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Meinung

Pro und Kontra zum Nationalsport
Sollen Kinder noch Ski fahren lernen?

Ein Junge lernt Skifahren auf dem Pas de Maimbre oberhalb Anzere VS, auf 2362 Meter ueber Meer, am Sonntag, 21. Februar 2016. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
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Ja

Mein Sohn fährt Ski, er kann sogar mit einem Helikoptersprung über eine Schanze fliegen. Das hat er neulich im Freestyle-Kurs gelernt. Ein paar Hundert Franken hat mich das gekostet. Damit er in Laax in die Freestyle-Area gelangte, musste er über die sommerlich anmutenden Baumwipfel schweben. Am Ende des Tages sauste er auf dem weissen Kunstschneeband zurück ins Tal, wo ich auf ihn wartete, weil ich nach dem eigenen Abstecher in den Kunstschnee dankend auf einen zweiten Skiplausch verzichtete.

Der Sohn ist 15, ich habe keine anderen Kinder. Täte ich, wenn ich nochmals Vater würde oder mehr als zwei Kinder hätte, eine Skiausbildung nochmals anpacken? Kosten und Materialschlacht sind grausam. Wenn ich eine Grossfamilie in voller Montur in der Gondel sehe, überkommt mich eine Mischung aus Mitleid und Schadenfreude. Aber grausam ist auch der soziale Mechanismus: Wer nicht Ski fahren kann, ist halt bei geselligen Ausflügen mit dem Sportverein oder in den Skilagern nicht dabei.

Eigeninteresse ist ein weiterer Grund. Sind die Kinder glücklich, sind es die Erwachsenen auch.

Beim Entscheid, dem Kind das Skifahren beizubringen, schwingen natürlich auch Nostalgie und die Erinnerungen an die eigene Kindheit mit – was wir Eltern den Nachwuchs ja auch gerne wissen lassen, mit Anekdoten aus der Vergangenheit der Skination Schweiz, verklärend wie der Video-Clip zu «Last Christmas». Früher hatten wir keine Carvingbretter! Manche fuhren imfall in den Jeans Ski! Im Skilager machten wir Kissentanz und sprangen aus dem zweiten Stock in den meterhohen Schnee! Der Nachwuchs bleibt freilich stets komplett unbeeindruckt.

Eigeninteresse ist ein weiterer Grund. Die Skiferien und ihre Planung waren und sind stets jene Ferientage, welche ohne «Mir ist langweilig» oder «Können wir nicht woandershin» stattfinden. Es geht da halt was, es ist letztlich ein Sport, noch dazu an der frischen Luft, Kinder mögen Bewegung. Und sind die Kinder glücklich, sind es die Erwachsenen auch.

Noch gibt es ja die herrlich verschneiten Landschaften.

Nun habe ich aber genug lange um den Elefanten im Raum herumgeschrieben: Was ist mit dem Klimawandel? Schneekanonen, beheizte Sessellifte, der Anreiseverkehr und die Hotelanlagen sind ein CO₂-Albtraum. Hier hoffe ich auf die Nachhaltigkeitskonzepte, die zum Ziel haben, in den nächsten Jahren komplett CO₂-neutrale Skigebiete zu etablieren, indem zum Beispiel keine fossilen Energien mehr verwendet werden.

Aber mehr Schnee wird dadurch natürlich nicht fallen. Hochgelegene Skigebiete und das weisse Band sind unsere Zukunft, ich persönlich tue es mir wie erwähnt nicht mehr an; die Kombination aus Sulzschnee, Eis und Buckel ist auch ein grosser Albtraum.

Noch gibt es ja die herrlich verschneiten Landschaften, auch in gefährdeten Gebieten. Solange diese finanziell überleben können, liegen zumal einzelne Skitage für mich moralisch drin.

Es ist ein bisschen wie mit dem Auto. Besser wäre es zwar, wenn wir weniger fahren würden. Trotzdem gehört der Führerschein zu den Grundfertigkeiten, die ich meinem Sohn ermöglichen möchte. Ob er dann, wie ich, später auf ein eigenes Auto – oder eben den Helikoptersprung – verzichtet, soll seine Entscheidung sein. Philippe Zweifel

Nein

Das Wetter ist im Winter auch oft mies: Eine Skischule im Nebel in Amden SG im Jahr 2007.

Skifahren macht zunächst einmal keinen Spass, und zwar jahrelang.

