Slalom in LeviDie Schweizer glänzen – und Hirscher zeigt «eine der schlechtesten Fahrten meines Lebens»
Loïc Meillard gelingt bei seiner Rückkehr ein fulminantes Rennen. Nur zwei Fahrer sind schneller. Ein Teamkollege überrascht.
Loïc Meillard ist nicht der Mann der grossen Emotionen, keiner, der das Herz auf der Zunge tragen würde. Wenn einer wie er dann hinsteht und sagt: «Heute Abend und morgen wird es weniger lustig.» Ja, dann kann man nur erahnen, was auf den 28-Jährigen zukommt, wenn das Adrenalin wieder gewichen ist aus seinem Körper.
Meillard steht im Ziel von Levi, als er das sagt. Die Stimmung ist dank des vielen Schnees winterlich – und doch düster, weil sich die Sonne in dieser Jahreszeit kaum zeigt im hohen Norden. Die Stimmung des Romands ist so ganz anders. Dritter hinter dem Franzosen Clément Noël und dem Norweger Henrik Kristoffersen ist er geworden beim ersten Slalom der Saison. Es ist eigentlich nicht mehr als das Erfüllen der Ansprüche, die er auch an sich selbst hat. Doch an diesem Sonntag in Finnland ist es doch ein gutes Stück mehr.
Wegen der Vorgeschichte, die ziemlich ungewohnt war für Meillard. Für einmal hatte der Mann, der so schön Ski fährt wie niemand sonst im Weltcup, so sicher und stabil auch, was ihm den Übernamen Skilehrer einbrachte, mit seinem Körper Probleme. Beim Einfahren zum Riesenslalom von Sölden erwischte Meillard einen Schlag, der Rücken schmerzte so sehr, dass er das erste Rennen verpasste. Die Diagnose: Riss in der Hülle der Bandscheibe. Eine Meniskusverletzung, erlitten vor knapp acht Jahren, war bislang das einzige Kapitel in seiner kurzen Verletzungsgeschichte.
Nun also bangte der Gesamtweltcupzweite des letzten Winters um die Teilnahme am ersten Slalom der neuen Saison. Und bewies dann, wie stark er auch mental gewachsen ist in den letzten Jahren. «Ich war nur schon glücklich, dass ich überhaupt starten konnte und fit war», sagt er ins Mikrofon von SRF. «Dass ich mit einem Podestplatz abreisen kann, ist genial.» Auch dann eben, wenn er die Schmerzen am Abend und am nächsten Tag wieder stärker spüren wird.
Meillard ist nicht der Einzige seines Teams, der in allen Belangen überzeugt. Das tut auch Tanguy Nef, der mit Startnummer 28 Fünfter wird und so gut klassiert ist wie nie zuvor.
Nef sagt: «Loïc trägt den ganzen Druck für unser Team»
Als der Genfer vor die Kamera tritt, glitzert ein silbernes Fragezeichen auf seinem Helm. Es ist der wenig dezente Hinweis, dass er noch einen Kopfsponsor sucht. Fährt Nef so weiter, dürfte die Suche bald vorbei sein. Er sei im Training oft nah dran gewesen an Teamleader Meillard, sagt der 27-Jährige. «Ich weiss, dass ich schnell fahren kann. Aber die Theorie ist das eine, die Praxis das andere.» Es ist aufgegangen für ihn. Auch weil er befreit fahren konnte. «Loïc trägt den ganzen Druck für unser Team. Ich startete nur als sechster Schweizer, da gibt es nicht viel Druck.»
Den spüren eher diejenigen Athleten, die in der Vergangenheit immer wieder Spitzenresultate lieferten, Daniel Yule etwa oder Ramon Zenhäusern. In Levi müssen sich die Routiniers mit den Rängen 20 und 22 begnügen. Marc Rochat, einer der Aufsteiger des letzten Winters, scheidet schon im ersten Lauf aus.
