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Forfait beim Saisonauftakt
Gut-Behramis Tränen – und auf einmal ist ihre Zukunft fraglich

epa11684631 Winner Federica Brignone of Italy celebrates in the finish area after the second run of the Women's Giant Slalom race at the FIS Alpine Skiing World Cup season opener on the Rettenbach glacier, in Soelden, Austria, 26 October 2024.  EPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Lara Gut-Behrami hat in den letzten Jahren das Leben neben der Piste entdeckt. Sich als Mensch kennen gelernt, als Frau auch, so sagt sie das. Sie ist nicht mehr nur Athletin, wie sie das früher immer war. Im italienischen Udine wohnt sie zusammen mit Ehemann und Ex-Fussballer Valon Behrami, der zwei Töchter in die Ehe mitgebracht hat. Am Donnerstag diese Woche, beim Anlass ihres Ski-Ausrüsters in Sölden, sagt die Tessinerin: «Es gibt so viele schöne Dinge in meinem Leben, dass es irgendwie traurig wäre, zu glauben, dass Skirennen alles sind, was im Leben zählt.» 

Es ist Samstagmorgen hoch über Sölden, auf dem Rettenbachgletscher. Die Besichtigung für den ersten Riesenslalom der Saison ist gerade vorbei. Gut-Behrami spricht in die Mikrofone – und es wird schnell klar: Das Skifahren bedeutet ihr eben immer noch eine ganze Menge. Mit zittriger Stimme gibt Gut-Behrami bekannt, dass sie nicht starten kann. Die Knieverletzung, zugezogen beim Training in Südamerika, war hartnäckiger als vermutet. Drei Wochen lang konnte sie zuletzt nicht mehr auf Schnee trainieren. Wegen des Knies. Und wegen einer Grippe, die sie ins Bett zwang, vier Tage lang konnte sie nichts essen. Sie habe viel Muskelmasse verloren, sagt die 33-Jährige – «und fast noch schlimmer: Auch das Selbstvertrauen hat gelitten». 

Gedanken an eine Verletzung

Am Samstag nun kommt zu viel zusammen. «Ich hatte gehofft, der Renntag würde mir helfen, zu vergessen, was im letzten Monat passiert ist, dass ich das Vertrauen zurückgewinne. Aber während der Inspektion verstand ich: Heute ist nicht der Tag, an dem ich ein Rennen fahren kann. Ich kann nicht mit 90 Prozent an den Start gehen, mit Zweifeln über meinen Zustand, mit den Gedanken, dass ich mich verletzen könnte. So will ich nicht fahren.»

Gut-Behrami muss die Tränen zurückhalten, später fliessen sie doch noch. «Ich will nicht, dass eine Verletzung meine Karriere beendet. Ich will selbst entscheiden können, wann es vorbei ist.» Und: «Ich glaube nicht, dass es heute ist. Entschuldigt meine Tränen.» 

Es ist selten, dass die Schweizerin Emotionen dieser Art mit der Öffentlichkeit teilt, eine gewisse Verunsicherung auch. Ihre Zukunft als Skifahrerin scheint zumindest nicht mehr so gesichert zu sein, wie sie das nach der MRI-Untersuchung und einer ersten Entwarnung schien. Sie hoffe zwar, Ende November in Nordamerika in die Saison starten zu können, sagt Gut-Behrami. Aber: «Ich will nach meiner Karriere ein Leben mit einem intakten Knie leben.» 

Die Tränen sind auch Ausdruck dafür, was das Skifahren für Gut-Behrami in den letzten Jahren geworden ist. Längst ist es nicht mehr nur Beruf, ist es kein Muss mehr für sie. Sie braucht kein Privatteam mehr zu finanzieren wie in ihren jungen Jahren, als sie mit ihrem Vater und einer kleinen Entourage durch den Skiweltcup zog. Heute ist sie fast komplett ins Schweizer Team integriert und fährt Ski, weil es ihre grosse Passion ist, aus Freude, aus Spass. 

Der Rückschlag kommt zur absoluten Unzeit

Als sie sich bei der WM 2017 in St. Moritz beim Einfahren für den Kombinationsslalom einen Kreuzbandriss und eine Meniskusverletzung im linken Knie zuzog, war das ein Zeichen für sie, ihr Leben als Skifahrerin zu entschleunigen, zu verstehen, dass es noch so viel gibt neben der Hatz auf Schnee. Im Rückblick war sie froh, hatte ihr Körper die Reissleine gezogen. Dass sie im letzten Monat die Verletzung von damals einholte, ist die bittere Ironie des Schicksals. Das schmerzende Knie kam nicht mehr gelegen, sondern zur absoluten Unzeit. 

