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Zu viele Präsenzstunden
Seklehrer fordert weniger Schulstunden. Seine Chancen stehen gut

Die Sekundarschule Steinacher probt den Schulalltag ohne Strom. Es wird der totale Shut-Down simuliert. SchülerInnen und LehrerInnen wissen von nichts, 19. Dezember 2023. Foto: Moritz Hager/Tamedia AG
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In Kürze:
  • GLP-Kantonsrat und Sekundarlehrer Christoph Ziegler will die Pflichtlektionen in der Volksschule um 5 Prozent reduzieren.
  • Dieser Schritt soll Stress abbauen und den Lehrpersonenmangel lindern.
  • Welche Fächer vom Abbau betroffen sein könnten, ist noch nicht klar.
  • Die Parteien im Kantonsrat zeigen Sympathie für das Anliegen.

Psychische Probleme in der Schule nehmen in jüngster Zeit stark zu, nicht nur bei den Kindern. Wegen der hohen Belastung fehlen Lehrpersonen und Schulleitende. Im Kanton Zürich stehen unterdessen schon über 500 Personen ohne Lehrdiplom vor den Klassen. Und auch in den Schulpflegen herrscht ein Kommen und Gehen, weil der Job vielen zu stressig ist.

Nun will GLP-Kantonsrat und Sekundarlehrer Christoph Ziegler die Probleme grundsätzlich anpacken. In einer Motion verlangt er, die Zahl der Pflichtlektionen in der Volksschule um 5 Prozent zu senken. Das entspricht nach seinen Vorstellungen einer bis zwei Lektionen auf der Primarstufe und zwei Lektionen in der Sekundarschule. Im Kindergarten soll es keine Änderungen geben.

Für Ziegler ist dieser Abbau vertretbar, weil Kinder und Jugendlichen im Kanton Zürich überdurchschnittlich viel Zeit in der Schule verbringen, vor allem die Älteren.

Ein Vergleich der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) zeigt, dass die Sekschülerinnen und -schüler in der Deutschschweiz nur in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Solothurn noch länger in der Schule sitzen.

Mit Abstand am wenigsten Schulpräsenzzeit haben die Jugendlichen im Wallis, aber auch in Luzern, Basel und im Aargau ist sie rund 10 Prozent geringer als im Kanton Zürich. Würde die Lektionenzahl wie gefordert gekürzt, läge sie in Zürich neu ziemlich genau beim Durchschnittswert aller Kantone.

Zu wenig unverplante Zeit

Als langjähriger Sekundarlehrer hat auch Christoph Ziegler in den letzten Jahren eine massive Zunahme von psychischen Problemen festgestellt, vor allem bei den Mädchen: «Immer häufiger bleiben sie dem Unterricht fern.»

Er führt dies unter anderem auf die zunehmende Belastung zurück. Heute sei das Leben der Jugendlichen verplanter als früher. Zeit für das freie Spiel – etwa am Mittwochnachmittag – werde immer rarer. Viele Jugendliche wüssten heute kaum mehr, was sie mit unverplanter Zeit anfangen sollten. «Darum müssen wir im System Schule Luft ablassen», sagt Ziegler.

Seinen Vorschlag bezeichnet er als moderat, Blockzeiten würden dadurch nicht angetastet, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie werde nicht erschwert. Die Reduktion von Lektionen wirke zudem gegen den Lehrpersonenmangel und sei kostendämpfend.

Kein Geld aus der Schule abziehen

Die frei werdenden Mittel will Ziegler der Schule aber nicht wegnehmen, sondern anders investieren. So sollen etwa Lehrpersonen mehr Zeit für die Klassenführung und die Vorbereitung ihrer Lektionen bekommen.

Diesbezüglich plant der Regierungsrat bereits die Anpassung des sogenannten Berufsauftrags für die Lehrpersonen. Mit der Reduktion der Pflichtlektionen werde vor allem für die Klassenlehrpersonen eine spürbare Entlastung kostenneutral möglich sein, ist Ziegler überzeugt.

Mehrheit im Kantonsrat scheint möglich

Die Chancen seines Vorstosses sind im Kantonsrat gut. Mitunterzeichnet haben ihn die Freisinnigen und die EVP. Aber auch in den anderen Parteien geniesst er Sympathien.

Für SVP-Kantonsrat und Bildungspolitiker Rochus Burtscher tönt Zieglers Vorschlag «nicht schlecht». Man habe aber in der SVP-Fraktion noch nicht darüber diskutiert. Die heikelste Frage werde sein, in welchen Fächern gekürzt werde. Am ehesten sieht Burtscher bei den Fremdsprachen Potenzial, und auf keinen Fall dürfe es in der Mathematik sein.

Die Grünen sind von Ziegler angefragt worden, ob sie den Vorstoss mitunterzeichnen wollten. Laut Karin Fehr, die auch Präsidentin der Bildungskommission im Kantonsrat ist, haben die Grünen darauf verzichtet. «Wir haben aber sehr kontrovers darüber diskutiert», und es sei gut möglich, dass die grüne Fraktion Stimmfreigabe beschliesse.

Schule: Unterricht in einer 6. Klasse in Wipkingen
Schulhaus Weidhalde 
Zürich, 31.1.2024

Fehr selber ist eher dagegen, da es in der Kompetenz des Bildungsrates liege, die Fächer und die Lektionenzahl festzulegen. Aber auch inhaltlich hat sie Vorbehalte.

So seien in den letzten Jahren neue Fächer wie «Medien und Informatik» oder «Berufliche Orientierung» dazugekommen. «Es ist ein Widerspruch, wenn wir jetzt die Unterrichtszeit kürzen.» Es sei auch nicht erwiesen, dass die relativ lange Präsenzzeit in der Schule bei den Jugendlichen Stress verursache. Dafür sei hauptsächlich der zunehmende Leistungsdruck verantwortlich, sagt Fehr.

Die SP hat Verständnis für Zieglers Vorstoss, wie Bildungspolitikerin Carmen Marty Fässler schriftlich mitteilt. Allerdings haben die Sozialdemokraten ähnliche Vorbehalte wie die Grünen. Einen Entscheid zur Lektionenkürzung haben sie noch nicht gefällt.

Lehrerschaft ist einverstanden

Zur heiklen Frage, wo gekürzt werden soll, will sich Ziegler nicht äussern. Er habe aber Kontakt mit den Lehrpersonenverbänden gehabt. Diese seien bereit, gemeinsam mit dem Bildungsrat Vorschläge dazu zu erarbeiten, sofern die Motion im Kantonsrat überwiesen werde.

Dies bestätigt auf Anfrage Seklehrer Daniel Kachel, Vizepräsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (ZLV). Er befürwortet den Lektionenabbau in der Schule, dieser sei insbesondere in der Sekundarlehrerschaft gewünscht, das habe eine Abstimmung an der letzten Delegiertenversammlung der Organisation SekZH gezeigt.

Kachel hat auch «vage Ideen», wie der Abbau umgesetzt werden könnte. Demnach könnten Fächer zu Fächergruppen zusammengelegt werden. So sei es womöglich einfacher, zu kürzen. Im Schulalltag ist es laut Kachel schon heute so, dass Lehrpersonen im Unterricht Inhalte aus unterschiedlichen Fächern zusammenlegen.

Zieglers Vorstoss dürfte im nächsten Jahr im Kantonsrat diskutiert werden. Wenn er umgesetzt wird, dürfte es noch einige Jahre mehr dauern.