Replik zur Jositsch-Kandidatur SP – die Partei der Diskriminierung
Die SP macht einen schweren Fehler, wenn sie dem Zürcher Ständerat verbietet, sich für ihr Bundesratsticket zu bewerben. Denn so bricht sie auf gefährliche Art mit ihren eigenen Werten – und den Werten der Schweiz.
Kann man es wirklich voll in Ordnung finden, Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren? Im Jahr 2022, in der Schweiz?
Die SP kann. Jedenfalls ihre Parteispitze um Mattea Meyer und Cédric Wermuth. Die beiden schliessen kategorisch aus, dass ihr Zürcher Ständerat Daniel Jositsch – oder überhaupt irgendein Mann – sich für das SP-Ticket bei der Sommaruga-Ersatzwahl bewirbt.
Die SP setzt sich in Widerspruch zur Bundesverfassung.
Falls die SP-Bundeshausfraktion am 18. November ihrer Chefetage folgt und dem Antrag zustimmt, wird aus der «Partei der Gleichstellung» – wie Mattea Meyer sich kürzlich ausdrückte – das Gegenteil: die Diskriminierungspartei. Sie schliesst die Hälfte des Volks im Vorhinein von gewissen politischen Ämtern aus.
Damit setzt sich die SP in Widerspruch zur Bundesverfassung. Der zentrale Grundrechte-Artikel 8 hält fest: «Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht (...) wegen des Geschlechts.» Der Ausschluss einer Männerbewerbung fürs Ticket widerspricht aber nicht allein dem Buchstaben der Verfassung, sondern auch ihrem liberalen Geist. Die Verfassung hält die Freiheiten, Rechte und Pflichten der Einzelnen gegenüber dem Kollektiv hoch.
Wenn das der SP nicht passt und sie sich bei ihrer Bundesratsauswahl darum foutiert, ist das nicht nur ihr internes Problem. Es wird einem bang und wehe beim Gedanken, dass eine Partei mit derart grosser Regierungsverantwortung dem Boden der Verfassung auf so eklatante Weise entschwebt.
Für ihre Rechtfertigungsversuche bedienen sich Meyer und Wermuth aus dem Fundus der Identitätspolitik. Das ist die Ideologie, die die Zugehörigkeit zu einer Gruppe über das Individuum stellt. So wird aus dem komplexen Politiker Daniel Jositsch einfach ein Angehöriger des Typus Mann, dem die Bewerbung verboten gehört.
Anhängerinnen und Anhänger der Identitätspolitik glauben auch, dass vergangenes Unrecht es rechtfertigt, in der Gegenwart Unrecht zu üben – einfach in umgekehrter Richtung. Wer dem Jositsch-Bann zustimmt, leitet daraus ab, dass eine Untervertretung der Frauen im Bundesrat seit Bestehen des Bundesstaats einen Ausschluss der Männer schlüssig begründet.
Aber: Diese Unrechts-Buchhaltung verletzt die Rechte von Einzelnen. In diesem Fall von Jositsch und allfälligen anderen, die sich eine Kandidatur überlegen. Solches Aufrechnen rechtfertigt sich nie.
Der Preis, das SP-Führungsduo für einmal auflaufen zu lassen, ist verschmerzbar.
Nun ist sonnenklar, dass die Frauenförderungspartei SP am 7. Dezember ohnehin mit einem reinen Frauenticket in die Bundesratswahl steigen wird. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass ihr Kandidatinnenfeld dafür gross und politisch breit genug ist. Und es gibt gute Gründe, im Bundesrat den Frauenanteil nicht noch weiter sinken zu lassen. Aber auch genau deswegen ist es grundfalsch, gleich vorab mit der eisernen Faust Männer überhaupt von einer Ticket-Bewerbung auszuschliessen.
Es ist den SP-Wählerinnen und -Wählern – und der ganzen Schweiz – zu wünschen, dass die Bundeshausfraktion den Beschluss der Parteiführung umstösst. Mattea Meyer und Cédric Wermuth haben sich strategisch und ideologisch verrannt. Der Preis, das Führungsduo für einmal auflaufen zu lassen, ist verschmerzbar. Der Gewinn an Glaubwürdigkeit für die eigene Sache ist immens.
Ganz anders hat Tamedia-Politikchefin Raphaela Birrer den Fall Jositsch kommentiert. Lesen Sie ihren Text hier.
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