Ebenfalls nicht dabei im zweiten Durchgang ist Marcel Hirscher. Der achtfache Gesamtweltcupsieger, dem in Sölden nach fünfjähriger Pause mit Platz 23 noch ein spektakuläres Comeback gelang, ist in den eng gesteckten Stangen chancenlos. Mit 2,59 Sekunden Rückstand landet er auf Rang 46.
Dem Österreicher, der mittlerweile für die Niederlande fährt, passiert also das, was er bei seiner Rückkehr unbedingt verhindern wollte: Man sieht ihm an, dass er lange Zeit kein Rennen bestritten hat. «In den ersten Toren habe ich gedacht: Das geht gut. Doch dann artete es schnell in eine der schlechtesten Slalomfahrten meines Lebens aus», sagt der Altmeister. «Es war eine Plackerei.» Vor allem die eisige Unterlage habe ihm nicht behagt. «Wir standen mit dem Material offenbar grob daneben.» Dennoch plant der 35-Jährige, auch in einer Woche in Gurgl zu starten. Wie Lucas Pinheiro Braathen, der in diesem Winter für Brasilien zurückgekehrt ist in den Weltcup und wie in Sölden mit Rang 4 glänzt.
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Der Ticker zum Nachlesen: 1 Clément Noël
Der Franzose hat oft Mühe, wenn er nach dem ersten Lauf führt, selten bringt er dann auch den zweiten Lauf problemlos ins Ziel. Heute ist das anders, überzeugt der 27-Jährigen voll und ganz und siegt überlegen: acht Zehntel vor Henrik Kristoffersen.
2 Loïc Meillard
Die grosse Schweizer Hoffnung stösst sich aus dem Starthaus: Loïc Meillard bewies im ersten Lauf, dass ihm der Rücken keine Sorgen mehr macht. In Sölden hat er das erste Rennen der Saison noch verpasst, nun geht ganz viel auf beim Schweizer, der so schön fährt wie kein anderer im Weltcup. Es reicht knapp nicht zur Führung. Zweiter mit 15 Hundertsteln Rückstand.
3 Steven Amiez
Eine der grossen Überraschungen des Vormittags ist jetzt auf der Piste. Steven Amiez hat im ersten Lauf Rang 3 hingelegt – und attackiert auch im zweiten ohne Angst vor Verlusten. Im Steilhang aber verliert Amiez ganz viel Zeit, er ist nur Vierter. Ebenfalls hinter Tanguy Nef.
4 Linus Strasser
Der Deutsche hat schon 71 Hundertstel Vorsprung auf Kristoffersen. Im flachen oberen Teil verliert er allerdings schon viel Zeit, 15 Hundertstel hat er nur noch Reserve vor dem Steilhang. Am Ende wird er nur Vierter – noch hinter Tanguy Nef auf Rang 3.
5 Dave Ryding
Der Mann ist mittlerweile 37 – und hält doch mit all den jungen Slalomfahrern um sich herum mit: Dave Ryding, der Brite, der auf Plastikmatten das Skifahren erlernt hat. Der erste Lauf wurde vom britischen Trainer ausgesteckt und auf seine Fähigkeiten abgestimmt. Im zweiten kann Ryding nicht ganz mithalten, es reicht zu Zwischenrang 12.
6 Tanguy Nef
Der Genfer war im ersten Lauf ultraschnell unterwegs, er könnte es hier erstmals in die Top 5 schaffen. Nef attackiert denn auch, fährt nicht auf Sicherheit. Es lohnt sich. Der 27-Jährige holt heute einige Weltcuppunkte, derzeit liegt er auf Rang 3.
7 Alexander Steen Olsen
Der Norweger fährt schön, sicher und schnell. Allerdings nicht genug schnell, um seinen Landsmann von der Spitze zu verdrängen. Es wird Rang 3 hinter Kristoffersen und Pinheiro Braathen.
8 Eduard Hallberg
Der junge, 21-jährige Mann, der zur Minderheit der Finnlandschweden gehört, die in Finnland leben, aber schwedisch reden, hat im 1. Lauf verblüfft. Mit Startnummer 40 hat er es in seiner Heimat auf Rang 8 geschafft. Und er lässt sich von dieser überraschenden Ausgangslage nicht gross verunsichern – auch wenn ihm einige Fehler unterlaufen. Er wird 17. – im Stadion kommt dennoch Stimmung auf.