Gut-Behrami will die letzten Schwünge ihrer langen Karriere, die sie vor fast 17 Jahren in den Weltcup führte, in vollen Zügen geniessen. Die WM in Saalbach im Februar ist ihr grosses Ziel. Ob sie dann gar noch weitermacht und auch Olympia 2026 in ihrer Wahlheimat Italien bestreiten wird, lässt sie offen. Nun steht das alles auf wackligen Beinen, auch wenn es aus dem Schweizer Team heisst, Gut-Behrami werde in Nordamerika wieder dabei sein. 

Einzig Camille Rast in den Top 15

Die Hoffnung, dass es so kommt, dürfte ziemlich gross sein. Wie ein Auftakt in Sölden aussehen kann, wenn die Grande Dame des Schweizer Skisports fehlt, zeigt sich am Samstag. Gut-Behrami ist mit drei Triumphen zusammen mit Tina Maze Rekordsiegerin im Ötztal. Im vergangenen Winter hat sie hier mit ihrem Sieg eine Saison lanciert, die sie als beste Riesenslalom- sowie Super-G-Fahrerin und Gesamtweltcupsiegerin beendete. Sie kaschierte damit die Schwierigkeiten, in der die Schweizer Frauen stecken. In Sölden werden diese schonungslos aufgedeckt. Camille Rast wird als Beste ihres Teams Zwölfte. Auch Michelle Gisin (22.), Wendy Holdener (25.) und Simone Wild (28.) holen noch ein paar wenige Punkte. 

Mit den Plätzen ganz vorne aber haben sie nichts zu tun. Dort gelingt Federica Brignone das Kunststück, die Halbzeitführende Mikaela Shiffrin noch zu überflügeln, die den zweiten Lauf ziemlich verbremst. Die Italienerin gewinnt vor Alice Robinson und Julia Scheib. Die Österreicherin, der im ersten Lauf ein grosser Fehler unterlaufen ist, schreibt mit ihrer Aufholjagd die wohl schönste Geschichte des Tages. Und liefert damit das Gegenstück zu Lara Gut-Behrami. 

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Startnummer 8 – Paula Moltzan

Es geht Schlag auf Schlag, grosse Unterbrüche gibt es nicht. Die Abstände werden nun etwas grösser, Shiffrins Landsfrau Paula Moltzan büsst knapp anderthalb Sekunden ein.

Gratulationen vom Verlobten

Im Zielraum befindet sich Aleksander Kilde. Der Norweger, der die ganze Saison verletzt verpassen wird, gratuliert seiner Verlobten -- Mikaela Shiffrin bedankt sich mit einem Küsschen.

Startnummer 7 – Sara Hector

Die Olympiasiegerin aus Schweden hat eine komplizierte letzte Trainingswoche hinter sich, sie liess am Freitag verlauten, ihr fehle das Vertrauen auf den Ski. Der Eindruck täuschte nicht: Sie büsst 1,62 Sekunden auf Shiffrin ein und ist Letzte. Kurios: Im Schlussteil ist sie die Schnellste.

Startnummer 6 – Marta Bassino

Und gleich noch eine Italienerin: Marta Bassino, die beste Riesenslalom-Fahrerin des Winters 2020/2021 büsst neun Zehntel ein und reiht sich zuhinterst im Klassement ein.

Startnummer 5 – Lara Gut-Behrami

Wie erwähnt: Die Schweizerin muss passen!

Startnummer 4 – Federica Brignone

Auch die Italienerin fährt stark, sie verliert vier Zehntel auf Shiffrin und wird Dritte. Da liegt im zweiten Lauf definitiv noch etwas drin.

Startnummer 3 – Thea Louise Stjernesund

Man glaubt es kaum, aber die Norwegerin hat an Grossanlässen schon vier Medaillen gewonnen. Der Riesenslalom ist ihre beste Disziplin, und mit knapp sieben Zehnteln Rückstand hält sie den Schaden auch in Grenzen. Auffällig: Auch sie verliert auf den letzten 12 Sekunden erstaunlich viel Zeit auf Shiffrin.

Startnummer 2 – Alice Robinson

Die Neuseeländerin hat in Sölden 2019 mit 17 gewonnen -- sie ist bis heute die jüngste Siegerin. Diverse Trainer sagen, sie soll befinde sich in einer gewaltigen Form. Und das beweist sie auch: Während zwei Drittel des Laufs ist sie trotz einem kleinen Lapsus deutlich schneller als Shiffrin, im untersten Teil aber büsst sie eine halbe Sekunde ein. Letztlich liegt sie mit 22 Hundertsteln Rückstand auf Rang 2.

