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Neue Details zur Fifa-Affäre
Sonderermittler wollte Gianni Infantino mit Geheimeinvernahmen überführen

Gianni Infantino zeigt dem früheren italienischen Nationalspieler Alessandro Del Piero während eines Plauschspiels im Dezember 2022 in Katar die Gelbe Karte. 
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Mittlerweile haben drei Sonderermittler des Bundes untersucht, ob ein Flug im Privatjet durch Gianni Infantino aus der Karibik in die Schweiz (Kostenpunkt: US-Dollar 129’300) illegal war. Nun wissen wir: Er war es nicht. 

Das Duo Ulrich Weder und Hans Maurer gab vergangene Woche bekannt, dass es das Strafverfahren gegen den Fifa-Präsidenten wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung eingestellt hat. Die beiden Ausserordentlichen Bundesanwälte kamen zum Schluss, dass der Nachtflug aus Surinam nach Genf «unwiderlegbar» im Einklang mit dem Fifa-Spesenreglement für hochrangige Amtsträger stand.

Nun haben Weder/Maurer ihre rechtskräftige Einstellungsverfügung interessierten Medien zugänglich gemacht. Aus dem Dokument geht im Detail hervor, weshalb überhaupt ermittelt wurde – und dass dabei, zumindest zu Beginn, auch mutmasslich unzulässige Methoden angewandt wurden. 

Zuerst eine Art Notlüge

Angefangen hatte alles mit einer Art Notlüge des engsten Kreises um den Fifa-Präsidenten, nachdem im April 2017 die gebuchten Linienflüge aus der Karibik ausgefallen waren. Der Chef des Fifa-Präsidialbüros rechtfertigte die daraufhin erfolgte Buchung eines Privatflugs gegenüber einem internen Kontrolleur unter anderem mit einem geplanten Treffen Infantinos mit dem Uefa-Präsidenten Aleksander Čeferin am Genfersee. Es stellte sich aber bald heraus, dass Čeferin zu dem Zeitpunkt gar nicht in der Schweiz geweilt hatte. 

Als die «Süddeutsche Zeitung» dies publik machte, meldete sich eine Fifa-Mitarbeiterin beim Vorgänger von Weder/Maurer: bei Stefan Keller. Keller, hauptberuflich Obwaldner Oberrichter, war als Ausserordentlicher Bundesanwalt eingesetzt worden, um die Geheimtreffen zwischen Infantino und dem früheren Bundesanwalt Michael Lauber zu untersuchen. Er lud die Frau, die Infantino als Office-Managerin in die Karibik begleitet hatte, vor und befragte sie eingehend – allerdings «weniger zum Surinam-Flug, sondern vor allem über die Person und Persönlichkeit von Herrn Infantino», wie sie als Zeugin später aussagen sollte. 

Der überforderte Sonderermittler

Da war Keller aber schon nicht mehr Sonderermittler, denn er war mit Fussball-Ermittlungen schnell überfordert gewesen, hatte viele Fehler gemacht und musste die Fälle auf Geheiss des Bundesstrafgerichts abgeben, was er als gar nicht gerecht empfand. Die Immunitätskommission des Ständerats verzichtete darauf, Kellers Immunität aufzuheben, womit dem Richter eine mögliche Strafverfolgung erspart blieb.

Bei sich im Obergericht in Sarnen bewahrte Stefan Keller gemäss eigenen Angaben an einem sicheren Ort Geheimakten zu den Fifa-Fällen auf. 


An seiner Stelle wählte die Vereinigte Bundesversammlung die pensionierten Zürcher Staatsanwälte Weder und Maurer. Das Duo lud die Zeugin, welche die Fifa inzwischen verlassen hatte, vor einigen Monaten erneut vor. Allerdings wussten die neuen Sonderermittler nicht, dass die Office-Managerin bereits durch ihren Vorgänger befragt worden war. Dies stellte sich aber bei der Kontaktaufnahme rasch heraus.

Keller hatte den Nachfolgern diese Einvernahme – und, wie sich noch zeigen sollte, auch weitere Verfahrensunterlagen – verheimlicht. Damit konfrontiert, machte er geltend, er habe der Frau «Zeugenschutz» zugesagt und deren Einvernahmeprotokoll «nicht aktenkundig gemacht, da es ja nicht verwertbar sei». «Allfällige unterzeichnete Exemplare» seien «mutmasslich physisch vernichtet» worden. Infantinos ehemalige Office-Managerin hingegen sagte aus, von «einer eigentlichen Anonymitätszusage sei eigentlich keine Rede gewesen».

Protokolle tauchen doch wieder auf

Die unterschriebenen Protokolle tauchten später in verschiedenen Fassungen doch noch auf – gemäss Keller «an einem verschlossenen Ort im Gerichtsgebäude des Kantons Obwalden». Sie sind aber gemäss der Einstellungsverfügung «in mehrfacher Hinsicht ungültig und unverwertbar, wenn nicht gar nichtig». Fraglich ist für Weder/Maurer, ob Keller die Office-Managerin (und weitere Personen) überhaupt zum Surinam-Flug hätte befragen dürfen, da er ein entsprechendes Verfahren noch gar nicht eröffnet hatte. Sicher nicht hätte er Anonymität zusichern dürfen, da es dafür «offensichtlich an einer gesetzlichen Grundlage» mangelt. Zudem wurden gemäss dem Duo Protokollierungsvorschriften verletzt.

«Die von Ihnen genannten Vorwürfe sind falsch und kalter Kaffee, da längst geklärt.»

Stefan Keller, ehemaliger Sonderermittler, auf Anfrage

Stefan Keller schreibt auf Anfrage, die Vorwürfe seien «falsch und kalter Kaffee, da längst geklärt». Die damalige Befragung habe er durchgeführt «zwecks Verifizierung, ob überhaupt ein hinreichender Tatverdacht, der eine Verfahrenseröffnung rechtfertigt, vorliegt». Es sei die Idee gewesen, die Frau zu einem späteren Zeitpunkt nochmals «für die Akten verwertbar» zu befragen. 

Seine Nachfolger Weder und Maurer ermitteln weiter gegen Infantino und eine Reihe ehemaliger und aktiver Vertreter von Fifa- und Bundesanwaltschaft wegen Geheimtreffen. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Das Strafverfahren wegen des Surinam-Flugs ist nun rechtskräftig eingestellt – insbesondere weil die Fifa preisgab, weswegen Infantino unbedingt schnellstmöglich aus der Karibik nach Genf zurückfliegen wollte: Er traf sich dort zu einem vertraulichen Gespräch mit Vassilios Skouris. Der ehemalige Präsident des Europäischen Gerichtshofs wurde kurz darauf überraschend neuer Präsident einer Kammer der Fifa-Ethikkommission. Die Office-Managerin war in diesen Plan nicht eingeweiht gewesen.