Kritik zu Oscars 2021So glanzlos und abrupt ging wohl noch keine Oscarshow zu Ende
Mehr Menschlichkeit im Zeichen von Corona – das war das Ziel der Oscars. Herausgekommen ist jedoch eine Show, die an ihrem eigenen Konzept zerbrach.
Es gab Momente, da wusste man nicht mehr so recht, in was für einer Veranstaltung man sich eigentlich befand. Einer Wohltätigkeitsgala? Einem Nachtclub der langen Reden? Einem Fundraising-Event mit eingestreutem Musikquiz? Oder doch in der alljährlichen Oscarshow?
Dass die 93. Academy Awards anders werden würden – es hatte sich angekündigt. Nicht nur, aber auch wegen der Pandemie. Er wolle das Ganze wie einen Film aussehen lassen, hatte Showproduzent Steven Soderbergh vorab versprochen. Und es ging denn auch munter los: Die Kamera folgte Regisseurin Regina King durch die Union Station in Los Angeles, also den Bahnhof, und landete in einem mit halbrunden blauen Plüschsofas und einem grossen blauen Bühnenvorhang bestückten Saal.
In einem Nebensatz spielte King nach einem kurzen Stolperer zunächst auf den George-Floyd-Prozess an (ohne ihn konkret zu nennen), erklärte dann aber gleich die Regeln im Saal (Masken nur runternehmen, wenn die Show läuft), und dann gings gleich los mit einem Anlass, der zu gefühlten 95 Prozent aus Reden bestand. Der Grund: Ein Orchester, das überbordende Sieger abmahnen würde, war diesmal nicht präsent, sondern nur DJ Questlove, dem rein soundmalerische Qualitäten zugestanden wurden.
Gleichwohl schälte sich dann das Konzept von Soderbergh recht deutlich heraus: Es sollte offensichtlich mehr Human Touch in diese traditionell eher steife Veranstaltung gebracht werden. Zum Beispiel, indem die Präsentatorinnen und Präsentatoren immer noch eine kleine Story zu den Nominierten erzählten. Und es sollte eine bessere Durchmischung zwischen den ja doch unterschiedlich interessanten Kategorien geben.
Vor allem bei letzterem Punkt ging das Konzept jedoch ganz und gar nicht auf: So wurde etwa die Hauptkategorie Bester Film vorgezogen, damit am Schluss die beste Hauptdarstellerin und der beste Hauptdarsteller gewürdigt werden konnten. Aber dann sagte die ausgezeichnete Frances McDormand («Nomadland») bloss, dass sie keine Worte habe, es sei ja alles im Film.
Und Überraschungssieger Anthony Hopkins («The Father») sagte gar nichts, weil er weder in Los Angeles noch in London noch sonst einer aus aller Welt zugeschalteten Location präsent war. So glanzlos und abrupt ging wohl noch keine Oscarshow zu Ende.
Dabei hätte es durchaus funktionieren können, gerade weil die Stars manchmal etwas überrumpelt schienen oder etwas schummrig ausgeleuchtet wurden oder ihre Maske auszuziehen vergassen. Auch weil überdurchschnittliche viele Frauen und Nicht-Weisse ausgezeichnet wurden, was überfällig war und nun selbstverständlich sein sollte. Und weil manche auf der Bühne nicht recht wussten, wohin mit ihren Gefühlen. Zum Beispiel, wenn die als beste Nebendarstellerin ausgezeichnete Koreanerin Yuh-jung Youn («Minari») rasch mal ihren Kategorienpräsentator Brad Pitt anschmachtete.
Oder wenn Regisseur Thomas Vinterberg («Drunk») Tränen vergoss, weil seine Tochter kurz vor Drehbeginn in einem Autounfall starb. Oder wenn Glenn Close, die beim Musikquiz mit profundem Wissen überzeugte, plötzlich zu twerken begann. Oder wenn Daniel Kaluuya («Judas and the Black Messiah») jubelte: «Mein Vater und meine Mutter – sie hatten Sex. Drum bin ich hier. Es ist grossartig!» Worauf die zugeschaltete Mutter ziemlich perplex guckte.
Ja, es wäre möglich gewesen, diesem Anlass etwas Leben einzuhauchen, ihn tatsächlich wie einen Film ablaufen zu lassen. Aber wenn die einzigen Showelemente darin bestehen, die Musikauftritte ins Vorprogramm zu verlegen, und später fast nichts Zerstreuendes oder Auflockerndes mehr folgt, dann ist das für ein Unterhaltungs-Schlachtschiff wie die Oscars einfach zu wenig.
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