Meine ersten Versuche auf einer Hauseinfahrt in den Skiferien waren furchteinflössend (ich war ein eher ängstliches Kind, da gibts freilich auch andere). Man stellt sich auf diese rutschigen Dinger, und sämtlicher Boden, den man als Fünfjähriger noch gar nicht so lange unter den Füssen hat, verschwindet. Skifahren beginnt mit Stürzen, es tut weh und frustriert.

Später kommt dann der Skilift dazu. Jedes Mal, wenn der Liftwart den Bügel zu meinem Hosenboden begleitete, ein klammes Bangen: Hält das Ding? So oft habe ich den Bügel verloren, weil man als kleiner Stöpsel einfach noch zu leicht ist, um sich davon sicher den Berg hochziehen zu lassen. Dazu kommen die vorgezeichneten Spuren, in denen es plötzlich die Ski überkreuzt, wenn man nicht aufpasst. Aus dem Lift zu stürzen, auf halber Strecke, während Familie und Freunde locker den Hang hochgleiten – es ist ein kleines Kindheitstrauma so vieler Ski-Neulinge.

Ich erinnere mich an Tage voller Weiss-in-Weiss, an denen ich komplett die Orientierung verloren habe.

Dann das miese Wetter, das im Winter keine Seltenheit ist. Wer fix Skiferien bucht, geht fix Skifahren, egal, was das Wetter für Kapriolen macht. Ich erinnere mich an Tage voller Weiss-in-Weiss, an denen ich komplett die Orientierung verloren habe und mich erleichtert, aber mit Schwindel direkt nach der ersten Abfahrt wieder ins Resti verkroch. Und die Skischule? Geschenkt. Da steckt das Wort Schule drin. Früh aufstehen muss man da auch.

Skifahren macht erst einmal Mühe. Irgendwann hatte ich den Dreh dann raus – in grossen Schwüngen, bei strahlendem Sonnenschein über die Pisten zu gleiten, dieses Gefühl ist wunderbar, unbestritten. Der Weg dorthin kann aber zäh bis traumatisch sein. Meinem Kind kann ich das ersparen.

Regelmässiges Skifahren, was die Grundlage sein müsste, um es zu erlernen, ist natürlich auch aus klimatischen Gründen nicht mehr zeitgemäss. Es wird immer aufwendiger werden, schneesichere Gebiete zu erreichen, und immer absurder, in den weniger schneesicheren Gebieten Pisten zu gestalten und zu befahren. Über weisse Kunstschneebänder zu gleiten, während man ringsum auf braungrüne Winterwiesen blickt – dass das nicht zusammengehört, ist augenscheinlich. Wir strapazieren unser Klima, die Quittung dafür müssen wir annehmen.

Die Schweiz als Skination: Es ist ein Bild, das unweigerlich zerfliesst.

Wenn in Zukunft weniger Menschen Ski fahren, müssen die Betreiber der Bergbahnen und Skilifte auch keine neuen Gebiete erschliessen und teure Infrastruktur in den alpinen Landschaften verbauen. Sowieso geht Skifahren nur mit enormem Materialaufwand, auch auf Verbraucherseite, der im Freizeitbereich seinesgleichen sucht. Es braucht spezielle Kleidung, Schutzausrüstung, Schuhe und Ski. Mit dem ÖV lässt sich das ganze Zeug, gerade wenn man als Familie unterwegs ist, kaum stressfrei transportieren. Man braucht also ein Auto, und zwar ein geräumiges. Der Verkehr zu den Skiregionen verursacht übrigens noch mehr Emissionen als die Präparierung der Pisten mit Kunstschnee.

Die Schweiz als Skination: Es ist ein Bild, das unweigerlich zerfliesst. Ein Bild, in das unsere Kinder nicht mehr passen. So teuer, wie der Skispass jetzt schon ist, kann ohnehin nicht von einem Volkssport die Rede sein. Skifahren können sich längst nicht alle leisten.

Wir müssen kreativ werden, um mit unseren Kindern anderweitig schöne Wintererinnerungen zu schaffen. Das Gute daran: Sie werden weniger kosten. Dem Klima weniger schaden. Weniger stressen.

Wenn dann mal Schnee liegen sollte, kann man auch schlitteln gehen. Martin Fischer

Aufgrund der aktuellen Sportferien wurde dieser Artikel aktualisiert. Er erschien erstmals am 01.02.2023.