Auftritt in ZürichRichterin des Obersten US-Gerichtshofs: «Ich werde immer weiterkämpfen»
Sonia Sotomayor hat das Immunitätsurteil ihrer Kollegen am Supreme Court gegen Donald Trump scharf kritisiert. An einer Veranstaltung in Zürich gab sie sich unerschrocken.
Die Wut von Sonia Sotomayor ist regelrecht zu spüren, wenn man ihre abweichende Meinung zum Urteil «Trump vs. United States» liest (hier ist der Urteilstext im Original). Gegen ihren Willen entschied der Supreme Court, dass Donald Trump für Amtshandlungen weitreichende strafrechtliche Immunität geniesst.
Dank des Urteils sei Trump «ein König, der über dem Gesetz steht», schrieb die Richterin. Sotomayor ersetzte die übliche Schlussformel «Ich widerspreche respektvoll» mit «Ich widerspreche aus Angst um unsere Demokratie».
Von Sotomayors Wut war am Donnerstagabend in Zürich wenig zu sehen. Auf Einladung des Europa-Instituts der Universität Zürich nahm sie an einer Diskussionsveranstaltung teil. Ihre juristischen Ausführungen unterbrach sie immer wieder mit Witzen. Relativ rasch verliess sie die Bühne und lief – streng beäugt von einem Sicherheitsverantwortlichen – durchs Publikum.
Konkrete Fragen zum Immunitätsurteil beantwortete sie ausweichend. «Ich habe nicht die Angewohnheit, meine Entscheidungen zu begründen», sagte sie. Es sei aber nicht ratsam, sich einfach zurückzulehnen und Entscheide als vollendete Tatsachen zu akzeptieren.
Konservative Mehrheit am Gericht
Als Sotomayor 2009 von Barack Obama fürs höchste US-Gericht nominiert wurde, konnte sie sich regelmässig durchsetzen. Das hat sich geändert, seit Trump in seiner Präsidentschaft drei konservative Richterinnen und Richter – Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett – ernannt hat.
Die Konservativen am Supreme Court haben eine 6:3-Mehrheit. Sotomayor bleibt oft nichts anderes übrig, als ihre oft liberale Gegenposition kundzutun, «leider zu viele» solcher Minderheitsmeinungen müsse sie schreiben.
Für Aufsehen sorgte zuletzt nicht nur die Ausweitung der Immunität Trumps, sondern auch ein weitreichender Entscheid des Gerichts im Juni 2022. Damals hob das Gremium das Grundsatzurteil «Roe vs. Wade» auf und kippte damit das nationale Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den USA.
Sie verkörpert den amerikanischen Traum
Sotomayors Ausführungen wurden mehrfach von Applaus aus dem Publikum unterbrochen. Viele zeigten sich beeindruckt von ihrer Biografie, die dem American Dream vom sozialen Aufstieg entspricht. Sotomayor erzählte, wie sie in einer Sozialwohnung im New Yorker Stadtteil Bronx als Tochter puerto-ricanischer Eltern aufwuchs.
Im Alter von acht Jahren bekam sie Diabetes, damals eine grosse Belastung. Die Mutter war Krankenschwester. Als sie neun Jahre alt war, starb ihr Vater. Sotomayor lernte erst nach seinem Tod fliessend Englisch. Als Kind las sie die Bücher von Nancy Drew und verfolgte vor dem TV die Sendung «Perry Mason», in der der gleichnamige Anwalt Unschuldige verteidigt. Sotomayor studierte in Princeton und Yale und begann ihre Karriere als Anwältin und Richterin.
Sotomayor will weiterkämpfen
Wie CNN berichtete, sagte Sotomayor Anfang Jahr, dass sie angesichts der konservativen Mehrheit des Obersten Gerichts frustriert sei. «Es gibt Tage, an denen ich ins Büro komme, die Tür schliesse und weine», zitierte CNN eine Aussage der Richterin an der University of Berkeley in Kalifornien.
In Zürich klang das schon viel optimistischer. Als den «stursten Menschen, den Sie jemals treffen werden», bezeichnete sie sich. Man könne sie hundertmal niederschlagen, und auch wenn jeder Schlag schmerze: «Ich werde immer weiterkämpfen.»
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