Kuriose Fälle im WeltcupDas sind die haarsträubendsten Verstösse im Skisport
Startnummer verwechselt, Ski zu früh abgeschnallt, 0,17 Millimeter zu hoch: Diese Kuriositäten sorgten für ziemlich grosse Aufregung.
Ein Streit wegen drei Minuten
Ted Ligety gehört zu den besten Riesenslalomfahrern, als er 2007 nach Alta Badia reist. Der Status nützt dem US-Amerikaner nichts. Weil er nur rund 12 statt 15 Minuten vor der öffentlichen Startnummern-Auslosung erscheint, wird er mit 999 Franken gebüsst. Es ist die Standardbusse des Weltverbands FIS. Viel gravierender: Erstmals kommt eine neue Regelung zum Einsatz, wonach der Athlet in einem solchen Fall erst mit der Nummer 46 ins Rennen starten darf.
Didier Cuche regt sich fürchterlich auf über diese Paragrafenreiterei und gerät in einen lauten Streit mit FIS-Renndirektor Günter Hujara. Als Ligety im ersten Lauf bis auf den 10. Platz vorfährt, gratuliert ihm Cuche demonstrativ. Letztlich wird Ligety Fünfter und holt Ende Saison die kleine Kristallkugel für den Sieg in der Riesenslalomwertung.
Eine folgenschwere Verwechslung
Phil und Steve Mahre sind keine eineiigen Zwillinge, aber sie gleichen sich so sehr, dass sie kaum auseinanderzuhalten sind. Selbst der US-Slalom-Trainer Tom Kelly weiss manchmal nicht, wer welcher Mahre-Bruder ist. Daher händigt er die Startnummern oft nur einem der beiden aus. So geschieht das auch vor dem Slalom 1984 in Parpan: Steve Mahre aber vertauscht die Überwürfe, und so fahren die Amerikaner mit der falschen Nummer los.
Die Rennleitung bemerkt den Irrtum nach dem ersten Lauf, unter Vorbehalt dürfen die beiden den zweiten Durchgang dennoch bestreiten, Steve Mahre gewinnt sogar. Doch weil der liechtensteinische Skiverband protestiert, werden die Zwillinge aus der Wertung gestrichen.
Die Siegerehrung verläuft kurios: Marc Girardelli, der Platz 1 geerbt hat, steigt demonstrativ auf die zweithöchste Stufe des Podests, der nachrückende Dritte Andreas Wenzel bleibt der Zeremonie fern. Und der jugoslawische Trainer wittert eine Verschwörung und sagt: «Vielleicht haben Phil und Steve alle ihre Erfolge in Co-Produktion erobert.»
Luitz und die Sauerstoffmaske
Vielleicht hat noch nie ein Skifahrer so hart kämpfen müssen für seinen ersten Sieg im Weltcup. Da gelingt Stefan Luitz 2018 in Beaver Creek der Coup, gewinnt er den Riesenslalom vor Dauersieger Marcel Hirscher und Thomas Tumler. Doch der Jubel bleibt dem Deutschen im Hals stecken. Der Grund: Es gibt Aufnahmen, die ihn zeigen, wie er Sauerstoff aus einer Maske inhaliert. Beim Training erlaubt, widerspricht das den Regeln, die die FIS für ihre Wettkämpfe festgelegt hat.
Gleich mehrere Deutsche hätten darum gebeten, beim Start auf 3152 Metern über Meer auf das Hilfsmittel zurückgreifen zu dürfen, heisst es von den Betreuern. Diese sagen auch, sie hätten zuvor bei Experten abgeklärt, ob dies rechtens sei. Es habe keine Einwände gegeben. Die FIS sieht das anders und disqualifiziert Luitz nach einem Verfahren einen Monat nach dem Rennen.
Der Deutsche aber lässt das nicht auf sich sitzen und interveniert beim Internationalen Sportgerichtshof CAS. Mitte März 2019, Luitz hat die Saison wegen einer Knieverletzung und einer Operation an der Schulter längst beendet, kommt das Urteil: Er darf seinen Sieg behalten. Die Richtlinien der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada stünden über den Regeln der FIS, lautet die Begründung. Und gemäss Wada ist das Inhalieren von zusätzlichem Sauerstoff nicht verboten. Für Luitz hat sich der Kampf gelohnt: Bis heute ist es sein einziger Weltcupsieg.
Die verbotene Sicherheitsnadel
Kurzfristig wird der Frauen-Super-G 1988 nach Lech am Arlberg verlegt. Die Organisatoren müssen improvisieren – nicht zuletzt bei den Startnummern. Diese wären eigentlich für ein Hobbyrennen vorgesehen gewesen und sind zu gross, weshalb bei den Österreicherinnen improvisiert wird.
Vier Einheimische befestigen die Nummern mit Sicherheitsnadeln am Anzug. Irregulär. Protest: stattgegeben. Das Quartett wird disqualifiziert, dummerweise trifft es mit Sigrid Wolf die Gewinnerin. Die Fans drehen schier durch, zumal mit Zoë Haas eine Schweizerin als Siegerin nachrückt. Und Wolf? Reagiert auf ihre Weise. Sie lässt ein T-Shirt drucken mit der Aufschrift: «Mit Sicherheit die Schnellste».
Die ominöse rote Linie
Es ist eine rote Linie im Zielraum von Val-d’Isère, die im Dezember 1997 einen kleinen Ski-Krieg zwischen der Schweiz und Österreich auslöst. Im Riesenslalom ist Hermann Maier der Schnellste, aber er wird aus der Wertung genommen – wegen einer Bagatelle, eines lächerlichen Vergehens.
