Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Neues Gesetz in Bosnien-Herzegowina
Den Genozid von Srebrenica zu leugnen, wird künftig strafbar

Erinnerung an das Massaker vom Juli 1995: Eine trauernde Frau auf dem Gräberfeld in Potocari bei Srebrenica.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina hat die Aufgabe, das hochkomplexe und brüchige Staatsgebilde im einstigen Kriegsgebiet zusammenzuhalten und zu einem funktionierenden Staat auszubauen. Das ganze Projekt, im Friedensvertrag von Dayton 1995 beschlossen, war in den vergangenen Jahren stark ins Stocken geraten.

Der sogenannte Lenkungsausschuss des Friedensimplementierungsrates für Bosnien-Herzegowina, der den Hohen Repräsentanten bestimmt, gibt ihm zugleich auch die politische Linie vor. Und die war zuletzt zunehmend weicher geraten. Die Wortführer im Lenkungsausschuss, darunter die USA und Russland, Deutschland und die EU, hatten zuletzt auf immer weniger aktive Einmischung gesetzt.

Die Leugnung des Genozids in Srebrenica soll mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

Von den Bonner Vollmachten, die es dem Hohen Repräsentanten erlauben, Gesetze zu erlassen und politische Amtsträger abzusetzen, hat dieser elf Jahre lang keinen Gebrauch gemacht. Kurz vor Ende seiner Amtszeit hat Valentin Inzko es nun doch getan – und damit erwartungsgemäss massiven Ärger hervorgerufen.

Der Österreicher Inzko erliess ein Gesetz, das die Leugnung des Völkermordes von Srebrenica (1995) künftig unter Strafe stellt. Er sei «zutiefst besorgt», sagte Inzko, «dass namhafte Individuen und öffentliche Behörden in Bosnien-Herzegowina weiterhin bestreiten, dass während des damaligen bewaffneten Konflikts Akte des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen worden sind».

Die einfache Leugnung des Genozids, den das zuständige UNO-Kriegsverbrechertribunal schon 2001 zweifelsfrei als solchen eingestuft hat, wird demnach mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Handelt es sich beim Täter um einen Amtsträger, kann das Strafmass verdoppelt werden. Auch wer verurteilten Kriegsverbrechern Ehrungen erweist, etwa indem er öffentliche Orte nach ihnen benennt, soll künftig belangt werden.

«Zutiefst besorgt»: Valentin Inzko, abtretender Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina.

Das Gesetz ist zwar neutral formuliert, aber es lässt sich schwer verbergen, durch wessen Verhalten es zumindest inspiriert worden ist. Milorad Dodik, serbisches Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina, verbreitet seit Jahren immer wieder seine Position, dass es sich bei dem Massaker von Srebrenica, wo im Juli 1995 serbische Einheiten nahezu alle männlichen Muslime des Ortes töteten, keineswegs um einen Völkermord gehandelt habe. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Ratko Mladic muss definitiv lebenslang ins Gefängnis».)

Auch hat Dodik immer wieder gefordert, das Amt des Hohen Repräsentanten abzuschaffen, und mit dem Inhaber dieses Amtes hat er sich sehr persönliche Fehden geliefert. Vor dem UNO-Sicherheitsrat beschimpfte er Inzko im November 2020 unter anderem als «Lügner» und als «Monster».

Serbenführer Dodik findet Gesetz nicht legitim

Inzko hatte in Berichten an die UNO-Führung immer wieder vorgetragen, wie der Serbenführer Dodik ein friedliches Zusammenwachsen Bosnien-Herzegowinas zu einem funktionsfähigen Staat unterminiere. So hat Dodik mehrmals öffentlich über eine «friedliche Auflösung» des Landes sinniert und mit einer Vereinigung des serbischen Landesteils, der seinerzeit aus dem Krieg und den damit verbundenen ethnischen Säuberungen hervorgegangen ist, mit Serbien geliebäugelt. (Lesen Sie zum Thema das Interview mit Valentin Inzko: «Die Leute laufen von hier weg».)

Die Reaktion Dodiks und anderer führender serbischer Politiker auf Inzkos neues Gesetz war denn auch weitgehend abzusehen. Unmittelbar nach dessen Erlass erklärte er, der Hohe Repräsentant habe «keine Legitimität». Und er brachte eine Petition auf den Weg, die er dann auch gleich als Erster unterzeichnete: Es habe kein Genozid stattgefunden, heisst es darin, und man protestiere gegen das «aufgezwungene» Gesetz.

Nedeljko Cubrilovic, Sprecher des Parlaments der serbischen Teilrepublik, kündigte an, dass die politischen Vertreter des Landesteils die Arbeit der gemeinsamen staatlichen Institutionen boykottieren würden – so lange, bis das neue Gesetz widerrufen werde. Und der Vorsitzende der Serbischen Demokratischen Partei, Mirko Sarovic, sagte: «Wir werden nie wieder irgendeine Entscheidung des Hohen Repräsentanten akzeptieren.»