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Kritik an Regierungsbildung
Robert Ficos Kandidaten für sein Kabinett empören die Slowakei

(L-R) The chairman of the "Voice" (Hlas) political party Peter Pellegrini, the Chairman of the social democratic Smer party Robert Fico and the chairman of the ultra-nationalist far-right Slovak National Party (SNS) Andrej Danko give a press conference at the National Council building after signing a "Memorandum of understanding and cooperation" as they agreed on a coalition to form a new government following an early parliamentary election in Bratislava, Slovakia, on October 11, 2023. (Photo by VLADIMIR SIMICEK / AFP)

Die Präsidentin sei schuld, sagt Robert Fico. Eigentlich wollte er sich an diesem Mittwoch zum neuen Ministerpräsidenten der Slowakei ernennen lassen und dann am Donnerstag schon in neuer Funktion nach Brüssel reisen. Und nun steht sein Regierungskabinett noch nicht. Denn Präsidentin Zuzana Caputova möchte den vorgeschlagenen Umweltminister nicht ernennen.

Caputova wolle seine Pläne «durchkreuzen» – so sieht es Fico. Um noch schnell Ankäufe von Waffen und anderem Militärgerät in den USA abzuschliessen. Fico hatte Caputova wiederholt als «US-Agentin» bezeichnet und sich im Wahlkampf prorussisch geäussert. Nato und USA seien schuld am Krieg in der Ukraine, das Nachbarland werde nur noch humanitäre Hilfe erhalten, keine militärische Unterstützung mehr.

Am 30. September hatten die Slowakinnen und Slowaken ein neues Parlament gewählt. Robert Ficos populistische Partei Smer-SD war mit knapp 23 Prozent stärkste Kraft geworden und möchte nun gemeinsam mit der linkspopulistischen Partei Hlas (Stimme) und der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei SNS eine Regierung bilden.

Robert Fico wird zum vierten Mal Ministerpräsident

Mit Peter Pellegrini, dem Vorsitzenden von Hlas, ist sich Robert Fico soweit einig. Die beiden waren früher in derselben Partei gewesen, ehe sich Pellegrini mit Hlas selbstständig machte. Beide, Fico und Pellegrini, waren schon einmal Ministerpräsidenten. Nun wird Pellegrini wohl auf seinen alten Platz als Parlamentsvorsitzender zurückkehren.

Aber da sind eben noch die Rechten. Die SNS ist eine für die Massstäbe der Slowakei sehr alte Partei, sie besteht seit 1990 und beruft sich auf Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert. Sie vegetiert stets an der 5-Prozent-Hürde, war zuletzt nicht im Parlament, schaffte es nun knapp wieder. Da alle anderen Parteien es abgelehnt hatten, mit Fico zusammenzuarbeiten, blieben ihm nur Hlas und SNS.

«Viele Nominierungen sind eine Schande», sagt eine Beobachterin.

Pellegrinis Hlas wurde mit sieben Ministerien belohnt, SNS erhält drei. Fico selbst will zum vierten Mal Premier werden und verteilt sechs Ministerien an seine Smer-SD, darunter das für Aussenpolitik und das für Verteidigung.

«Viele Nominierungen sind einfach eine Schande», sagt Zuzana Homer, Politexpertin der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in Bratislava. Dazu zählt sie nicht nur den von der SNS vorgeschlagenen Umweltminister. Der hatte unter anderem die Erderwärmung als «Megabetrug» bezeichnet. Am Dienstag schlug die Partei einen anderen Kandidaten vor. Dieser bezeichnet etwa das neue Pfandsystem für Plastikflaschen als «Diebstahl» und will in streng geschützten Naturgebieten Wälder roden und Sümpfe trockenlegen.

Slovak President Zuzana Caputova gives a press conference prior to a meeting with the Chairman of Smer-Social Democracy party Robert Fico (not pictured) at the Presidential Palace in Bratislava, Slovakia on October 2, 2023. Slovakia's president on October 2 tapped the leader of the left-wing populist Smer-SD party Robert Fico to form a new government in the NATO and European Union member nation. (Photo by VLADIMIR SIMICEK / AFP)

Es dürfte Caputova also kaum leichter fallen, den neuen Kandidaten «fachlich geeignet» zu finden. Als noch viel schlimmer aber empfinden viele die Ernennung von Robert Kalinak zum Verteidigungsminister. Caputova hatte ihn nicht abgelehnt, was wohl zeigt, wie vorsichtig die Präsidentin darauf bedacht ist, sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ihre Befugnisse zu überschreiten.

Kalinak gehört Ficos Partei an und war unter ihm bereits Innenminister. Er trat gemeinsam mit Fico 2018 zurück, nachdem Zehntausende Menschen wochenlang gegen Fico und seine Regierung demonstriert hatten, weil sie ihnen eine Mitschuld an der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Freundin gaben.

Die Hoffnungen der Kritiker ruhen auf einem Bündnispartner.

Im Ausland erlangte Kalinak eine gewisse Berühmtheit, weil er 2017 dem vietnamesischen Staat geholfen haben soll, einen Geschäftsmann aus Berlin über Bratislava und Moskau nach Vietnam zu entführen. Der Entführte verliess den Schengenraum an Bord einer slowakischen Regierungsmaschine mit einer vietnamesischen Delegation. Der Mann hatte in Deutschland Asyl wegen politischer Verfolgung beantragt und sitzt nun in Vietnam im Gefängnis. In Deutschland wurden die Entführer zu Haftstrafen verurteilt.

Die Ermittlungen gegen Kalinak in der Slowakei wurden eingestellt. Im April 2022 wurde er zudem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung kurzzeitig festgenommen, dieselben Vorwürfe wurden auch gegen Robert Fico erhoben. Auch diese Ermittlungen wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Darüber hinaus war Kalinak in den vergangenen Jahrzehnten in so viele Korruptions- und Betrugsfälle verwickelt, dass es als besonders heikel angesehen wird, ihm ausgerechnet das finanziell gut ausgestattete Verteidigungsministerium zu überlassen.

Proeuropäische Haltung der Slowakei dürfte bleiben

Politexpertin Zuzana Homer setzt Hoffnungen in den Parteienclub von Peter Pellegrini. Dieser ist mit einem sozialdemokratischen Programm angetreten. Die Menschen in der Slowakei, so Homer, brauchten dringend Unterstützung.

Die Inflation ist in dem Euro-Land deutlich spürbar, Lebensmittel und Drogerieartikel sind teurer als im angrenzenden Österreich. Und das bei deutlich geringeren Löhnen. Nur wenige Betriebe hätten Inflationsausgleiche gezahlt, viele Menschen müssten Reallohnverluste von bis zu 30 Prozent hinnehmen.

Pellegrini und seine Leute sind aus Homers Sicht ein Garant, dass sich letztlich an der proeuropäischen Haltung der Regierung wenig ändern wird, allen prorussischen Aussagen Robert Ficos und der SNS-Leute zum Trotz.

Dennoch sind die Befürchtungen gross, besonders was deren Minister betrifft. So soll eine erklärte Faschistin und Verschwörungserzählerin Kulturministerin werden und damit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Nationalmuseen und Staatstheater verantwortlich sein.