Golferin Albane ValenzuelaSie spürte ihre Finger kaum noch, jetzt spielt sie vorne mit
Nach einem Jahr zum Vergessen sorgt die Genferin für eines der wertvollsten Resultate in der Schweizer Golfgeschichte. Nie hat sie mehr Preisgeld gewonnen.
Kein Mann in den Top 500 der Weltrangliste, bis vor zehn Tagen keine Frau in den Top 400 des Rankings – sportlich ist die Schweiz im Golfsport auf Profiebene ein Zwergstaat. Doch eine 23-jährige Genferin macht sich im Alleingang daran, dies zu ändern. Am Sonntag belegte Albane Valenzuela in Ocala, Florida, an einem Turnier der US-Frauentour (LPGA-Tour) Platz 5. Es ist ihr bisher bestes Resultat – und vielleicht das wertvollste Ergebnis in der Schweizer Golfgeschichte.
Es ist schwierig, Leistungen aus verschiedenen Epochen zu vergleichen. Evelyn Orley und André Bossert hatten 1990 respektive 1995 an kleinen Turnieren der europäischen Circuits triumphiert. Julien Clément hatte 2008 mit Platz 3 in Crans-Montana für Aufsehen gesorgt. Doch keiner dieser Erfolge kam im direkten Vergleich mit der absoluten Weltspitze zustande. In Ocala schlugen hingegen sechs Spielerinnen aus den Top 7 des Rankings ab. Und all diese Stars klassierten sich hinter Valenzuela.
Gefühlsstörungen vom Nacken bis in die Finger
Kennt man die Vorgeschichte, erscheint Valenzuelas Exploit noch beeindruckender. «2020 war für mich sehr herausfordernd», erzählte sie in einem Videointerview für die Internetseite der LPGA. Die Aussage war eine krasse Untertreibung. Herausfordernd war für die Absolventin der Eliteuniversität Stanford, dass sie als Tourneuling aufgrund der Pandemie bei ihren Eltern auf den Bahamas zuweilen das Haus nicht verlassen durfte und daher nicht genügend trainieren konnte.
Doch nachdem ihr der Wiedereinstieg nach der Corona-Zwangspause gut gelungen war, stellten sich gegen Ende August Schulterbeschwerden ein. Es waren die ersten Anzeichen einer Nervenverletzung, die sich kontinuierlich verschlimmerte. «Ich hatte vom Nacken bis zu den Fingern fast kein Gefühl mehr», beschrieb sie ihre Symptome. Vorerst spielte sie weiter, «immer unter Schmerzen». Doch im Oktober zog die in New York geborene Tochter einer Französin und eines Mexikaners die Notbremse und brach die Saison ab.
Aller schlechten Dinge sind drei
Die Pause war für den beschädigten Nerv gut, doch dafür traten bei der Profigolferin unvermittelt starke Bauchschmerzen auf. Letztlich musste der entzündete Blinddarm operativ entfernt werden. Doch der Unbill nicht genug. Bei Albane Valenzuela waren aller schlechten Dinge drei, denn sie erkrankte auch noch an Covid-19. «Ich verbrachte in den letzten fünf Monaten sehr viel Zeit im Bett», fasste sie die schwierige Zeit zusammen. Und mit einem Lächeln im Gesicht fügte sie an, sie habe so viele MRI-Untersuchungen und andere Tests hinter sich, dass sie einfach froh sei, wieder einen Golfball schlagen zu können.
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Auch das war eine Untertreibung. Sie schlägt die kleine Kugel nicht nur irgendwie, sie kontrolliert diese brillant. Irgendwie ist es ihr gelungen, das Krankenbett als Sprungbrett zu nutzen. Am Samstag gelangen Valenzuela sechs Birdies; sie absolvierte den Par-72-Parcours in 66 Schlägen. Das war am viertägigen Wettkampf die zweitbeste Runde überhaupt und verhalf ihr zum Erfolg in einem kleinen innerfamiliären Wettstreit.
Die Wette mit Bruder Alexis
Sie hatte 2018 gleichenorts ihren Bruder Alexis, der trotz Autismus mittlerweile ein normales Leben führen kann, am Qualifikationsturnier für die US-Meisterschaften der Junioren als Caddie begleitet. Alexis war damals eine 68er-Runde gelungen, weshalb er seine Schwester nun aufforderte, ihn zu unterbieten, was ihr bekanntlich gelang. «Nun schuldet er mir einen Kaffee», erzählte sie schmunzelnd.
Der bescheidene Wetteinsatz dokumentiert, dass die 23-Jährige nicht abgehoben hat. Obwohl sie sich schon als 18-Jährige für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro qualifiziert und Platz 21 belegt hatte. Obwohl sie bei den Amateurinnen einst die Nummer 2 der Welt war. Obwohl sie als erste Schweizerin den Durchbruch auf höchster Stufe geschafft hat. Und obwohl ihr Sponsoren-Portfolio schon jetzt beeindruckend ausfällt.
In den Kampf um den Sieg vermochte Valenzuela am Sonntag nicht einzugreifen. Dank einem Birdie am Schlussloch sicherte sie sich den alleinigen 5. Platz. Dieser trug ihr mit knapp 63’000 Dollar das bisher mit Abstand höchste Preisgeld ein, liess sie in der Weltrangliste, in der sie vor zehn Tagen noch Platz 432 belegt hatte, auf Position 184 vorstossen und dürfte ihr die erneute Olympiaqualifikation sichern.
Allein wird Albane Valenzuela aus der Schweiz keinen Golfriesen machen. Doch diese Prognose sei gewagt: Sofern sich ihre Pechsträhne nicht fortsetzt, wird die talentierte Genferin in nicht allzu ferner Zukunft ein Resultat liefern, bei dem sich die Diskussion erübrigt, ob es sich um das wertvollste in der Geschichte des helvetischen Profigolfs handelt.
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