Abstimmung im JuniSP in guter Position für neuen Steuersieg
Die SP lehnt die OECD-Steuervorlage ab. Die Reaktionen der Bürgerlichen sind bemerkenswert – und könnten die SP-Chancen auf Erfolg beim Volk erhöhen.
Am 18. Juni wird das Stimmvolk zum dritten Mal innert weniger Monate über eine grosse Steuerreform entscheiden. Nach den Abstimmungen über die Stempel- und die Verrechnungssteuer geht es jetzt um die Gewinnsteuern für Grosskonzerne. Der Anstoss zur Reform kam von aussen: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat entschieden, dass Firmen, die einen Umsatz von über 750 Millionen Euro erwirtschaften, mit 15 Prozent zu besteuern sind. Bundesrat und Parlament versuchen nun, diesen Beschluss in die Verfassung zu überführen.
Eine massgebliche Rolle könnte wiederum der SP zufallen. Sie war es, die mit Referenden die geplante Abschaffung von Stempel- und Verrechnungssteuer verhinderte. Und auch bei der OECD-Vorlage geht die linke Partei nun auf die Barrikaden. Die Delegiertenversammlung votierte am Samstag mit Zweidrittelmehr für die Nein-Parole. Ein Beschluss, der auf den ersten Blick erstaunen mag: Immerhin würde die Reform dazu führen, dass viele Grosskonzerne mehr Steuern zahlen müssten als bisher – eigentlich ein sozialdemokratisches Anliegen.
Allerdings ist es nicht der Grundsatz, sondern die Umsetzung, an der sich die Linke stört. Der Entwurf des Parlaments sieht vor, dass 75 Prozent der Mehreinnahmen an die Kantone gehen und nur ein Viertel in die Bundeskasse fliesst. Die SP fürchtet, dass die Kantone den Geldsegen sogleich dafür einsetzen werden, den Konzernen ein attraktives Umfeld zu schaffen.
Wermuth sieht kein Problem
«Man kann nach einem Nein ganz schnell eine neue Reform aufgleisen», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Dass es eine Reform brauche, sei unbestritten. Es gehe nur noch um den Verteilschlüssel. «Wir sind bereit, mit den Befürwortern schon am Tag nach der Abstimmung über eine bessere Lösung zu sprechen», betont Wermuth. «Uns ist wichtig, dass die Mehreinnahmen bei den Menschen ankommen und nicht einfach auf einem anderen Weg wieder den Konzernen zugeführt werden. Es gilt also, die Verluste bei der Kaufkraft auszugleichen und in wichtige Infrastrukturen zu investieren.»
Eine gescheiterte Reform unmittelbar nach der Abstimmung mit leicht veränderten Parametern neu aufzulegen, ist demokratiepolitisch freilich heikel. Schliesslich kennt niemand die Beweggründe der Stimmenden. Umso bemerkenswerter ist es, wie nun Bürgerliche auf die linke Parole reagieren. «Die SP liegt richtig», sagt Mitte-Nationalrat Markus Ritter, der sich für ein Ja am 18. Juni einsetzt. «Wenn es ein Nein gibt, brauchen wir einen neuen Anlauf. Man muss an der Vorlage eigentlich kaum ein Komma ändern, es sind sich ja alle einig.» Nur bei der Verteilung der Mehreinnahmen herrsche Dissens. Ritter hatte sich zusammen mit seiner Fraktion im Nationalrat für eine je hälftige Aufteilung auf Bund und Kantone ausgesprochen, drang aber nicht durch damit. Dieser Vorschlag könnte wieder aktuell werden, falls die Linken im Juni gewinnen.
Volk ist bei Steuerreformen tendenziell misstrauisch
Selbst die SVP, die der SP sonst keine Geschenke macht, gibt sich nicht sehr konfrontativ. «Wie es nach einem allfälligen Nein am 18. Juni weiterginge, darüber braucht man heute nicht zu spekulieren», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi. Er will sich jetzt auf die aktuelle Vorlage konzentrieren. Die SVP-Fraktion habe diese einstimmig angenommen, hält Aeschi fest. Er sei überzeugt, dass auch die Delegiertenversammlung die Ja-Parole beschliessen werde. Es sei besser, wenn die betroffenen Firmen «ihre Steuern in der Schweiz statt im Ausland bezahlen». Tatsächlich herrscht Einigkeit darüber, dass sich die Schweiz schwerwiegende Nachteile einhandelte, würde sie sich den OECD-Beschlüssen verweigern.
Die SP scheint insgesamt nun in vorteilhafter Startposition. Das Volk ist bei Steuerreformen tendenziell misstrauisch, zudem braucht es bei der OECD-Vorlage noch das Ständemehr. Vor allem aber lassen die obigen Statements erwarten, dass nach einer Ablehnung bald eine korrigierte Neuauflage der Reform folgen würde. Die Stimmberechtigten könnten daher mit überschaubarem Risiko ein Nein einlegen – falls sie denn mit der Mittelverteilung ebenso unzufrieden sind wie die SP.
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