Teuer und schlecht für BartträgerSetzt auch die Schweiz bald auf die Filtermaske?
Die meisten tragen beim Pendeln und Einkaufen eine Hygienemaske – diese hat jetzt in Bayern ausgedient. Doch was bringt die Pflicht zur FFP2-Maske – und kann sie Ladenschliessungen verhindern?
In Bayern müssen alle beim Pendeln und beim Einkaufen ab kommender Woche eine FFP2-Schutzmaske (auch Filtermaske genannt) tragen. Hipster und Stilbewusste, die bisher auf eine bunte Stoffmaske setzten, müssen noch einmal in die Tasche greifen. Und auch die Hygienemaske, die das Bild im öffentlichen Raum in der Schweiz dominiert, genügt etwa in München nicht mehr. Wer S-Bahnen, Busse und Trams benützt oder im Supermarkt einkaufen geht, muss auf die viel teurere Filtermaske umsteigen.
Den Schritt zur FFP2-Maskenpflicht in Bayern begründet die Regierung damit, dass die herkömmlichen Masken ihre Träger nicht ausreichend vor dem Coronavirus schützen. Angst davor, dass die Masken ausgehen, hat die bayerische Regierung nicht. Im Handel seien genügend FFP2-Masken verfügbar, sagte Ministerpräsident Markus Söder am Dienstag in München. Seit dem Sommer nach dem ersten Lockdown gibt es in Deutschland keine Engpässe mehr bei der Verfügbarkeit der FFP2-Masken. Dennoch spekulieren deutsche Medien wie etwa der «Spiegel», dass es zu einem Ansturm auf diese Schutzmasken kommen könnte. Alles über die FFP2-Pflicht in Bayern und ihre Vor- und Nachteile in sechs Fragen und Antworten.
Was ist eine FFP-Maske?
FFP steht für Filtering Face Piece, auf Deutsch etwa «filternder Gesichtsschutz». Im Gegensatz zur herkömmlichen Maske filtern FFP2- und FFP3-Masken die Atemluft. Dadurch werden Aerosole aufgefangen, die Coronaviren enthalten können. Die Träger von Atemschutzmasken sollen nicht nur andere vor einer Übertragung schützen, sondern auch selber geschützt sein. Damit ein vollständiger Schutz vor Viren gegeben ist, müssen die Schutzmasken richtig getragen werden.
Ist eine FFP2-Maskenpflicht sinnvoll?
«Es gibt ein Für und Wider», sagt Peter Wick, Leiter des Particles-Biology Interactions Lab an der Empa und Mitglied der Expertengruppe zur Prävention und Eindämmung der Schweizer Corona-Taskforce. «FFP2-Masken sind vor allem für Risikogruppen wertvoll, da sie einen höheren Schutz bieten, dürfen aber kein Ausatmungsventil enthalten, da sonst das Umfeld weiterhin kontaminiert wird.» Allerdings sei die Handhabung der Schutzmasken entscheidend dafür, ob sie ihre Schutzwirkung auch wirklich entfalten. Weil die Filtermasken niedrigeren Tragekomfort hätten, seien die Träger nach einer Weile dazu verleitet, sie zu verrutschen oder abzunehmen.
Eine weitere Problematik ist laut Wick, dass die Filtermasken gut sitzen müssen, damit sie die Wirkung der Hygienemasken auch wirklich übertreffen. «Nicht die Maske allein ist entscheidend, sondern das Verhalten. Wer eine FFP2-Maske im Arbeitsumfeld trägt, der sollte eine Ausbildung dazu haben, wie man sie richtig verwendet.»
Gibt es in der Schweiz auch bald eine FFP2-Maskenpflicht?
In der Schweiz ist ein Obligatorium für FFP2-Masken noch nicht spruchreif. Die Frage der Schutzmassnahmen werde das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuerst mit dem nationalen Zentrum für Infektionsprävention (Swissnoso) und der Taskforce diskutieren, sagt die Berner Kantonsärztin Linda Nartey auf Anfrage. Vor einem Entscheid müssten die wissenschaftlichen Grundlagen evaluiert werden.
Laut Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes bleiben die geltenden individuellen Schutzmassnahmen wirkungsvoll, also Hygienemaske, Hygienemassnahmen, Distanz und regelmässiges Lüften. Zudem sei es wichtig, Kontakte zu vermeiden und die Mobilität zu reduzieren.
