Regeln für systemrelevante Firmen Sind Verwaltungsräte an zu vielen Fronten engagiert?
Der Untergang der Credit Suisse wirft die Kompetenzfrage auf. Die Politik diskutiert eine «Lex Schwan», benannt nach Severin Schwan, der als Roche-Chef im CS-Verwaltungsrat sass.

Der Bundesrat streicht den Topmanagern der Credit Suisse (CS) nach dem Untergang der Bank die Boni. Beim Verwaltungsrat geht das nicht, sie erhalten keine Boni als Leistungsanreiz. Bei ihnen wird per se davon ausgegangen, dass sie ihre Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen.
Doch können sie das, wenn sie gleichzeitig bei anderen Firmen im Topmanagement engagiert sind oder in mehreren Verwaltungsräten sitzen? Besonders bei systemrelevanten Firmen, wie es sowohl die CS als auch die neue Gross-UBS sind, stellt sich die Frage: Sind deren Verwaltungsräte an zu vielen Fronten engagiert?
Der entsprechende Verdacht kommt beim neuen Roche-Präsidenten Severin Schwan auf.
Ein Verwaltungsrat muss funktionieren
Nun, nach dem folgenschweren Aus der CS, erreicht diese Frage die Politik. Im Raum steht eine «Lex Schwan». Der Anstoss kommt von Mitte-Präsident Gerhard Pfister. «Kann man neben einem Riesenjob bei Roche noch nebenbei im Verwaltungsrat einer Bank sitzen, die systemrelevant ist?», fragt er und fordert: Bei Unternehmen mit einer faktischen Staatsgarantie müsse das Parlament einschreiten.
Pfister geht es darum, dass sich der Bund künftig darauf verlassen können muss, dass bei Firmen, die er im Zweifelsfall retten muss, der Verwaltungsrat als Strategie- und Kontrollgremium verlässlich funktioniert und der Staat nicht einspringen muss. Dies gilt nicht nur für die riesige neue UBS-CS, sondern auch für Energieversorger. Auch sie sind systemrelevant, weshalb der Bund für die Axpo vergangenen September eine Kreditlinie von bis zu 4 Milliarden Franken verfügt hat.
Auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi will die Auswahl von Verwaltungsratsmitgliedern systemrelevanter Firmen zum Thema machen: «Das ist sicher etwas, das wir uns anschauen müssen.»
Die SP würde für ein solches Gesetz Hand bieten, wie Nationalrätin Céline Widmer sagt. Wichtiger findet sie, die Verantwortlichkeiten für den CS-Untergang zu klären: «Die parlamentarische Untersuchungskommission muss das prüfen und dabei auch Schwans Rolle abklären.» Um künftig Risiken zu minimieren, haben für die SP ein Boniverbot sowie höhere Eigenkapitalvorschriften Vorrang. Diese sollen in der ausserordentlichen Session kommende Woche verbindlich in Auftrag gegeben werden.
In der Schweiz ist es üblich, dass in Verwaltungsräten branchenfremde Mitglieder sitzen. Die Verflechtungen zwischen den Konzernen sind stark: Nestlé zum Beispiel entsendet traditionell seinen Konzernchef in den Roche-Verwaltungsrat. So wie bislang Roche-Chef Schwan bei der Credit Suisse amtete.
Pharmakultur prallt auf Bankenkultur
Severin Schwan hat sein Amt als Vizepräsident der CS im Jahr 2022 abgegeben. Der heutige Roche-Präsident will sich nicht öffentlich zu seiner Rolle bei der CS äussern. Aus seinem Umfeld ist jedoch zu hören, dass er «zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, seine Aufgabe bei der Bank nicht wahrnehmen zu können». Er halte es sogar für sehr sinnvoll, dass branchenfremde Mitglieder im Verwaltungsrat sässen. Bei Roche sei dies auch so und sorge dafür, dass es keinen Tunnelblick gebe.
Schwan hatte bei der CS einen Kulturwandel auslösen wollen. Er habe damit bei den Bankern im Verwaltungsrat keinen leichten Stand gehabt, heisst es aus seinem Umfeld. «Mit seinen Begriffen aus der Pharmabranche wie Sinnhaftigkeit, gesellschaftlicher Wert oder Transparenz hatte er kaum eine Chance. Allein die Wörter waren dort zum Teil schon fremd.»
Eine generelle Mitverantwortung für das Ende der CS nimmt Schwan zwar auf sich, seine Betroffenheit sei «extrem gross», heisst es. Doch er selbst sehe kein persönliches Versagen. Wie berichtet wird, spricht die Roche-Eigentümerfamilie Hoffmann-Oeri ihm weiter ihr volles Vertrauen aus.
Schwan war von 2014 bis 2022 im Verwaltungsrat der CS, wo er als Vizepräsident eine Schlüsselrolle innehatte und auch als Lead Independent Director einen Gegenpol zum umstrittenen damaligen Präsidenten Urs Rohner bilden sollte. Auch im Risikoausschuss der Bank sass er. 400’000 Franken pro Jahr erhielt Schwan für sein Mandat. Die Hälfte davon in Aktien, die Schwan zwar noch besitzt, deren Wert jedoch eingebrochen ist.
Roche-Frau im UBS-Verwaltungsrat
Die Verflechtung von Roche mit einer systemrelevanten Bank geht trotz Schwans Rücktritt weiter. Im Verwaltungsrat der neuen Megabank UBS sitzt nämlich seit 2021 Roche-Chefjuristin Claudia Böckstiegel. Aus Roche-Sicht soll dies auch so bleiben.

Die Aktionärsvereinigung Actares hält es generell für vertretbar, dass ein Geschäftsleitungsmitglied nebenbei ein VR-Mandat wahrnimmt. Anders als Böckstiegel war Schwan jedoch nicht nur bei der Credit Suisse im Verwaltungsrat. Der Roche-Chef sass zeitgleich auch im Verwaltungsrat von Roche. «Die Arbeitsbelastung von Schwan war möglicherweise zu hoch», sagt Actares-Chef Roger Said.
Wie aus Schwans Umfeld zu hören ist, verneint er das. Er habe sich in seiner Freizeit, an Wochenenden und in den Ferien «mit Leidenschaft» für die CS eingesetzt.
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