9 Samuel Kolega
Der nächste Kroate stürzt sich den Eishang hinunter. Gegen die Besten dieses 2. Laufs hat Kolega zwar keine Chance, es gibt aber Zwischenrang 3 für ihn und damit doch viele wertvolle Weltcuppunkte.
10 Lucas Pinheiro Braathen
Jetzt der Auftritt des schillernden Norwegers, der mittlerweile für Brasilien startet, die Heimat seiner Mutter. Im Riesenslalom in Sölden hat er sein Comeback mit Rang 4 gefeiert. Und auch im Slalom ist er stark unterwegs. Einzig Henrik Kristoffersen ist schneller als der beste Slalomfahrer der Saison 2022/23. 25 Hundertstel fehlen im Ziel.
11 Henrik Kristoffersen
Gleich der nächste Norweger, der letzte Sieger von Levi, der hier in den letzten fünf Rennen auf dem Podest stand. Sprich bis 2019. Seit damals sind die Männer nicht mehr im hohen Norden gefahren. Kristoffersen hat nicht vergessen, wie es hier auf diesem Hang schnell geht. Es ist eine gewaltige Fahrt des Norwegers, mit 98 Hundertsteln Vorsprung und Laufbestzeit setzt er sich an die Spitze.
12 Timon Haugan
Der bewegliche Norweger ist auf Wiedergutmachung aus, schliesslich war er im letzten Winter der drittbeste Slalomfahrer überhaupt. Es gelingt dem 27-Jährigen nicht ganz. Er ist derzeit Fünfter mit 36 Hundertsteln Rückstand.
13 Albert Popov
Der klein gewachsene Bulgare spickt zwischen den Stangen hin und her, wie man sich das von ihm gewöhnt ist. Es ist ein äusserst dynamischer Lauf von Popov. Zwischenrang 7 gibt es für ihn aber nur, weil er unten noch eine halbe Sekunde verliert.
14 Filip Zubcic
Der Kroate versucht jetzt, Kristoffer Jakobsen von der Spitze zu verdrängen, der eine super Zeit hingelegt und schon 11 Plätze gutgemacht hat. Und tatsächlich: Zubcic verdrängt den Schweden von Platz 1. Sein Vorsprung: 19 Hundertstel.
15 Manuel Feller
Es geht weiter mit dem besten Slalomfahrer des letzten Winters. Feller ist gleichzeitig auch schon der letzte Österreicher in diesem 2. Lauf von Levi. Der 32-jährige Routinier attackiert – und scheidet aus. Das passierte ihm in der gesamten letzten Saison nie.
16 Daniel Yule
Jetzt ist der Mann auf der Piste, der vor fünf Jahren den bislang einzigen Podestplatz für die Schweizer in Levi herausgefahren hat. Damals, als die Männer letztmals in Finnland antraten, wurde er Dritter. Nun muss sich Yule mit Zwischenrang 9 zufriedengeben. Für die Schweizer geht es derzeit in der Tabelle also eher nach hinten denn nach vorne.
17 Adrian Pertl
Der nächste und schon vorletzte Österreicher ist unterwegs. Auch Pertl kommt nicht an die Zeit von Kristoffer Jakobsen heran, verliert 23 Hundertstel und ist derzeit Vierter.
18 Ramon Zenhäusern
Der Walliser ist der erste Schweizer im Kurs. Und oben legt der gross gewachsene Zenhäusern los, wie man sich das von ihm im Flachstück erwartet: schnell. Im Steilhang verliert er allerdings viel Zeit, es wird Zwischenrang 6 mit 64 Hundertsteln Rückstand auf den immer noch führenden Jakobsen.
19 Sebastian Foss-Solevaag
Der Norweger, Slalom-Weltmeister von 2021 in Cortina, hat eine schwierige Zeit hinter sich. Seine Skimarke stellte ihm keinen Servicemann mehr zur Verfügung. Immerhin Zwischenrang 5 gibt es für Foss-Solevaag.
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