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Wahl der Bundesrichter
SP droht mit Boykott, um die SVP abzustrafen

Er möchte den Richterkandidaten der SVP die Stimme verweigern: SP-Parteipräsident Christian Levrat am 14. September 2020 im Ständerat. 
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38 Richterinnen und Richter amtieren am höchsten Schweizer Gericht, 37 davon stehen am kommenden Mittwoch zur Wiederwahl. Doch wie unabhängig sind die Richter, die sich alle sechs Jahre der Wiederwahl stellen müssen, vom Parlament, das sie wählt? Die SVP lässt mit Yves Donzallaz einen ihrer Richter fallen, weil er nicht im Sinne der Partei urteilt. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi bekräftigte vergangene Woche in dieser Zeitung die Attacke: Es gebe einen geheimen Plan, die Schweiz in die EU zu führen. Offenbar sind Bundesrichter seiner Ansicht nach in diesen «Plan» involviert. Parlamentarier reagierten empört auf Aeschis Aussagen, wie sie im Gespräch sagen. Aeschi verteidige die Unabhängigkeit der Justiz nicht ansatzweise.

Nun reifte bei der SP offenbar die Absicht, darauf mit ähnlichem Geschütz zu reagieren. Die SP-Fraktion diskutiert derzeit die Option, allen zur Wiederwahl stehenden SVP-Richtern die Stimme zu verweigern. Das sagt SP-Präsident Christian Levrat im «Sonntagsblick». Nicht, dass er das gern machen würde, doch wenn es nötig sei, sich die Hände schmutzig zu machen, um gegen das Gebaren der SVP zu protestieren, dann würde er. Dieser Angriff auf die Justiz dürfe nicht ohne Reaktion bleiben.

Nur schon eine Verschiebung ist chancenlos

Die SP wollte die Richterwahlen auf den Winter verschieben, kam damit aber beim Büro der Vereinigten Bundesversammlung nicht durch. Sie wird es am Mittwoch nochmals mit einem Antrag versuchen. Wenn das nicht gelingt, ist laut Levrat ein Boykott der SVP-Richter eine Option. In der SP hat das Szenario offenbar gute Chancen.

Nicht jedoch bei anderen Parteien, wie die Nachfrage am Sonntagnachmittag zeigt. Am ehesten würde die SP bei den Grünen Verbündete finden, doch dort ist die Meinung nicht einheitlich. Nur schon eine Verschiebung der Richterwahlen können sich nur vereinzelte grüne Parlamentarier vorstellen, verbunden mit einer vertieften Prüfung der richterlichen Unabhängigkeit durch die Gerichtskommission. Darunter Parteichef Balthasar Glättli.

Anders der Glarner Ständerat Mathias Zopfi. «Die SVP verpolitisiert die Richterwahlen, was absolut falsch ist. Doch darauf sollten wir anderen Parteien nicht mit noch mehr Verpolitisierung reagieren», sagt der Rechtsanwalt. Er sei dafür, dass die Geschäftsprüfungskommission überprüfe, ob die SVP-Richter beziehungsweise die Bundesrichter generell übermässig beeinflusst würden. Doch dies mit mehr inhaltlicher und zeitlicher Distanz und vor allem unabhängig von den anstehenden Wahlen. Ausserdem: «Wir brauchen am 1. Januar ein neues Bundesgericht. Sollten die Wahlen im Dezember aus irgendeinem Grund nicht stattfinden können, hätten wir ein Problem», sagt Zopfi. Glättli hingegen behält sich vor, einer Verschiebung zuzustimmen. Die angedrohte Nichtwahl der SVP-Richter hingegen hält er für blossen «Theaterdonner». Das sei kein geeignetes Mittel, um die SVP zur Räson zu bringen.

Schroffes Nein der Bürgerlichen

Die bürgerlichen Parteien können den Plänen der SP erst recht nichts abgewinnen. «Eine Verschiebung –warum und wozu?», fragt CVP-Fraktionschefin Andrea Gmür. Was die SVP mache, sei zu verurteilen. Dass aber andere Parteien nur schon daran dächten, es der SVP gleichzutun und Richtern ohne Grund die Wiederwahl zu verweigern, verstehe sie überhaupt nicht. «Parteipolitische Geplänkel haben bei Richterwahlen nichts verloren. Die Unabhängigkeit der Justiz muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein.» Laut Grünliberalen-Präsident Jürg Grossen wäre die kollektive Nichtwahl «ein klarer Fehler. Man würde die Institution weiter schwächen und der Bevölkerung signalisieren, dass wir mit dem Bundesgericht ein Problem hätten. Doch wir haben kein Problem mit dem Bundesgericht, sondern mit der SVP.»

FDP-Fraktionschef Beat Walti antwortet: «Undenkbar.» Auf die Respektlosigkeit der SVP reagiere die SP mit «Doppelzüngigkeit», so der Zürcher.