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Zürich überarbeitet den Berufsauftrag
Mehr Geld für Schulleitungen, etwas mehr Zeit für Lehrpersonen

Elgg ZH 19.11.2010 / Im Schulzimmer von Lehrer Heinz Moser hängt eine  Elektronische Wandtafel in der Primarschulanlage Im See .   
Bild: Heinz Diener  VERWENDET 24.11.2010
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Die Forderungen aus der Lehrerschaft sind alt und heftig. Schon vor sieben Jahren, als die Jahresarbeitszeit der Zürcher Lehrpersonen in einem Berufsauftrag festgelegt wurde, war der Aufschrei gross gewesen. Die Zeit, die der Kanton für das Vorbereiten des Unterrichts und das Führen einer Klasse zur Verfügung stellte, genügte den Lehrpersonen bei weitem nicht.

Der Widerstand hat sich in den letzten Monaten noch akzentuiert, vor einigen Wochen sind in Zürich an einer Bildungsdemo Tausende Lehrerinnen und Lehrer auf die Strasse gegangen.

Hauptforderung aus der Lehrerschaft abgelehnt

Am Dienstagmorgen hat Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) reagiert. Sie stellte die Massnahmen vor, mit denen der Regierungsrat die Lehrpersonen entlasten will.

Auf die am meisten gewünschte Forderung der Lehrerschaft – mehr Zeit fürs Unterrichten – ging der Regierungsrat aus Kostengründen nicht ein. Steiner begründete dies so: «Unsere Massnahmen müssen politisch mehrheitsfähig und finanzierbar sein.»

Wichtig sei ihr, so Steiner weiter, dass die Schulleitungen eine möglichst grosse Flexibilität bei der Führung ihrer Schule bekämen.

Verzichtet hat der Regierungsrat auf die ursprüngliche Forderung, dass die Lehrpersonen ihre Dienstaltersgeschenke nur noch in den Schulferien beziehen dürfen. Dies soll wie bisher während der Unterrichtszeit möglich bleiben.

Die Massnahmen im Detail

  • Eine Klassenlehrperson erhält fürs Führen der Klasse pauschal neu mindestens 120 statt 100 Arbeitsstunden. Die Lehrpersonengewerkschaften hatten 250 Stunden gefordert. Sie sollen für administrative Arbeiten, wie das Ausstellen der Zeugnisse, das Vorbereiten von Klassenlagern oder Elterngespräche aufgewendet werden. Falls nötig, kann eine Schulleitung einer Klassenlehrperson die Pauschale erhöhen. Diese Entlastung will der Regierungsrat schrittweise gewähren.

  • Die Erfassung der Arbeitszeit soll nicht mehr obligatorisch sein, sondern freiwillig werden. Das soll die Lehrpersonen administrativ entlasten. 

  • Die Schulleiterinnen und Schulleiter erhalten 30 Prozent mehr Ressourcen und mehr Lohn. Neu werden sie in der Lohnklasse 22 statt 21 entschädigt. Der Maximallohn beträgt 192’000 Franken pro Jahr, was rund 13’000 Franken mehr wären als heute.

  • Das Mindestpensum fürs Lehrpersonal wird von 35 auf 40 Prozent angehoben. Damit soll hauptsächlich der Lehrpersonenmangel bekämpft, aber auch der Aufwand für Kooperationen gesenkt werden.

  • Ursprünglich waren im Entlastungspaket für jede Lektion im Wochenstundenplan 60 statt 58 Arbeitsstunden vorgesehen. Diese Massnahme haben Silvia Steiner und der Regierungsrat mehrheitlich zurückgenommen und stellen sie nur noch den Junglehrpersonen zur Verfügung. Diese erhalten pro Lektion neu 61 Arbeitsstunden (heute 59,5 Stunden). Eine Lektion dauert 45 Minuten und muss pro Jahr in jeder der 39 Schulwochen gehalten werden. Das sind knapp 30 Stunden reine Unterrichtszeit. Für Junglehrpersonen gibts für Vor- und Nachbereitung und fürs Korrigieren also neu 31 Arbeitsstunden, für alle anderen wie bisher 28 Stunden.

Mehrkosten von 67 Millionen Franken

Das regierungsrätliche Massnahmenpaket ist das Resultat einer breiten Vernehmlassung bei Betroffenen, Verbänden und Parteien. Es wird Mehrkosten von 67 Millionen Franken verursachen. 13 Millionen fallen beim Kanton, der Rest bei den Gemeinden an.

Knapp die Hälfte kommt den Schulleitungen zugute. Die zusätzlichen Ressourcen kosten 24 Millionen, die Erhöhung der Löhne 12 Millionen Franken.

«Schlag ins Gesicht» für Lehrpersonen

Der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV) spricht in einer Mitteilung von einem absolut ungenügenden Angebot. «Das ist ein Schlag ins Gesicht der Lehrpersonen, die alle regelmässig Überstunden leisten», heisst es in einem ZLV-Communiqué. Symptomatisch sei, dass die Ressourcen für die Lehrpersonen praktisch nicht erhöht würden, jene für die Schulleitenden hingegen schon.

Im Kampf gegen den Lehrpersonenmangel erweise sich der Regierungsrat einen Bärendienst, schreibt der ZLV weiter. Das zeige auch ein Blick aufs Stellenportal für Lehrpersonen. Am Montag waren dort laut Angaben des ZLV auf Anfang Schuljahr 2024/2025 noch immer 50 Stellen für Klassenlehrpersonen offen.

Die Gewerkschaft VPOD zeigt sich sogar schockiert. «Als Klassenlehrerin fühle ich mich von dieser minimalen Anpassung verhöhnt», schreibt die Präsidentin der Sektion Lehrberufe, Sophie Blaser, in einer Mitteilung.

Der Verband der Zürcher Schulpräsidien hätte sich laut einer Mitteilung ebenfalls mehr Entlastung für Lehrpersonen gewünscht und spricht von einer zahnlosen Vorlage.

Vollauf zufrieden mit dem Vorschlag des Regierungsrates ist der Verband der Zürcher Schulleiterinnen und Schulleiter.

FDP verlangt Kompensation

Unzufrieden sind die linken Parteien im Kantonsrat. Die SP schreibt von einer verpassten Chance, die Lehrpersonen wirksam zu entlasten, die Grünen von einem zögerlichen Vorgehen der Regierung. Nach Vorstellungen der SP wären 62 statt 58 Arbeitsstunden pro Wochenlektion nötig gewesen. Zusammen mit den Grünen fordern sie eine Pauschale von 200 Stunden für Klassenlehrpersonen. Begrüsst werden die Massnahmen für die Schulleitungen und die administrative Entlastung der Lehrerschaft.

Mit gemischten Gefühlen reagiert die FDP. Sie stört sich an den zusätzlichen Ressourcen für die Schulleitungen und fürchtet, dass die Lehrpersonen dadurch mit noch mehr Projekten und Büroarbeit eingedeckt werden. Die Freisinnigen fordern den Regierungsrat auf, die Mehrkosten von 67 Millionen Franken anderweitig einzusparen.

Das Massnahmenpaket wird nun vom Kantonsrat definitiv festgelegt. Möglich ist, dass es dazu noch eine Volksabstimmung gibt.