Politik an den Schulen SP-Co-Präsident warnt vor Kampagne gegen linke Lehrer
Der Aargau will mit einer Befragung feststellen, wie politisch neutral seine Mittelschulen sind. Auslöser war die Maturaarbeit von drei Jungfreisinnigen.
Die Woche hätte für Mick Biesuz nicht besser laufen können. Den Maturitätsausweis von der Kantonsschule Baden hat er im Sack. Und nun löst die Maturaarbeit, die er mit zwei Kollegen verfasst hat, eine nationale Debatte aus. Ihr Thema: Hat der Schulunterricht einen Linksdrall?
Denn dass diese Frage nun wissenschaftlich untersucht wird, ist für Cédric Wermuth ein «verheerendes Signal». In der «Aargauer Zeitung» schreibt der Co-Präsident der SP, die geplante Befragung sei ein «gesinnungspolitischer Einschüchterungsversuch».
Biesuz hatte mit seinen Co-Autoren Jan Suter und Fabian Zehnder in einer Befragung herausgefunden, dass ein Drittel der Schülerinnen und Schüler den Unterricht an der Kantonsschule Baden als eher links wahrnehmen. Zudem ordnen zwei Drittel ihre Lehrerinnen und Lehrer dem linken Spektrum zu.
Rechte fühlen sich unwohl
Die Folge davon ist laut den drei Autoren, die alle der Jungen FDP angehören oder nahestehen: Je weiter rechts sich Gymnasiastinnen und Gymnasiasten selbst einschätzen, desto unwohler fühlen sie sich, ihre Meinung zu äussern.
Mick Biesuz ist Präsident der Jungfreisinnigen in Baden und sitzt im Vorstand der FDP-Ortspartei. Er sieht seine persönliche Erfahrung durch die Ergebnisse seiner Umfrage bestätigt: «Es herrscht am Gymi wenig Toleranz gegenüber rechten Meinungsäusserungen.»
Die Maturaarbeit scheuchte die Politik auf. FDP-Grossrat Adrian Schoop forderte im Parlament, das Problem wissenschaftlich zu untersuchen. Bildungsdirektor Alex Hürzeler nahm den Faden blitzschnell auf: Noch bevor am Dienstag der Aargauer Grosse Rat Schoops Vorstoss überwies, hatte der SVP-Regierungsrat das Meinungsforschungsinstitut Sotomo mit der geforderten Studie beauftragt. Das Institut des Politgeografen Michael Hermann soll in einer repräsentativen Befragung untersuchen, ob an den Aargauer Mittelschulen die politische Neutralität eingehalten wird.
SP-Co-Präsident Wermuth sieht in dem Forschungsauftrag indes eine «politische Kampagne». Das sei ein Angriff auf das Bildungssystem. Bildungsdirektor Hürzeler verhalte sich wie «Orban in Ungarn, Trump in den USA, Putin in Russland».
Mick Biesuz wundert sich über Wermuths Furor: «Er sollte eigentlich selbst das grösste Interesse daran haben, dass die politische Neutralität an den Schulen seriös und wissenschaftlich unter die Lupe genommen wird.»
Wissenschaftlicher Anstrich?
Sotomo hat dazu bereits ein Konzept erarbeitet. Projektpartnerin Sarah Bütikofer beschreibt es so: «Wir erheben, wie die Unterrichtsatmosphäre bei politischen und gesellschaftlichen Debatten empfunden wird und wie die Schülerinnen und Schüler solche Diskussionen im Unterricht wahrnehmen.» Dafür befragt Sotomo online alle Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer der Aargauer Mittelschulen.
Das Meinungsforschungsinstitut gebe damit einem «politischen Einschüchterungsversuch einen wissenschaftlichen Anstrich» kritisierte der Bildungsexperte Philippe Wampfler auf Twitter. Er sagt auf Anfrage: «Selbstverständlich ist es ein berechtigtes Anliegen, genauer hinzuschauen, wenn sich bürgerlich denkende Schülerinnen und Schüler ausgegrenzt fühlen.» Der Studienauftrag ist Wampfler aber zu diffus.
Sotomo-Projektpartnerin Bütikofer erwidert darauf, die Maturaarbeit zu dem Thema weise methodische und theoretische Schwächen auf. «Regierung und Parlament des Kantons Aargau möchten aber den darin aufgeworfenen Fragen auf den Grund gehen.» Sotomo werde dies «sorgfältig und nach wissenschaftlichen Kriterien tun».
«Kein Generalverdacht»
In einem Brief an ihre Mittelschullehrerinnen und -lehrer will auch die Aargauer Bildungsdirektion der Kritik Wind aus den Segeln nehmen. Der Regierungsrat stelle die Lehrpersonen «keineswegs unter Generalverdacht der ungebührlichen politischen Parteinahme», schreibt die zuständige Abteilungsleiterin. Und: «Ich bin zuversichtlich, dass die Pluralität der Meinungen im Unterricht gewahrt ist und sich keinerlei Massnahmen aufdrängen werden.»
Doch der Wunsch, die Einhaltung politischer Neutralität in den Schulen zu untersuchen, beschränkt sich nicht mehr nur auf den Aargau: Die FDP hat auch im Kanton Basel-Landschaft einen entsprechenden Vorstoss eingereicht.
Für Mick Biesuz selbst ist das Kapitel abgeschlossen. Er geht bald in die Rekrutenschule, will dann im Gastgewerbe jobben und schliesslich ein Studium an der Wirtschaftsuniversität St. Gallen beginnen. «So wie das dem gängigen Klischee eines Jungfreisinnigen entspricht», sagt er.
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