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Vier Szenarien für die Ukraine
So könnte der Krieg weitergehen

Hilfe vom Militär: Ukrainische Soldaten helfen einer Frau und einem Kleinkind bei einer Überquerung, nachdem eine Brücke bei Irpin zerstört wurde. 
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Trotz weltweiter Kritik und harten Sanktionen setzt Moskau seinen Angriff auf die Ukraine fort. Aus Sicht westlicher Regierungen und Experten ergeben sich vier mögliche Szenarien für die kommenden Wochen und Monate:

Szenario 1: Militärisches Patt

Bisher haben die ukrainischen Streitkräfte der russischen Invasion widerstanden: Der Versuch, die Hauptstadt Kiew mit Fallschirmjägern einzunehmen, wurde in den ersten Kriegstagen abgewehrt. Auch andere wichtige Städte wie Charkiw und Mariupol sind nach wie vor unter ukrainischer Kontrolle.

Viele Ukrainer haben sich den Verteidigungseinheiten angeschlossen. Mit Hilfe westlicher Waffen und Geheimdienste könnten die ukrainischen Truppen in der Lage sein, in Kiew auszuharren und ein militärisches Patt zu erzwingen.

Die Schwächung der russischen Wirtschaft durch die Strafmassnahmen könnten Präsident Wladimir Putin dazu zwingen, sein Kalkül zu ändern.

«Der Westen könnte mit seinen Sanktionen Putin dazu bringen, sein zentrales Kriegsziel aufzugeben, die ukrainische Regierung zu enthaupten und eine prorussische Marionette zu installieren», schreibt Samuel Charap vom US-Thinktank Rand Corporation.

Szenario 2: Innenpolitischer Wandel in Russland

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Volksaufstand oder Staatsstreich Putin zu Fall bringt, scheint derzeit gering; Beobachter schliessen diese Möglichkeit jedoch nicht aus. Der Kreml geht hart gegen unabhängige und ausländische Medien vor und versucht, die Meinungshoheit der ultraloyalen Staatsmedien zu festigen.

Dennoch fanden vielerorts kleinere Antikriegsdemonstrationen statt, bei denen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 6000 Menschen verhaftet wurden. Auch in der herrschenden Elite bröckelt der Rückhalt für Putin: Einige Oligarchen, Abgeordnete und sogar der private Ölkonzern Lukoil fordern ein Ende der Kämpfe.

Gefährlicher Protest: Ein Demonstrations-Teilnehmer wird am Sonntag in Moskau von Sicherheitskräften abgeführt.  

«Putins persönliche Sicherheit ist sehr gut und wird auch weiterhin sehr gut sein – bis sie es nicht mehr ist», sagte Eliot A. Cohen von der Washingtoner Denkfabrik Center for Strategic and International Studies. «Das ist in der sowjetischen und russischen Geschichte schon mehrfach vorgekommen».

Szenario 3: Militärischer Erfolg Russlands

Angesichts der militärischen Überlegenheit erwarten westliche Verteidigungsexperten, dass die russischen Truppen weiter vorrücken. Der französische Präsident Emmanuel Macron kam nach einem Telefonat mit Putin am Donnerstagmorgen zum Schluss, dass «das Schlimmste noch bevorsteht». Putin wolle «die Kontrolle über die gesamte Ukraine übernehmen».

Doch selbst wenn russische Truppen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj absetzen und den ukrainischen Widerstand brechen, stünde Moskau vor der Herausforderung, ein Land mit 40 Millionen Einwohnern zu besetzen.

«In eine Stadt einzudringen ist nicht dasselbe, wie sie zu halten», schreibt der britische Kriegshistoriker Lawrence Freedman vom King’s College in London.

Wie viel Widerstand können sie der russischen Armee leisten ? Ukrainische Soldaten ausserhalb von Kiew. 

Szenario 4: Ausweitung des Konflikts

Die Ukraine grenzt an vier Staaten, dieder Nato angehören. Wird ein Mitglied angegriffen, gilt das als Angrifft auf das gesamte Verteidigungsbündnis. Kaum ein Experte erwartet, dass Putin ein Nato-Mitglied direkt angreift und damit einen Atomkrieg riskiert. Denkbar sind jedoch Provokationen.

Politikwissenschaftler Charap warnt vor den «Risiken eines Unfalls, eines Zwischenfalls oder einer Fehleinschätzung, die zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland führen könnten». Beispielsweise könnte eine verirrte Rakete oder ein Cyberangriff Auslöser für eine Ausweitung des Krieges sein.

Putins Ideal von einem Russland sowjetischer Dimension und sein Versprechen, russische Minderheiten zu schützen, lassen weitere territorialen Ambitionen befürchten. Nach der Ukraine könnte Moskau auch die einst sowjetische Republik Moldau ins Visier nehmen, wird spekuliert.

Eine direkte Konfrontation zwischen Nato und Russland wurde bislang ausgeschlossen, da dies einen Atomkrieg und die gegenseitige Vernichtung zur Folge hätte. Putin drohte dem Westen jedoch mit Atomwaffen, indem er die nuklearen Abschreckungskräfte in Alarmbereitschaft versetzte.

Forderung nach einer Flugverbotszone: Eine Demonstrantin in Barcelona hat ihre Bitte an die Nato auf ein Plakat geschrieben  

Westliche Beobachter sind der Meinung, dass solche Drohungen die Vereinigten Staaten und Europa davon abhalten sollen, Interventionen wie zum Beispiel eine Flugverbotszone über der Ukraine in Betracht zu ziehen. «Diese Ankündigungen richten sich in erster Linie an ein westliches Publikum, um uns Angst zu machen und unsere Gesellschaften zu verunsichern», sagt Gustav Gressel, Experte für Raketenabwehr beim Thinktank European Council on Foreign Relations. «Sie sind substanzlos.»

AFP/nlu