Monarchin Sheikha MozaSie ist die mächtigste Frau Katars
Sheikha Moza ist die weibliche Galionsfigur des Scharia-Staats. Wer ist die Frau, die das Emirat fit machen will für die Zeit nach dem Rohstoffboom?
Im Zentrum der WM-Vergabe an Katar stand eine Frau. Als Sepp Blatter am 2. Dezember 2010 in Zürich das Emirat zum WM-Gastgeber ausrief, sah das TV-Publikum nach einem Kameraschwenk als Erstes die Herrschergattin, die von Emotionen übermannt aus ihrem Sitz hochsprang. Sheikha Moza bint Nasser al-Missned, gekleidet in der Nationalfarbe Kastanienbraun, jubelte mit ihrer Familie und lächelte später von der Bühne mit dem WM-Pokal.
Normalerweise spielen die Frauen arabischer Herrscher keine so prominente Rolle. Als sich Moza 2003 in einem Interview mit dem amerikanischen TV-Sender CBS erstmals an der Seite ihres Mannes Hamad bin Khalifa Al Thani zeigte, sollen die Menschen in Katar schockiert gewesen sein. Nie zuvor hatten sie die Gattin eines Emirs zu Gesicht bekommen. Doch fortan trat Sheikha Moza immer häufiger in Erscheinung und verstimmte im arabischen Raum konservative Hardliner. «Es ging uns nie darum, Normen zu brechen», sagte sie einst der «Financial Times». «Mein Mann glaubte an mich, an meine Fähigkeit, Sachen zu verändern, ihm ein Partner in seiner Rolle zu sein – und gab mir den Platz dafür.» So schrieb sie fleissig mit an der Geschichte des winzigen Wüstenstaats, der sich dank unermesslichem Reichtum und rasantem Wandel zum Übermorgenland entwickeln will. Mozas Ziel: Katar bereit machen für die Zeit nach Öl und Gas – mit Bildung.
Der Irakkrieg als Augenöffner
Bis 2030 will das Emirat die Transformation in eine Wissensgesellschaft vollzogen haben und ein Forschungsstandort sein, der die besten Köpfe anzieht. Wie es das tun will? Indem das Land dank Milliardeninvestitionen Möglichkeiten bietet, die Wissenschaftler nicht ausschlagen können.
Treiber dieser Entwicklung ist die von Sheikha Moza geführte Stiftung, die Qatar Foundation for Education, Science and Community Development (QF). In Doha hat sie die Education City aus dem Boden stampfen lassen. Darin finden sich Ableger von renommierten Universitäten. Georgetown aus den USA ist ebenso vertreten wie die französische Businessschule HEC. Männer und Frauen werden gemischt unterrichtet. Auch die Sheikha und ihre Kinder haben dort studiert.
Doch die milliardenschwere Bildungsoffensive der Monarchin hört nicht an der Landesgrenze auf. Sie ist Sonderbeauftragte der Unesco und hat im Ausland mit katarischem Geld geförderte Initiativen gestartet. Ihr Ziel: bedürftigen Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen. Augenöffner sei der Irakkrieg gewesen, sagte die Frau des alten und Mutter des jetzigen Emirs in einem Interview. Dort habe sie gesehen, wie die Grundlage für Schülerinnen und Studenten von einem Tag auf den anderen zerstört worden seien.
Ihre «Obsession mit Bildung» fusst offenbar auch auf Mozas persönlicher Geschichte. Die 63-Jährige ist die Tochter des katarischen Dissidenten Nasser bin Abdullah al-Missned. Der Geschäftsmann soll beim damaligen Emir eine bessere Verteilung des Reichtums im Land gefordert haben. Danach musste er erst ins Gefängnis, dann ins Exil nach Ägypten und Kuwait. «Mein Vater hat sich selbst gebildet, als er im Gefängnis war. Deshalb wissen wir Bildung zu schätzen», sagte Moza. Erst 1977 zu ihrer Hochzeit mit dem damaligen Kronprinzen kehrte die 18-jährige Sheikha zurück nach Katar.