Noch deutlicher äussert sich der Genfer Epidemiologe Antoine Flahault zu einer allfälligen Pflicht für FFP2-Masken. «Ich persönlich finde das keine gute Idee.» In mehreren randomisierten Studien habe man nicht beweisen können, dass FFP2-Masken besser schützten als die gängigen OP-Masken. «Sogar im Gesundheitsbereich nicht, wo das Personal weiss, wie man diese Masken trägt.» Das habe wohl damit zu tun, vermutet Flahault, dass es schwieriger sei, die FFP2-Masken richtig zu positionieren und zu tragen. «Sie sind auch weniger bequem, und man muss sie alle drei bis vier Stunden auswechseln.» Wenn man FFP2-Masken nicht ganz nach Vorschrift trage und wechsle, dann leide die Qualität.
Sind FFP-Masken wirklich sicherer?
FFP2-Masken sind dicker als Hygienemasken und filtern auch Kleinstpartikel. Patrick Mathys vom BAG äusserte jedoch Zweifel, ob FFP2-Masken zur Reduktion der Ansteckungen beitrügen. Wer zudem das Tragen der herkömmlichen Masken schon als unangenehm empfinde, werde dieses Gefühl bei den FFP2-Masken noch mehr haben. «Es gibt keine Erfahrungen, was das Tragen von FFP2-Masken der Bevölkerung bringt.»
Kein genügender Schutz für Männer mit Bart
Auch FFP2-Masken können Wick zufolge keinen absoluten Schutz gewährleisten. Verrutscht etwa die Maske im Gesicht, werde die Übertragung von Viren bestenfalls verzögert. Bei Bartträgern wird es laut Wick «kritisch». An den Rändern zwischen Wange und Maske könnte Luft zirkulieren. Weil das Atmen mit FFP-Masken schwerer fällt, zieht der Träger tendenziell mehr beim Einatmen, sodass die Gefahr noch erhöht wird.
Eine Variante der FFP-Masken weist ein Ventil auf, das das Atmen erleichtern soll. Von diesen Masken mit Ventil raten Experten ab. Denn ist der Träger infiziert, können sich durch das Ventil Viren verbreiten. Andere Personen sind also durch diese Masken nicht geschützt, weshalb sie Fachleute auch als «Egoistenmaske» bezeichnen.
Wie sieht die aktuelle Situation in der Schweiz aus?
Das Bundesamt für Gesundheit rät explizit davon ab, FFP2-Masken im Alltag zu tragen. Ob sich die Massnahme aus Bayern auch in der Schweiz anwenden liesse, kann Wick nicht beurteilen. Ebenso wenig, ob mit einer FFP2-Pflicht Ladenschliessungen verhindert werden könnten. «Wenn man beim Einkaufen eine Filtermaske trägt und dann im Privaten die Hygieneregeln wieder über Bord wirft, ist die Sicherheit nicht gewährleistet.»
Gibt es genügend FFP2-Masken?
Laut Patrick Mathys wäre für den Fall eines FFP2-Obligatoriums keine Mangelsituation wie im Frühling bei den Hygienemasken zu erwarten. Die Armee habe zurzeit 3,2 Millionen Stück an Lager, weitere 4 Millionen seien bestellt. Zudem seien die FFP2-Masken im Handel erhältlich, da sie schon lange bei Arbeiten eingesetzt würden, bei denen Staub entstehe.
In Deutschland wurde bereits am der Ankündigung durch die Regierung ein Ansturm auf Verkaufsstellen beobachtet. Demnach waren in vielen Geschäften die Schutzmasken schlagartig ausverkauft.
Wie teuer sind FFP2-Masken?
Während eine 50er-Packung mit gewöhnlichen Hygienemasken für knapp 10 Franken zu haben ist, kostet eine Packung mit drei FFP2-Masken etwa bei Migros und Coop momentan rund 15 Franken. Im Internet gibt es billigere Angebote, doch auch die günstigste FFP2-Maske kostet pro Stück mindestens viermal mehr als eine Hygienemaske.
Deutsche Medien warnen beim Kauf von FFP2-Masken vor Fälschungen. Der Aufdruck eines CE-Kennzeichens sei noch kein Beleg dafür, dass eine Prüfung nach EU-Norm erfolgt sei, schreibt der «Spiegel». Denn offenbar seien auch Masken mit gefälschtem CE-Kennzeichen auf dem Markt. Wer die dazu aufgedruckte Prüfnummer prüfen will, muss über eine Internetsuche herausfinden, woher das Prüfzertifikat stammt.
Lesen Sie auch unsere grosse Übersicht: Welche Masken schützen und wie man sie richtig trägt
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