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Vor dem Duell gegen die Schweiz
Spaniens Goalie hat sein brutales Eigentor verarbeitet

Maximal gelassen: Der Fehler gegen Kroatien sei ein Unfall gewesen, sagt Unai Simón. 
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Es war nicht leicht, sich an jede Einzelheit der Partie vom Montag gegen Kroatien zu erinnern. Angefangen damit, dass es in einem tumultartigen Achtelfinal acht Tore zu bestaunen gab, die Spanier siegten nach Verlängerung 5:3. Eine Szene jedoch hatte sich Sergio Busquets, dem Captain der Spanier, eingebrannt.

Sie diente ihm als Beleg dafür, dass Goalie Unai Simón (24) mental tatsächlich so stark ist, wie er immer behauptet. «Der Spielzug zu unserem 2:1 wurde an seinen Füssen geboren», sagte Busquets. Und das war tatsächlich sensationell.

Der Rückpass aus 44,8 Metern

Zur Erinnerung: In der 20. Minute hatte sich Simón einen Fehler geleistet, der so episch war, wie das Spiel noch werden sollte. Einen Rückpass aus digital erfassten 44,8 Metern von Mittelfeldspieler Pedri liess er über den Fuss hüpfen, der Ball rollte mit der grausamen Langsamkeit, mit der sonst nur Liebesbeziehungen enden, ins Tor.

In der Folge hätte man mit vielen Dingen rechnen können. Nicht unbedingt damit, dass sich Spaniens Nationalteam von dem Schock erholte, nach zwischenzeitlicher 3:1-Führung in der Nachspielzeit den Ausgleich hinnimmt und doch gewinnt.

Und auch nicht hiermit: dass der Ball nach jener fatalen 20. Minute kein einziges Mal mehr an den Füssen Simóns brannte, dass der Goalie die Bälle ruhig und sicher zum Nebenmann spitzelte, ohne leisesten Anflug von Nervosität. Als sei ihm nichts passiert, schon gar nicht ein Bock, den man aus keiner Erinnerung mehr tilgen kann.

«Ich zeige meine Emotionen kaum, weder nach Traumparaden noch nach einem Fehler», sagt Simón. Dass die Radioreporter von der Tribüne im Parkenstadion zu Kopenhagen Interjektionen der Angst nach Hause funkten («Uyuyuiiii, Uyuuuyuuuiiiiiii…!»), bekam Simón auf dem Rasen nicht mit. Im Stadion habe er ausschliesslich Unterstützung verspürt, erklärte er am Mittwoch in St. Petersburg, wo er am Freitag im Viertelfinal gegen die Schweiz im Tor stehen wird.

«Wenn die Leute fünf Minuten später anfangen, wegen allem und jedem zu klatschen, gibt dir das viel Energie.»

Unai Simón

«Nach so einem Fehler kommen schon negative Gedanken auf», räumte er ein, «wenn aber die Leute fünf Minuten später anfangen, wegen allem und jedem zu klatschen, gibt dir das viel Energie.» Noch mehr Energie gab ihm freilich, dass Spanien siegte. Auf dem Heimweg habe er mit seiner Freundin telefoniert, er kam mit ihr darin überein, dass nicht auszumalen gewesen wäre, wenn das Spiel nicht noch gewonnen worden wäre.

Der Fehler an sich sei «ein Unfall gewesen», sagte er mit maximaler Gelassenheit, die Sonne habe ihn nicht geblendet, es gebe keine Ausreden, er habe schlicht den Ball nicht gut kontrolliert. «Ich habe mir die Szene sechs-, siebenmal angeschaut; ich habe mich damit ein bisschen gemartert.»

Am Montag ging es nur darum: «Die Mannschaft brauchte mich, und ich musste so weitermachen. Ich musste weiter Risiken auf mich nehmen, denn das ist es, was der Míster von mir verlangt», sagte Simón – gemeint war Trainer Luis Enrique.

Ein gutes Team: Luis Enrique und Unai Simón.

An vorangegangenen Tagen hatte Simón eingeräumt, dass er sich das Spiel mit dem Ball erst aneignen musste – unter Nationaltrainer Enrique, der ihm «viel über das Spiel mit Ball beigebracht» habe. Simón spielt beim baskischen Traditionsclub Athletic Bilbao; die Einbindung des Goalies in die Spieleröffnung à la Manuel Neuer wurde dort eher vernachlässigt. Das liegt einerseits daran, dass der Verein britisch geprägt ist, der Stil des Fussballs immer ein anderer war. Und andererseits, dass die Basken ihre eigene, sehr produktive Goaliefabrik haben. Ihr entstammen Legenden wie José Ángel «El Txopo» Iríbar, Luis Arconada oder Andoni Zubizarreta. Zehn Prozent der rund 100 Nationalspieler, die von Athletic kamen, waren Torhüter.

Ein Zufall? Mitnichten. Es ist vielmehr dem Einfluss regionaler Begebenheiten geschuldet, und das ist keine Mär. Der Sand der Strände des Kantabrischen Meeres stärkt die Sprungkraft und nimmt die Angst vor den Flügen auf den Boden; an den «frontones» wird die Reaktionsschnelligkeit geschult. Die «frontones» sind die berühmten Prellwände, die in jedem baskischen Dorf stehen und wo Pelota gespielt wird – ein sehr baskischer Sport, mit dem Squash entfernt verwandt, bei dem man einen lederummantelten Ball gegen eine Wand schleudert.

Faul und gross gewachsen

Auch in Murgia, dem 1000-Einwohner-Ort in der Nähe von Vitoria, in dem Simón aufgewachsen ist, stehen mehrere dieser «frontones». Doch seine Passion gehörte schon früh dem Fussball, gern auf dem Dorfplatz, der Ball sei dann schon mal in die Fenster der Tapas-Bars geflogen. Strafrechtliche Konsequenzen drohten ihm nicht: Sein Vater ist bei der Guardia Civil, einem paramilitärischen Polizeikorps – die Mutter ist bei der baskischen Regionalpolizei Ertzaintza.

Dass er im Tor landete, hatte mit zwei Faktoren zu tun: Er sei faul und gross gewachsen gewesen. Die Schule verliess Simón recht bald; er war den Spähern von Athletic Bilbao aufgefallen. Doch bis heute kehrt er nach Murgia zurück, sobald das Training beendet ist, um mit den Freunden von damals «Mus» zu spielen, ein populäres baskisches Kartenspiel. Und wenn sie ihn am Tisch aufziehen sollten, wird er ihnen immer die Worte von El Txopo entgegenhalten können: «Das ist uns allen schon mal passiert.»

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