einen Flug vorbereitet: Ein solcher Ballon kann lange relativ stabil über einem Ziel gehalten werden.

Auch die US-Regierung lässt Ballone entwickeln, die in einigen Bereichen Satelliten, Flugzeuge und Drohnen ersetzen oder ergänzen können. Moderne Spionage-Ballone sind High-Tech-Geräte, die wie die meisten Wetterballone bis in die Stratosphäre aufsteigen, in bis zu 20 bis 25 Kilometer Höhe. Es sind diese Arbeitshöhen, die Ballone auch in moderner Zeit im Vergleich mit anderen Aufklärungsmitteln wie Satelliten und Drohnen konkurrenzfähig machen. 

Lesen Sie dazu: Nutzen der Uralt-Spionagetechnik – Die Rückkehr der Spionageballons

Was bedeutet der Vorfall für das Verhältnis China – USA?

Aus Protest gegen den Abschuss eines mutmasslichen chinesischen Spionageballons durch das US-Militär hat Chinas Aussenministerium den Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft in Peking einbestellt. Wie das Aussenamt am Montag mitteilte, sagte Vizeaussenminister Xie Feng, das Eindringen des Ballons sei nur ein «Unfall» gewesen, der durch «höhere Gewalt» passiert sei. «Die Fakten sind klar und können nicht verdreht werden.»

Trotzdem hätten sich die USA «taub gestellt» und darauf bestanden, «Gewalt gegen ein ziviles Luftschiff zu missbrauchen, das dabei war, den Luftraum der USA zu verlassen». Es sei eine «offensichtliche Überreaktion» gewesen und verletze «den Geist des Völkerrechts und internationale Normen», wurde der Vizeaussenminister zitiert. Die USA hätten damit die Bemühungen und Fortschritte auf beiden Seiten, die Beziehungen seit dem Treffen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden im November zu stabilisieren, «ernsthaft beeinträchtigt und beschädigt», sagte Xie Feng nach diesen Angaben.

Die chinesische Regierung werde die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und behalte sich das Recht auf notwendige Reaktionen vor. In einem indirekten Hinweis, der wohl auf etwaige zivile Eigentümer des Ballons schliessen lassen sollte, hiess es in der Mitteilung ferner, die Regierung wolle «die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen» wahren. 

Er sollte als erster Aussenminister seit sechs Jahren nach China reisen, sagte den Besuch bei Xi Jinping aber kurzfristig ab, nachdem der Spionageballon über Montana entdeckt wurde.

Der ehemalige US-Generalstabschef Mike Mullen wies diese Darstellung Pekings als aus seiner Sicht unglaubwürdig zurück. In einem Interview mit dem Fernsehsender ABC News sagte Mullen, das Fluggerät sei steuerbar und mit Propellern ausgestattet gewesen. «Das war kein Unfall. Das war Absicht», sagte Mullen.

Er glaube «eindeutig», Mitglieder des chinesischen Militärs hätten den Ballon gestartet, um einen geplanten Besuch von US-Aussenminister Antony Blinken in China zu stören, sagte Mullen weiter. Blinkens Besuch wäre der erste eines US-Aussenministers in China seit dem von Mike Pompeo im Jahr 2018 gewesen. Nach dem Ballon-Vorfall sagte Blinken ihn zunächst ab.

Lesen Sie dazu unseren Artikel: Wird der Abschuss des China-Ballons zum «Sputnik-Moment»? Der Abschuss des chinesischen Spionageballons könnte den Beginn eines neuen kalten Krieges signalisieren.


Welche andere Spionage ist bekannt?

Spionage ist Alltag zwischen China und den USA. Überwachungsballons sind nur ein kleines Puzzleteilchen in den Aufklärungsaktivitäten zwischen beiden Grossmächten.

Aus dem All observieren auch reihenweise Satelliten die Militäranlagen des Gegners. Cyber-Bataillone hacken sich auf beiden Seiten durchs Netz. Telekommunikation wird abgehört. Spione sind aktiv – klassisch nachrichtendienstlich oder wie im Falle Chinas auch gegen kritische Chinesen in den USA oder auf der Suche nach Industriegeheimnissen.