Maier hat die Ski zu früh abgeschnallt, vor der zweiten roten Markierung. Diese hat die FIS auf Druck der TV-Anstalten eingeführt. Damit sollte der Marotte der Athleten, die Latten so rasch wie möglich werbewirksam in die Kameras zu halten, entgegenwirkt werden. Die Jury bemerkt den Fauxpas nicht, es ist Paul Accola, der seine Trainer darauf aufmerksam macht. Die Schweizer legen Protest ein, Michael von Grünigen rückt als Sieger nach und sagt, ihm sei das Ganze unangenehm.
Der Tenor beim helvetischen Skiverband aber ist klar: Die «Ösis» hätten in dieser Situation dasselbe getan. Es entwickelt sich eine mediale Schlammschlacht, die Schweizer werden als «Neidgenossen» bezeichnet, der «Blick» wiederum listet alle sportlichen Schandtaten des Erzrivalen auf und verweist auf Abfahrer Toni Bürgler, der 1982 in Gröden wegen des gleichen Malheurs disqualifiziert wurde – allerdings als Zwölfter. Maier seinerseits sagt: «Man kann mich nur mit so etwas stoppen.»
Ein paar verhängnisvolle Sekunden
Wieder Hermann Maier, wieder Val-d’Isère: Der Österreicher reizt 2000 in Savoyen die Zeit beim Besichtigen des ersten Riesenslalom-Laufs aus – ja er überzieht sie sogar. Er ist ein paar Sekunden zu spät fertig und erhält nach diversen Verwarnungen wegen des gleichen Vergehens die Quittung: FIS-Rennchef Günter Hujara verweigert ihm die Starterlaubnis, Maier wird gar für das nächste Rennen gesperrt und erhält eine saftige Busse.
ÖSV-Alpindirektor Hans Pum spricht von einer Hetzjagd, «wir gewinnen zu viel, das passt halt nicht allen». Maier resümiert, einige Uhren würden anders ticken, «jene von Hujara orientiert sich wohl am Wasserstand». Wieder profitiert Michael von Grünigen, der das Rennen gewinnt. Maiers Sperre für den folgenden Riesenslalom wird zurückgenommen. Und: Nach diesem Vorfall wird in den Zielräumen eine offizielle Zeitmessung für die Besichtigung installiert.
Hirscher sündigt doppelt
Marcel Hirscher will es wohl selbst nicht wahrhaben. Da reist der Überfahrer aus Österreich 2012 mit drei aufeinanderfolgenden Siegen im Gepäck nach Wengen – und fädelt im ersten Slalomlauf ein. Unbeirrt fährt er weiter bis ins Ziel.
Eine Woche später in Kitzbühel: Hirscher ist nach dem ersten Lauf Dritter hinter Mario Matt und Ivica Kostelic. Der Dominator riskiert alles, bleibt mit Glück im Rennen, ehe er im Steilhang erneut einfädelt. Wieder fährt er weiter. Zweimal 999 Franken kostet Hirscher das, weil den Lauf abbrechen muss, wer die Stangen nicht korrekt passiert. Ergibt: 1998 Franken. Hirscher dürfte es verschmerzen: Auch die folgenden drei Rennen gewinnt er. Allein an Preisgeld bekommt er dafür 124’930 Franken.
Mit 0,17 Millimetern ins Verderben
Eine Stunde lang lässt er sich feiern, wird ihm auf die Schulter geklopft, gibt er Siegerinterviews. Und dann? Kriegt er die Ohrfeige. Nichts wird es mit dem ersten Weltcupsieg für die Schweizer Männer seit zwei Jahren. Didier Défago, der nach der Super-Kombination ausgelassen gejubelt hat, wird disqualifiziert. Seine Bindungsplatte ist zu hoch, um 0,17 Millimeter. Richtig, Millimeter!
Die Aufregung ist gross an jenem Dezembersonntag 2005 in Val-d’Isère. Der Schweizer Cheftrainer Martin Rufener tobt vor Wut und versteht die Welt nicht mehr. Zwei Dutzend Nachmessungen werden vorgenommen, Rufener selbst legt Hand an und will Werte knapp unterhalb der erlaubten 55 Millimeter gemessen haben. Es bringt alles nichts, und weil es die Schweizer in der Aufregung versäumt haben, den Ski zu konfiszieren, ist ein Protest unmöglich. Für einmal profitiert ein Österreicher: Michael Walchhofer erbt den Sieg.
Absichtlich ausgeschieden
Manuel Feller fährt 2017 mit reichlich Adrenalin den Wengener Slalomhang hinunter. Auf Zwischenrang 3 liegt er und gibt schon Interviews, als er erfährt: Er hat eingefädelt. Weil er weiterfuhr, muss er 999 Franken zahlen. Er entschuldigt sich, er habe nichts gespürt, überhaupt habe niemand den Fauxpas ohne Zeitlupe gesehen. «Man fährt normalerweise nicht weiter, das ist wirklich nicht meine Art. Aber ich war in einem Flow und habe es nicht gemerkt», sagt der Österreicher. Als Beweis erzählt er diese Geschichte: In einem Rennen auf FIS-Stufe, der dritthöchsten, fädelte er einst im ersten Lauf von anderen unbemerkt ein. Das schlechte Gewissen plagte den Tiroler so sehr, dass er im zweiten absichtlich ausschied.
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