Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Amtsgeheimnis verletzt?
Sonderermittler untersucht Datenleck bei Erpressung Bersets

Bundesrat Alain Berset im Gespräch mit Journalisten (Aufnahme von 2017). 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ging den Medienberichten zur versuchten Erpressung von Bundesrat Alain Berset eine Amtsgeheimnisverletzung voraus? Gab es ein Leck bei der Bundesanwaltschaft?

Solcherlei Fragen soll nun Christoph Rüedi beantworten. Der Leiter der Staatsanwaltschaft im aargauischen Brugg wurde noch vergangenes Jahr von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) als Sonderermittler eingesetzt. Die Personalie blieb medial unbemerkt.

Im September 2021 hatte die «Weltwoche» zum Teil intime Details zum Fall publiziert, bei dem eine Frau letztlich erfolglos Berset zu erpressen versucht hatte. Der Autor, der frühere SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, warf dem sozialdemokratischen Bundesrat vor, er habe im Strafverfahren Unwahrheiten kommuniziert und enge Mitarbeiter missbräuchlich eingesetzt, um eine persönliche Angelegenheit zu regeln. Bersets Umfeld hat solcherlei Anschuldigungen bestritten. (Lesen Sie hier unseren damaligen Bericht.)

Alt-Nationalrat und Journalist Christoph Mörgeli, hier an einer SVP-Versammlung, erhob schwere Vorwürfe gegen Bundesrat Berset. 

Die Bundesanwaltschaft selber, welche die Erpresserin verurteilt hatte, reichte kurz nach Erscheinen des «Weltwoche»-Artikels Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung ein. Die AB-BA machte sich auf die Suche nach einem unabhängigen Ermittler, da gemäss ihr «als mögliche Täterinnen und Täter, nebst anderen Personen, auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft infrage kommen».

Ein Mann für heikle Sonderfälle

So ist Christoph Rüedi zum Zug gekommen. Der Aargauer Jurist hat Erfahrung mit Sonderermittlungen. Als ausserordentlicher Staatsanwalt hat er bereits ein Strafverfahren gegen eine Staatsanwältin des Bundes eröffnet wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch und Begünstigung im Fall Homm, einem internationalen Betrugskomplex. Die Anschuldigungen liessen sich nicht erhärten; Rüedi stellte das Verfahren ein.

Ebenfalls als Sonderstaatsanwalt klagte er 2017 den Luzerner Polizeikommandanten sowie den damaligen kantonalen Kripo-Chef nach einem missglückten Einsatz mit einem Suizid in Malters wegen fahrlässiger Tötung an. Als die beiden Beschuldigten freigesprochen wurden, zog Rüedi das Urteil nicht weiter.

Der ausserordentliche Staatsanwalt Christoph Rüedi nimmt 2017 nach den Freisprüchen in einem Luzerner Prozess wegen eines Polizeieinsatzes vor Journalisten Stellung.

Zurzeit scheint Rüedi in Sachen Erpressungsaffäre und «Weltwoche» noch nicht besonders weit gekommen zu sein. «Ziel ist die Ermittlung, ob sich ein konkreter Tatverdacht gegen eine bestimmte Person ausmachen lässt», schreibt der ausserordentliche Staatsanwalt dazu auf Anfrage. Einem solchen Tatverdacht wäre «in einem allfälligen zweiten Schritt nachzugehen».

Lecks bei Covid und EU-Deal

Aus Staatssicht stehen hinter medialen Enthüllungen oft Amtsgeheimnisverletzungen. Im Bundeshaus zeigte man sich über Indiskretionen zuletzt gar nicht erfreut. «Es ist nicht nur kriminell, was hier passiert ist, sondern auch charakterlos», sagte Bundeskanzler Walter Thurnherr im Juni 2021, als der Ständerat verstärkt dagegen vorgehen wollte. Bei der Strafverfolgung haben Bundesbehörden in den vergangenen Monaten auffällig viele entsprechende Anzeigen eingereicht. Meist kommt dann die Bundesanwaltschaft zum Zug.

Zurzeit soll sie beispielsweise untersuchen, wie Informationen zu Corona-Massnahmen oder zum gescheiterten Rahmenabkommen aus dem Bundesrat zu SRF oder dieser und anderen Zeitungen gelangt sind. Als immer wieder Interna zur Suche nach einem neuen Bundesanwalt aus der zuständigen Gerichtskommission in die Medien gelangten, reagierte deren Präsident, FDP-Ständerat Andrea Caroni: «Und ich wünsche mir einfach, dass die Bundesanwaltschaft diese Person in Handschellen aus unserer Kommission holt!»

So weit ist es in jüngerer Vergangenheit nie gekommen. Für Strafverfahren gibt es oft keine guten Ansatzpunkte, weil der Kreis der offiziellen Mitwisser bei Amtsgeheimnissen meist sehr gross ist. Verfahren enden dann, wenn sie überhaupt aufgenommen werden, schnell in der Sackgasse.

Journalistinnen und Journalisten schützen ihre Quelle – und sie können sich dabei vor der Justiz auf ein erweitertes Zeugnisverweigerungsrecht und auf das Redaktionsgeheimnis berufen. Dies garantiert, dass Missstände aufgedeckt werden können, ohne dass Informantinnen und Informanten Nachteile befürchten müssen. Die meisten Staatsanwaltschaften sind sich dessen bewusst und verzichten auch aus Zeit- und Kostengründen auf die wenig zielführende Vorladung Medienschaffender.

Insofern würde es nicht überraschen, wenn Christoph Mörgeli die Reise nach Brugg zu Sonderermittler Rüedi erspart bliebe.