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Klagewelle gegen Prominente
Missbrauchsskandal in Frankreich weitet sich aus

Aufruhr in Frankreich: Auf einer Hauswand in Paris steht «Duhamel und ihr anderen, ihr werdet niemals Ruhe finden» geschrieben.
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Es geht um Pädophilie, sexuelle Gewalt in der Familie, aber auch um Nötigung an Hochschulen: Frankreich ist seit Jahresbeginn mit einer beispiellosen Welle an Missbrauchs-Klagen konfrontiert. Immer mehr Prominente stehen unter Verdacht. Die Regierung will nun «schnell» handeln und erstmals ein Schutzalter für Sex mit Minderjährigen einführen.

Am Mittwoch wurden Vorwürfe gegen den Vorsitzenden des französischen Filmförderfonds Centre national du cinéma français (CNC), Dominique Boutonnat, bekannt. Die Polizei nahm den 51-Jährigen in Gewahrsam, nachdem sein 22-jähriges Patenkind gegen ihn Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung erstattet hatte. Boutonnat bestreitet die Vorwürfe.

Zuvor hatte der Direktor der Pariser Eliteuni Sciences Po, Frédéric Mion, seinen Rücktritt erklärt. Studierende forderten dies seit Wochen, weil er von Vorwürfen gegen den bekannten Politikwissenschaftler Olivier Duhamel gewusst haben soll, der wegen einer Affäre um den mutmasslichen Missbrauch seines Stiefsohns Anfang Januar von allen Ämtern zurückgetreten war. Unter anderem gab Duhamel die Leitung der Sciences-Po-Stiftung ab.

Tochter veröffentlichte Enthüllungsbuch

Ausgelöst wurde die Debatte in Frankreich durch ein Buch der Juristin Camille Kouchner, die Tochter des Ärzte-ohne-Grenzen-Gründers und früheren Aussenministers Bernard Kouchner. Sie warf ihrem Stiefvater Duhamel in einem autobiografischen Werk mit dem Titel «La Familia grande» (Die grosse Familie) vor, ihren Zwillingsbruder im Alter von 14 Jahren missbraucht zu haben. Das mutmassliche Opfer hat inzwischen Anzeige erstattet.

Nach der Veröffentlichung berichteten tausende Franzosen unter Hashtags wie #Metooinceste und #scienceporcs (»Wissenschaftsschweine», ein Wortspiel auf Sciences Po) auf Twitter von sexuellen Übergriffen in Familien oder Nötigung an Hochschulen.

Zahlreiche Promis unter Verdacht

Gegen einen Inzest-Verdacht wehrt sich auch der beliebte Schauspieler und Regisseur Richard Berry: Seine älteste Tochter Coline Berry wirft dem 70-Jährigen Darsteller aus Filmen wie «Auch Männer mögen’s heiss» vor, sie als Minderjährige für «Sex-Spiele» missbraucht und vergewaltigt zu haben.

Die Pariser Staatsanwaltschaft eröffnete diese Woche zudem vorläufige Ermittlungen gegen den Fernsehproduzenten Gérard Louvin und seinen Mann. Der heute 48-jährige Neffe Louvins wirft ihm vor, sexuelle Übergriffe seines Partners auf ihn gebilligt zu haben, als er unter 15 Jahre alt war. Auch vier weitere Kläger beschuldigen das Paar.

Vergangene Woche beschuldigte die Justiz zudem den Politiker François Asselineau des Mobbings und der sexuellen Nötigung von zwei früheren Mitarbeiterinnen. Der 63-Jährige ist bekannt, weil er sich als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl 2017 für einen EU-Austritt Frankreichs einsetzte. Der «Frexit»-Befürworter bekam allerdings weniger als ein Prozent der Stimmen.

Frankreich plant Gesetzesänderung

Wegen der Vehemenz der Debatte strebt die französische Regierung nun eine Gesetzesänderung an. Die sexuelle Penetration von unter 15-Jährigen durch einen Erwachsenen soll nach Angaben von Justizminister Eric Dupond-Moretti grundsätzlich unter Strafe gestellt werden.

Anders als in der Schweiz gibt es in Frankreich bisher kein gesetzliches Schutzalter für Sex mit Minderjährigen. Nach umstrittenen Freisprüchen von Volljährigen nach angeblich «einvernehmlichem Sex» mit Kindern hatte Präsident Emmanuel Macron bereits 2018 eine Gesetzesänderung angekündigt. In der Schweiz liegt das Schutzalter bei 16 Jahren.

Die Enthüllungen der #MeToo-Bewegung über den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein 2017 hatten auch in Frankreich eine Debatte über sexuelle Gewalt und Diskriminierung gerade in der Filmbranche entfacht. Weinstein sitzt in den USA eine 23-jährige Gefängnisstrafe wegen Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung ab, zu der er im vergangenen März verurteilt worden war.

AFP/lif