Startnummer 1 – Mikaela Shiffrin

Die Amerikanerin, die in dieser Saison auf Abfahrten verzichten wird, stösst beim Start mit viel Energie ab und fährt danach angriffig weiter. Sie zeigt einen Lauf ohne Fehler und setzt mit 1:05:82 eine erste Richtzeit.

Los geht’s

Die Saison beginnt – und wie: Mit Mikaela Shiffrin startet gleich die weltbeste Skifahrerin der Geschichte. Sie hält bei 97 Weltcupsiegen, schon vor Weihnachten könnte sie die magische 100er-Marke knacken.

Ein Vorteil für die Schweizerinnen?

Es ist gerade etwas schwierig, der Saison-Ouvertüre aus Schweizer Sicht optimistisch entgegen zu blicken. Ein Hoffnungsschimmer aber gibt es: Den 1. Lauf gesetzt hat Swiss-Ski-Trainer Heini Pfitscher. Ob Rast, Gisin, Holdener und Co. davon profitieren können?

Die Schweizerinnen

Ausfall der Leaderin hin oder her: Swiss-Ski ist mit einem Grossaufgebot vertreten. Als Erste startet Camille Rast (Nummer 16), danach folgen Michelle Gisin (17), Rückkehrerin Wendy Holdener (25), Simone Wild (26), Mélanie Meillard (30), Stefanie Grob (34), Andrea Ellenberger (48), Jasmina Suter (51) und Europacup-Gesamtsiegerin Janine Schmitt (58).

Die Favoritinnen

Mit Gut-Behrami fehlt die Vorjahressiegerin. Derweil soll Mikaela Shiffrin ausgezeichnet trainiert haben, auch Federica Brignone soll bereits wieder in starker Verfassung sein. Alice Robinson mag den Hang in Sölden. Olympiasiegerin Sara Hector hingegen soll nicht in Bestform sein.

Weitere prominente Abwesende

Lara Gut-Behrami ist nicht die einzige Top-Athletin, die das Rennen verpasst. Aus den Top 15 der Weltrangliste fehlt ein weiteres Quartett: Petra Vlhova, Sofia Goggia, Valérie Grenier sowie AJ Hurt müssen verletzt passen.

Herber Rückschlag

Im letzten Winter gewann Gut-Behrami nicht nur den Gesamt-, sondern auch den Riesenslalom-Weltcup. Dass sie in der Basisdisziplin erstmals die Nummer 1 war am Ende einer Saison, bedeutete ihr unheimlich viel. Umso härter ist der Dämpfer, den sie nun einstecken muss. Und klar ist: Die Schweiz startet ohne ihre mit Abstand grösste Hoffnung in die Saison.

Und ihre zweite Erklärung

Gut-Behrami sagt, sie erinnere sich an die Worte der Kanadierin Larisa Yurkiw, die 2016 mit erst 28 zurücktrat: «Sie sagte: ‹Ich will ein Leben leben mit einem intakten Knie.›» So sei es auch bei ihr: «Ich will nicht, dass die Verletzung meine Karriere beendet. Ich will selbst verstehen können, wann es vorbei ist. Ich kann nicht antreten, es ist hart, aber es ist so.» Dann stockt ihre Stimme. «Entschuldigt meine Tränen.»

Das sagt Lara Gut-Behrami

Nach der Besichtigung nimmt die Tessinerin Stellung. Und wird dabei emotional. Sie sagt: «Es ist eine wirklich harte Entscheidung, aber ich fühle mich nicht zu 100 Prozent bereit. Ich hatte gehofft, das Rennen würde mir helfen, zu vergessen, was in den letzten Monaten passiert ist, dass ich das Vertrauen zurückgewinne. Aber während der Inspektion und des Warm-ups verstand ich: Heute ist nicht der Tag, an dem ich ein Rennen fahren kann. Ich kann nicht mit 90 Prozent an den Start gehen, mit Zweifeln über meinen Zustand, mit den Gedanken, dass ich mich verletzen könnte. So will ich nicht fahren. Es ist hart, ich liebe dieses Rennen, ich liebe es überhaupt, Rennen zu fahren und hoffe, dass ich das ab November wieder tun kann.» Ihre Stimme überschlägt sich ein erstes Mal.

Forfait von Gut-Behrami

Lara Gut-Behrami lässt den Saisonauftakt in Sölden aus. «Es ist eine harte Entscheidung. Aber ich fühle mich nicht zu 100 Prozent bereit», sagte die Tessinerin unter Tränen nach der Streckenbesichtigung. Gut-Behrami, die sich kurz vor dem neuen Weltcupwinter von ihrem langjährigen Kopfsponsor trennte, sprach in Sölden am Donnerstag davon, dass sie eine starke Grippe geschwächt habe. Ausserdem bereit ihr das Knie wieder etwas Probleme.