Die Zweitfrau als Soft-Power-Strategin
Wie ihr Land ist Moza nicht frei von Widersprüchen – und scheint auch nicht allzu bemüht, sie aufzulösen. Im Ausland führte sich die Herrschergattin auf wie die First Lady eines westlichen Staats, bedeckte ihr Haar nur mit einem Turban und wurde in internationalen Magazinen wegen ihrer farbenfrohen Couture-Kleider zur Modeikone hochgejubelt. Sie trank Tee mit der Queen, konferierte mit Hillary Clinton und dürfte neben ihrem sozialen Engagement auch den Kauf der einen oder anderen Luxusmarke angeregt haben. So gehören Katar unter anderem das Londoner Nobelwarenhaus Harrod’s sowie die Modeunternehmen Valentino und Balmain. Dass ihr Mann neben ihr noch zwei andere Frauen hat, passt hingegen nicht ganz zum Image der progressiven Frau von Welt. «Den Hijab zu tragen oder eine zweite Frau zu sein, behindert meinen Fortschritt nicht», liess sie die FT wissen.
Sheikha Mozas Aufgabe, so sehen es Kritiker, sei es, Soft Power zu verkörpern. Sie sei das fotogene Gesicht einer Familie, die einen wahabitischen Scharia-Staat wie ein Unternehmen führt, die sich Gehorsam erkauft und Arbeiter ausbeutet. Für Mustafa Nasar, der an der Universität Basel zur Golfregion forscht, bilden die Auftritte der Sheikha einen «Riesenkontrast» zu denen anderer Frauen im arabischen Raum. Sie diene zwar der Politik des Herrscherhauses, sei aber auch unabhängig.
Wo die Monarchin politisch steht, ist unklar. In Interviews hat sie sich wiederholt über westliche Vorurteile gegenüber Muslimen und katarischem Geld geärgert. Die Hierarchien der Stammesgesellschaft kritisiert sie aber nicht. Und bei Fragen nach der fehlenden Medienfreiheit bittet sie um Geduld. Das Land verändere sich langsam, aber stetig. Manchmal geht es mit den Veränderungen auch zu schnell. Dem von Moza angeregten Zentrum für Medienfreiheit war kein Erfolg beschieden, und ihr Vorschlag, Englisch zur Hauptsprache an den Universitäten in Doha zu machen, wurde rückgängig gemacht.
Trotzdem scheint die Sheikha viel von Lobbyarbeit zu verstehen. An den Schalthebeln der Macht sitzt seit 2013 einer ihrer fünf Söhne. Und es gab Stimmen, die sie hinter der damit einhergehenden Absetzung des mächtigen Aussenministers Bin Jassim Al Thani vermuteten.
Seit Sohn Tamam bin Hamad Al Thani ihren Mann als Emir abgelöst hat, steht Sheikha Moza weniger im Vordergrund. Bemerkbar machen sich nun ihre zwei Töchter Al-Mayassa und Hind. Letztere ist Stellvertreterin ihrer Mutter. Al-Mayassa ist Chefin der nationalen Museumsbehörde und soll in vergangenen Jahren ein jährliches Kunstanschaffungsbudget von einer Milliarde US-Dollar gehabt haben. Offenbar scheint sie nun bereit für eine prominentere Rolle. Mustafa Nasar sagt, es sei augenfällig, wie präsent die ältere der beiden Töchter mittlerweile sei. Sie hatte zuletzt viele öffentliche Auftritte, und auch Einrichtungen wurden in ihrem Namen eingeweiht.
Sheikha Moza ist für viele junge Frauen in Katar Vorbild und so etwas wie eine Wegbereiterin. Gerade im Kreativbereich hat die Zahl der Unternehmerinnen in Katar laut Nasar in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Doch für mehr Frauenrechte hat sich die 63-Jährige nie ausgesprochen. War ihr das zu heikel? Man solle nicht bloss auf ein Segment der Gesellschaft schauen, sagte die siebenfache Mutter dazu ausweichend. «Wenn du Frauen unterrichten willst, musst du auch Männer unterrichten. Wenn Sie gebildete Männer haben, werden sie es ihren Frauen ermöglichen, gebildet zu werden.»
Mustafa Nasar von der Universität Basel ist vorsichtig optimistisch. Er verweist auf die vielen hochgebildeten Frauen mit internationalen Abschlüssen an den katarischen Universitäten. Wenn man sie im Land halten wolle und es Katar ernst sei mit der wirtschaftlichen Diversifizierung, dann sei es eigentlich zwingend, den Frauen irgendwann mehr Rechte und Unabhängigkeit zu bieten. «Aber», fügt er an, «ob es das Herrscherhaus letztlich macht, weiss niemand.»
Es ist also wie bei so vielem in Katar ungewiss, wohin die grosse Transformation führt und wo sie mit dem Machtanspruch der Al Thanis kollidiert. Klar ist: Der Businessplan, das Land durch milliardenschwere Investitionen in Bildung, Kunst und Sport so sichtbar wie möglich zu machen, war erfolgreich – auch dank Sheikha Moza.
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