Verfehlungen bei der Credit SuisseSo wollen SVP und SP aktuelle und ehemalige CS-Banker bestrafen
Politiker von links bis rechts verlangen, dass die Führungsriege der Credit Suisse für den angerichteten Schaden der Krise haftet. Ein Experte warnt davor.
Die halbe Schweiz hat am Sonntagabend im Fernsehen verfolgt, wie das Ende der Credit Suisse, der zweitgrössten Schweizer Bank, verkündet wurde. In der Bevölkerung ist die Enttäuschung, ja die Wut über die Misswirtschaft der CS-Führung gross. Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP, dürfte deshalb vielen aus dem Herzen sprechen, wenn er sagt: «Es muss doch einen Weg geben, dass die CS-Führungsriege für das, was sie angerichtet hat, bestraft wird.»
Ob das in Form von Sanktionen oder eines Berufsverbots möglich sei, müsse von Experten geprüft werden, sagt Wermuth. Für ihn ist auch klar, dass die CS-Chefs ihre Boni zurückzahlen müssen.
«Die verantwortlichen Personen müssen für dieses Desaster geradestehen.»
Wermuth stellt einen Vergleich an: Rentner, die vor einigen Jahren zu viel Vermögen verbraucht haben und später finanzielle Unterstützung benötigen, erhalten weniger Ergänzungsleistungen. Diese Sanktionierung des Vermögensverbrauchs sei mit der Reform der Ergänzungsleistungen eingeführt worden, sagt Wermuth. Leute würden für ein Verhalten bestraft, das früher gar nicht gesetzlich geregelt gewesen sei. «Unser Gesetz kennt also Rückwirkungen – wieso soll das bei den CS-Chefs nicht auch möglich sein?», fragt er.
Auch innerhalb der SVP ist die Frage der Haftbarkeit ein grosses Thema. «Die verantwortlichen Personen müssen für dieses Desaster geradestehen. Es darf und kann nicht sein, dass bei einem solchen Management keine Konsequenzen entstehen», sagt Nationalrat Mike Egger am frühen Mittwochmorgen. Wenig später beschliesst die SVP-Fraktion an einer ausserordentlichen Sitzung einstimmig eine entsprechende Forderung.
Die SVP verlangt vom Bundesrat Massnahmen, um den amtierenden Verwaltungsrat sowie frühere Verwaltungsräte der Credit Suisse für vergangene Verfehlungen zur Rechenschaft zu ziehen. Im Zentrum stehen insbesondere die beiden langjährigen Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner und Walter Kielholz. Die Regierung soll zudem überhöhte Bonuszahlungen zurückfordern oder stoppen, falls sie noch nicht ausbezahlt sind. SVP-Nationalrat Lukas Reimann behält sich vor, diese Forderung auch in die Rechtskommission zu tragen, die am Donnerstag und am Freitag tagt.
Die Frage der Haftbarkeit stellte sich in der Politik schon 2008, als der Bund die UBS mit 68 Milliarden Franken retten musste. Der damalige FDP-Nationalrat und spätere Bundesrat Johann Schneider-Ammann reagierte mit einer parlamentarischen Initiative. Er forderte, dass Führungsorgane, die die Ursachen einer staatlichen Hilfsaktion für ein systemrelevantes Unternehmen mitverantworten, «persönlich und solidarisch für den Schaden haften».
«Wenn allein schlechtes Wirtschaften strafbar wäre, wären viele Manager im Gefängnis.»
Ein Strafverfahren ist momentan nicht möglich. Denn anders als dem früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz kann den ehemaligen CS-Managern kein Betrug oder ungetreues Geschäftsgebaren vorgeworfen werden. «Wenn allein schlechtes Wirtschaften strafbar wäre, wären viele Manager im Gefängnis», sagt Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz. Selbst wenn ein neues Gesetz durchs Parlament käme, könnte es nicht rückwirkend angewendet werden.
Zivilrechtlich können ehemalige CS-Manager hingegen schon jetzt belangt werden. Dabei gehe es nicht bloss um die Boni-Rückforderung, sondern um persönliche Haftungsklagen mit Schadenersatzforderungen, sagt Kunz. Dafür braucht es allerdings einen Kläger. Dies könnten Aktionäre oder auch die Credit Suisse selbst sein, die gegen ihre früheren Manager vorgehen. Anders als im Strafrecht verjähren Verantwortlichkeiten im Zivilrecht nach fünf Jahren – viele Skandale der CS liegen jedoch nicht lange zurück.
Klagemöglichkeit bei Greensill und Archegos-Skandalen
«Man kann die Manager zwar nicht für den Kurssturz an der Börse verantwortlich machen», so Kunz. Die Credit Suisse sei in dieser Hinsicht eher ein Opfer gewesen. Die Milliardenverluste durch die Pleite des Hedgefonds Archegos und die Schliessung der Greensill-Lieferkettenfonds liessen sich jedoch den damaligen Managern ankreiden.
Der Greensill-Skandal fällt hauptsächlich in die Ära des ehemaligen CS-Chefs Thomas Gottstein und des Präsidenten Urs Rohner. In der Untersuchung der Finanzmarktaufsicht (Finma) heisst es, die CS habe es über Jahre hinweg versäumt, Risiken angemessen zu erfassen. Dabei sei es zu einer «schweren Verletzung von Schweizer Aufsichtsrecht» gekommen.
«Die Kläger müssten jedoch in einem Zivilverfahren die Sorgfaltswidrigkeit durch eine bestimmte Person und den konkreten Schaden nachweisen können», sagt Kunz. Solch ein Prozess würde Jahre dauern und wäre allein schon wegen der Anwaltskosten sehr teuer. Das zeigt auch das Strafverfahren gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz.
«Ein Gesetz zur persönlichen Haftbarkeit würde Bankmanager noch schneller vertreiben als ein Boni-Verbot.»
Selbst wenn die ehemaligen CS-Manager verurteilt würden: Sie könnten für die Milliardenverluste der Bank kaum aufkommen, da ihre Privatvermögen dafür schlicht nicht ausreichen.
Kunz sagt: «Es tönt zwar gut, jetzt nach einer strafrechtlichen Haftbarkeit von Managern zu rufen – das dämpft den Volkszorn.» Sinnvoll sei es jedoch nicht. «Denn es ist absolut illusorisch, zu glauben, dass sich mit einem solchen Gesetz dann noch Manager für eine Grossbank finden lassen.»
Persönlich haftende Banker kann es Kunz zufolge nur geben, wenn, wie bei einer kleinen Privatbank, die Risiken von Kunden und Angestellten tatsächlich vom Management überwacht werden könnten. Bei einer Grossbank sei dies jedoch unmöglich. «Ein Gesetz zur persönlichen Haftbarkeit würde Bankmanager noch schneller vertreiben als ein Boni-Verbot», sagt Kunz.
In einer ersten Version stand fälschlicherweise, dass die Eidgenossenschaft die UBS 2008 mit 6 Milliarden Franken retten musste. Die Bank erhielt damals aber 68 Milliarden Franken. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler.
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