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Neue Fluglinie Bern-Lübeck
So schnell war man noch nie in der Marzipanstadt

Flughafen Bern Belp: Die Passagiere des Jungfernflugs nach Lübeck auf dem Weg zum Flugzeug.
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Das gabs noch nie: eine direkte Flugverbindung Bern–Lübeck. Bern und die norddeutsche Hansestadt sind beide als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt, doch das ist nicht der Grund für die ungewöhnliche Flugstrecke BRN-LBC.

Beide Städte verfügen über einen kleinen Flughafen, der sich im hart umkämpften Business zu behaupten hat. Auf dem Belpmoos musste der Home Carrier Skywork 2018 gegroundet werden und ging in Konkurs. Corona tat ein Übriges, um Bern-Belp zu «beruhigen».

Doch jetzt, da Reisen über die Grenzen wieder möglich sind, kam das Ansinnen aus Lübeck gerade richtig, die schweizerische Bundesstadt anzufliegen.

Der «Borer» von Lübeck

Der Flughafen Lübeck ist seit 2016 privatisiert. Der deutsche Unternehmer Winfried Stöcker hat mit dem Verkauf seines Unternehmens viel Geld gemacht und erwarb den Flughafen, denn Fliegerei ist sexy. Dazu kaufte er auch ein Flugzeug. Fast fühlt man sich an den Rolex-Erben Daniel Borer erinnert, der in Bern den Boom von Skywork ermöglichte. Wobei man in Lübeck kleinere Brötchen bäckt: Vorerst bleibt es bei dem einen Flugzeug.

Als die Propellermaschine ATR-72 am 1. Juli in Belp landet, wird sie von der Flughafenfeuerwehr mit einer Wasserdusche begrüsst. Auch der neue Flughafendirektor Urs Ryf lässt sich das Ereignis nicht entgehen.

Von der Flughafenfeuerwehr in Bern mit einer Wasserdusche begrüsst: Die Propellermaschine ATR-72 der Lübeck Air nach ihrer Landung am 1. Juli.
Lübeck Air erfreut die Direktoren José Gonzalez (Flybair) und Urs Ryf (Flughafen Bern).

Viel zu lange zwangen die Verhältnisse das «Mösli» in einen Winterschlaf. Nur private Flieger waren unterwegs, Schulungsflugzeuge, Rega-Helikopter oder Jets von Geschäftsleuten.

Nun streben nach sechs Monaten wieder Fluggäste einem fahrplanmässig verkehrenden Passagierflugzeug zu. Die Lübecker setzen nicht auf Low Cost, denn eine jahrelange Liaison mit dem Billigflieger Ryanair und bis 2016 mit Wizz Air haben sie hinter sich gelassen.

Lübeck Air «mostet» darum nicht möglichst viele Leute ins Flugzeug, sondern lässt drei Sitzreihen weg, wodurch sich die 60 Plätze angenehm verteilen. Schon mancher hätte bei einer Transatlantiküberquerung die Beine gerne so ausgestreckt.

Kein Dichtestress: Die Passagierkabine mit den insgesamt 60 Sitzplätzen.

Nach gut zwei Stunden setzt die Maschine auf der Piste in Norddeutschland auf. Zu Zeiten des Kalten Krieges mussten Piloten den Flughafen mit grosser Sorgfalt anfliegen, denn nur wenige Kilometer entfernt verlief die DDR-Grenze. In letzter Zeit wurde er erneuert.

Ähnlich wie in Belp gibt es ein Café und eine Boutique, in der es auch Plüschbärchen mit Flybair-Weste zu kaufen gibt. Schliesslich fungiert diese virtuelle Berner Fluggesellschaft als Vermarkter für die Rotation BRN-LBC.

Im Netzwerk der Hanse

Lübeck ist so etwas wie der kleine Bruder von Hamburg. Seit dem Mittelalter war die Stadt Teil des Handelsnetzwerks der Hanse, die eine Vielzahl von Städten im Nord- und Ostseeraum verband: Brügge in Belgien, englische Städte, Hamburg oder das finnische Turku und das russische Nowgorod. Dank örtlichen Vertretungen war eine lückenlose Qualitätskontrolle möglich. Auch die Geldflüsse funktionierten, denn überall in den Kontoren sassen eigene Vertrauensleute.

So erlangten die Bürger von Lübeck Wohlstand und Selbstbewusstsein. Das lässt sich im Stadtbild mit den sieben Türmen ablesen. Der Bischof hatte zwar seinen Dom mit statusgerechten zwei Türmen, aber am Rand der Altstadt. Die Bürger und Ratsherren erbauten ihre Kathedrale aus rotem Backstein im Zentrum – ebenfalls mit zwei Türmen. Das Kirchenschiff diente zugleich als Archiv und «Safe» für wichtige Dokumente und besonders wertvolle Güter.

Der Name Lübeck ist von Liubice abgeleitet, einer slawischen Vorgängersiedlung des Mittelalters. Von Lübeck aus ist der Stadtteil Travemünde in wenigen Minuten zu erreichen, wo es Strände, Fischrestaurants und Boutiquen gibt und von wo Fähren nach Skandinavien übersetzen.

In Ausflugsnähe befindet sich der Timmendorfer Strand mit gemütlichen Strandkörben. Nach Hamburg sind es lediglich 70 Kilometer.

Süsser Museumsbesuch

Lübeck ist berühmt für seine Marzipan-Spezialitäten.

Die meisten dürften mit einem Wahrzeichen Lübecks vertraut sein, auch wenn sie es nur als Logo kennen: Die beiden pummeligen Rundtürme des Holsten-Tors prangen auf vielen Marzipan-Packungen. In Lübeck gibt es diese Süssigkeit auf Mandelbasis sogar lebensgross: Persönlichkeiten der Lübecker Geschichte bis hin zum Schriftsteller Thomas Mann oder zum Modeschöpfer Wolfgang Joop sind im Marzipan-Museum als süsse Figuren zu bewundern.

Wahrzeichen der Stadt: Das Holsten-Tor.

Apropos Thomas Mann. Der Schriftsteller erhielt 1929 den Literaturnobelpreis für den Roman «Buddenbrooks», in dem der Auf- und Abstieg einer typischen Kaufmannsfamilie erzählt wird. Damalige Leser in Lübeck wussten genau, welche Persönlichkeiten als Vorlage gedient hatten.

Die Stadt rühmt sich, drei Nobelpreisträger hervorgebracht zu haben. Der 2015 verstorbene Günter Grass, ebenfalls Literaturnobelpreisträger, verbrachte hier seine letzten Jahre. Grass war zeitweise Redenschreiber des ersten SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt. Diesem Politiker, der wegen seiner Entspannungspolitik 1971 den Friedensnobelpreis erhielt, ist in Lübeck ein Museum gewidmet.

Die Altstadt von Lübeck lässt sich im Boot vollständig umrunden.

Etwas kann man übrigens in Lübeck unternehmen, was in Bern nicht möglich ist: Als Süsswassermatrose lässt sich die Altstadt, welche die Form eines Zifferblatts aufweist, vollständig auf dem Fluss umrunden – und dies erst noch in einem elektrisch betriebenen Motorboot.