Menschenrechtspreis für US-SportstarSein Kampf gegen Autokraten kostet ihn wohl die Karriere
Der in der Schweiz geborene US-Basketballer Enes Kanter Freedom schmäht auf Twitter Erdogan und Xi Jinping. In der NBA wurde er deshalb fallen gelassen. Jetzt hat er in Genf einen Preis erhalten.
Im Genfer Konferenzzentrum überragt er alle: Enes Freedom, geboren in Zürich als Enes Kanter, ist 2 Meter und 11 Zentimeter gross – eine Voraussetzung für seine blendende Karriere in der US-Basketballliga NBA. Vor mehreren Hundert Jugendlichen spricht er am «Summit for Human Rights and Democracy» über sein Engagement und erhält dafür einen Anerkennungspreis.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Allerdings steht der 29-jährige Sportler jetzt ohne Club da. Denn Freedom nutzte seinen Starstatus als Center-Spieler der Boston Celtics als Plattform, um sich gegen Autokraten und für Menschenrechte auszusprechen, und zwar deutlich. Davon zeugen Hunderte von Tweets, darunter jener, in dem er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als «Hitler unserer Zeit» bezeichnete.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die Folge: NBA-Spiele mit den Celtics wurden in der Türkei und später, als er sich offen gegen Xi Jinping aussprach, in China nicht mehr ausgestrahlt. Das bedeutete Millioneneinbussen für die Liga und die Clubs. Kanter wurde fallen gelassen wie die sprichwörtliche heisse Kartoffel.
«Es gibt Wichtigeres im Leben als Basketball», sagt Freedom beim Gespräch in einem winzigen Sitzungszimmer des Genfer Konferenzzentrums. Dabei hat er fast sein ganzes Leben dem Sport gewidmet: Als er neun Monate alt war, zog seine Familie zurück in die Heimat in der östlichen Türkei, wo sein Vater als Hochschulprofessor arbeitete. Enes wurde da früh als Basketballtalent entdeckt und gefördert. Er spielte bei türkischen Vereinen und in der Nationalmannschaft, bis er 2009 in die USA zog.
Als Erdogan 2013 in einen Korruptionsskandal verwickelt wurde, protestierte Kanter auf Twitter gegen den Präsidenten. «Das war das erste Mal, dass ich mich politisch äusserte – und ich erlebte die Macht eines einzelnen Tweets», sagt er. Seither spricht er sich fast täglich in Tweets gegen Erdogan, Diktatur und Menschenrechtsverletzungen aus.
Todesdrohungen aus Ankara
Das brachte nicht nur Kanter, sondern auch seine Familie in der Türkei in Schwierigkeiten. Sein Vater wurde verhaftet. Die Eltern sahen sich gezwungen, sich öffentlich von Enes loszusagen und sich für seine Tweets zu entschuldigen. «Ich habe meine Familie seit Jahren nicht mehr gesehen», sagt er.
Kanter selbst wurde öffentlich mit dem Tod bedroht, sein Pass wurde ihm entzogen, und nur mit Glück schaffte er es zurück in die Vereinigten Staaten. Seit 2021 ist er US-Bürger. Bei der Gelegenheit legte er sich den Beinamen Freedom zu.
In einem Basketball-Jugendlager sagte ein Vater zu ihm, wie er sich denn als Menschenrechtsaktivist bezeichnen könne, wenn seine muslimischen Brüder und Schwestern jeden Tag in chinesischen Konzentrationslagern in China gefoltert und vergewaltigt würden. «Ich war schockiert», sagt Kanter, «ich versprach ihm, mich mit der Situation in Xinjiang auseinanderzusetzen.»
Seither setzt Kanter seine Plattform auch gegen die chinesische Autokratie ein. Für die NBA war das zu viel. Kanter, der in Spitzenzeiten umgerechnet 17 Millionen Franken pro Jahr verdiente, ist für die Clubs toxisch geworden. «Für mich ist jetzt anderes wichtiger», sagt er, «Freiheit, Demokratie, Menschenrechte.»
Spielen möchte er dennoch wieder: «Ich bin 29, realistischerweise hätte ich noch ein paar gute Jahre auf dem Spielfeld vor mir.» Vorerst aber ist Twitter sein Spielfeld. Und Menschenrechtskonferenzen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.