Die USA fliegen mit Aufklärungsflugzeugen von US-Militärstützpunkten in Japan und den Philippinen vor die chinesische Küste. Der grösste Zwischenfall ereignete sich 2001, als ein chinesischer Abfangjäger vor der Küste der südchinesischen Insel Hainan mit einem Spionageflugzeug der US-Marine vom Typ Lockheed EP-3 kollidierte. Der chinesische Pilot stürzte ins Meer und kam ums Leben. Die 24-köpfige EP-3-Crew musste auf Hainan notlanden und wurde in Gewahrsam genommen. Erst eine Entschuldigung der USA ebnete nach einem zehntägigen Tauziehen den Weg für die Freilassung und Heimkehr der Besatzung.

Das beschädigte EP-3-Aufklärungsflugzeug auf dem Lingshui Airfield auf Hainan.

Im vergangenen Jahr hätten die USA rund 600 Flüge zur Nahaufklärung vor den Küsten Chinas unternommen, schätzte im Dezember eine chinesische Denkfabrik. Die tatsächliche Zahl wurde noch höher geschätzt, weil die Flieger nicht immer ihre Transponder zur Erkennung einschalteten. China beklagt auch, dass die hochmodernen Raketenabwehrsysteme (THAAD) der USA beim Partner Südkorea, die eigentlich der Frühwarnung vor einem Angriff Nordkoreas dienen, weit nach China hineinhorchen können.

Langfristig halten US-Geheimdienstler die Spionage und den Diebstahl von Wirtschaftsgeheimnissen für die grösste Gefahr für die nationale Sicherheit. Es gibt Berichte über chinesische Land- oder Immobilienkäufe in der Nähe kritischer US-Infrastruktur. Immer wieder verurteilen Gerichte in den USA Chinesen wegen Agententätigkeit oder des Diebstahls von Industriegeheimnissen. Hacker aus China sind berüchtigt, technologisches Know-how auszukundschaften.

Umgekehrt enthüllte der US-amerikanische Whistleblower Edward Snowden 2014, dass US-Geheimdienste systematisch chinesische Ministerien, Banken, den Zoll und den Huawei-Konzern ausspioniert haben sollen. Sogar der damalige Staats- und Parteichef Hu Jintao soll abgehört worden sein.

Wieso sorgt dieser Vorfall für so viel mediales Aufsehen?

Die USA sind sich sicher, dass der chinesische Ballon sensible militärische Einrichtungen überwachen wollte. China dagegen spricht von einem Forschungsballon auf Irrwegen, was die USA für wenig glaubwürdig halten. Der Ballon sei nicht vom Weg abgekommen, sondern «überflog absichtlich die USA und Kanada», hiess es vom Pentagon. Man habe ihn und seine Ausrüstung genau beobachten können, was aus nachrichtendienstlicher Sicht «sehr wertvoll» gewesen sei.

Spektakel in der Weltöffentlichkeit: Während andere Vorfälle geheim blieben, sorgte der chinesische Spionageballon diesmal für viel Wirbel und politische Reaktionen.

Einiges spricht auch dafür, dass die US-Regierung eigentlich kein Interesse daran hatte, die Ballon-Reise zum öffentlichen Spektakel zu machen. Der Ballon war nach Pentagon-Angaben am 28. Januar über Alaska gesichtet worden, am 30. Januar über Kanada und am 31. Januar über dem US-Bundesstaat Idaho. Das Ministerium machte die Entdeckung aber erst Mitte vergangener Woche publik, nachdem Bilder des Ballons über dem Bundesstaat Montana im Nordwesten der USA aufgetaucht waren.

Die Frage, warum der Ballon so tief flog, dass er der Bevölkerung nicht verborgen blieb, sorgt für Spekulationen. Möglich ist, dass bei der chinesischen Mission tatsächlich etwas schief ging. Die Trümmerteile, die nun vor der Küste South Carolinas aus dem Meer geholt werden, können darauf vermutlich keine Antwort geben. Sie könnten aber wertvolle Informationen zu den Spionage-Werkzeugen der Chinesen liefern. Die Informationskapsel sei weitgehend intakt, hiess es aus dem Pentagon.

Lesen Sie dazu unser Interview mit Experte Erich Schmidt-Eenboom: «Die Chinesen hofften wohl, dass ihre Ballon-Spionage unentdeckt bleibt»

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AFP/SDA/anf