Tessin-Reisen an Auffahrt«Sorge ist gross, dass sich Deutschschweizer nicht an Regeln halten»
Über Ostern flehte das Tessin Deutschschweizer an, zu Hause zu bleiben. Nun geht der Tourismusverband in die Offensive. Die Angst vor undisziplinierten Touristen sei aber gross, sagt Infektiologe Andreas Cerny.
Anfang April flehten Tessiner Kantons- und Gemeindevertreter die Deutschschweizer noch an, zu Hause zu bleiben. Auch Bundesrat Alain Berset appellierte an die Bürger, doch bitte nicht ins Tessin zu fahren. Nur einen Monat später rät das Bundesamt für Gesundheit nicht mehr davon ab, über Auffahrt und Pfingsten ins Tessin zu reisen.
«Die Situation ist nicht mehr so dramatisch wie an Ostern – da müssen wir ehrlich sein. Die Leute sollen das schöne Wetter geniessen», sagte Daniel Koch an der gestrigen Medienkonferenz. Damit die Feiertage nicht zum Bumerang werden, sollten sich die Leute aber weiter streng an die BAG-Empfehlungen halten.
«Tourismus im Tessin erwacht wieder zum Leben»
Die Corona-Krise traf die Tessiner Tourismusbranche besonders hart. Die Buchungen sind um rund 90 Prozent eingebrochen, trotz Kurzarbeitsentschädigung und Überbrückungskrediten droht vielen Betrieben das Aus. Nun geht der Tessiner Tourismusverband in die Offensive und verkündet in einer Mitteilung: «Das Tessin ist bereit, wieder Gäste zu empfangen.»
Mit dem Aufruf «See you soon – das Tessin freut sich auf euch» richte man sich vor allem an die Gäste aus der Deutsch- und Westschweiz, schreibt Ticino Turismo. Nachdem das Tessin seine Gäste schweren Herzens bitten musste, an Ostern zu Hause zu bleiben, sei nun der Moment gekommen, wieder aktiv um sie zu werben. Die Botschaft ist klar: «Unsere Schweizer Gäste sollen wissen, dass der Tourismus im Tessin wieder zum Leben erwacht», erläutert Marketingdirektorin Manuela Nicoletti.
Zudem hofft Ticino Turismo, dass ab dem 15. Juni auch viele deutsche Touristen ins Tessin strömen. «Mit der Grenzöffnung vor der Sommerferienzeit könnte die italienische Schweiz somit auch für Deutsche eine attraktive Alternative zu den üblichen Badeferien am Mittelmeer sein», erklärt Direktor Angelo Trotta.
Disziplinierte Touristen erwünscht
Die Zuversicht im Tessin ist aufgrund der positiven Zahlen momentan gross, sagt Andreas Cerny, Tessiner Arzt für Infektiologie und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bern zu 20min.ch. «Immerhin ist der Kanton abhängig vom Tourismus.» Für viele Tessiner seien die Bilder, die man momentan aus der Deutschschweiz – wie etwa in Basel die feiernden Mengen – zu sehen kriege, unvorstellbar.
Das Tessin sei durch die Corona-Epidemie viel stärker getroffen worden. Fast jede Person kennt persönlich jemanden, der sich angesteckt hat. «Die Leute wissen also, wie schwer die Krankheit verlaufen kann», sagt Cerny. Viele Deutschschweizer hätten noch immer das Gefühl, das Virus könne ihnen nichts anhaben. «Die Befürchtung ist daher gross, dass sich die Deutschschweizer im Tessin nicht an die Regeln halten, feiern wollen und dann das Gesundheitswesen belasten.»
red
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