Ozean-Konferenz der UnoSechs Probleme im Meer und wie man sie lösen könnte
Überfischung, Vermüllung, Klimawandel: Die Ozeane leiden unter menschlichen Aktivitäten. Gesetze könnten helfen – aber auch Wissenschaft, Technologie und guter Wille.
Bis zum Jahr 2030 sollen die Ozeane der Welt besser geschützt sein. Statt sie rücksichtslos auszubeuten, sollen die Meere so genutzt werden, dass sie sich immer wieder regenerieren können und so intakt bleiben. Das haben sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in der sogenannten Agenda 2030 vorgenommen. Die UN-Ozeankonferenz, die letzte Woche in Lissabon stattfand, soll dieses Ziel ein Stückchen näher rücken. Eine gewaltige Herausforderung, denn die Meere sind durch viele verschiedene Gefahren bedroht. Eine Auswahl.
Überfischung
Die Fischereiflotten ziehen weltweit mehr Fische aus den Ozeanen als natürlicherweise nachwachsen. Oft kommen dabei umweltschädliche Methoden wie Grundschleppnetze zum Einsatz, die den Meeresboden zerstören und in denen extrem viel Beifang hängen bleibt. Mehr als 34 Prozent der weltweiten Fischbestände sind mittlerweile überfischt. Das geht aus dem aktuellen Fischerei-Bericht der Welternährungsorganisation hervor, der gerade auf der Ozeankonferenz in Lissabon vorgestellt wurde.
Damit hat die Überfischung der Weltmeere einen neuen Rekordwert erreicht. Weitere 60 Prozent der Fischbestände befinden sich am Limit, das heisst, es werden ungefähr genauso viele Fische gefangen wie nachwachsen. Jede Steigerung hätte also eine Abnahme und schliesslich das Verschwinden dieser Fische zur Folge.
«Die Fischerei gilt als grösster Treiber des Artenschwunds in den Meeren.»
Dazu kommt die illegale Fischerei, die nach Schätzungen zusätzlich bis zu 26 Millionen Tonnen Fisch pro Jahr aus den Meeren zieht. Das entspricht etwa 30 Prozent des jährlichen legalen Fischfangs. «Die Fischerei gilt als grösster Treiber des Artenschwunds in den Meeren», sagt Heike Vesper, die als Meeresschutzexpertin der Umweltschutzorganisation WWF an der Konferenz in Lissabon teilnahm.
Das könnte man dagegen tun: Wirksam wären Fangquoten, die den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen. Zerstörerische Fischereipraktiken wie Grundschleppnetze sollten verboten werden. Und natürlich müsste man die Einhaltung dieser Regeln streng überwachen. Fischen in Schutzgebieten, was unter anderem auch in Deutschland erlaubt ist, sollte nicht mehr möglich sein, damit die Tiere dort einen Rückzugsraum haben, um sich zu erholen und sich fortzupflanzen.
Klimawandel
Der Klimawandel macht die Ozeane nicht nur wärmer, sondern auch saurer. Das Treibhausgas CO₂ löst sich nämlich im Wasser. Das ist einerseits positiv, weil die Meere dadurch der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen und den Klimawandel verlangsamen. Andererseits entsteht Kohlensäure, und das Meerwasser wird saurer, der pH-Wert sinkt. Momentan beträgt er 8,1. Prognosen sagen voraus, dass er bis zum Jahr 2100 auf 7,7 abfallen wird.
Das scheint nur eine geringe Veränderung zu sein. Viele Tiere können damit aber nicht umgehen. Sie werden aufhören, sich zu vermehren, und irgendwann aussterben. Besonders schädlich ist die Versauerung für Muscheln, Meeresschnecken und andere Lebewesen mit Schalen aus Kalk, der sich in einem sauren Milieu auflöst oder zumindest löchrig wird.
Die Meere entziehen der Atmosphäre aber nicht nur CO₂, sondern auch überschüssige Wärme. Zwischen 1900 und 2008 stieg die Meeresoberflächentemperatur weltweit im Durchschnitt um 0,62 Grad Celsius, in einigen Gegenden sogar um bis zu 2,1 Grad. Für viele Unterwasserorganismen ist das ein grosses Problem, zum Beispiel für Korallen. Die Nesseltiere stossen bei hohen Temperaturen photosynthetisch aktive Einzeller ab, die sie in ihrem Inneren beherbergen und die sie mit Nährstoffen versorgen. Die Korallen bleichen aus und verhungern schliesslich.
Fische und andere Tiere, die der Hitze ausweichen können, verlagern ihren Lebensraum in kühlere Gebiete oder näher zu den Polen. Viele Arten ziehen aufgrund der höheren Wassertemperaturen in Küstennähe weit hinaus aufs Meer oder flüchten in tiefere, kühlere Wasserschichten. Das hat schon jetzt negative Auswirkungen vor allem für Fischer, die in ihren küstennahen Revieren nichts mehr fangen.
Das könnte man dagegen tun: Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad. Schon bei diesem Wert sterben wahrscheinlich etwa 70 Prozent der Korallen ab. Bei zwei Grad verschwinden vermutlich fast alle.
Plastikmüll
Jede Sekunde landet so viel Plastik im Meer, wie ein Müllwagen transportieren kann. Eine tödliche Falle für Tiere, die sich darin verheddern und oder es mit Nahrung verwechseln und dann mit plastikvollem Magen verhungern. Ein Teil des Kunststoffs sammelt sich in fünf grossen Müllstrudeln in den Ozeanen. Ein oft unterschätztes Problem ist Mikroplastik, winzige, mit blossem Auge nicht mehr zu erkennende Plastikteilchen, die entstehen, wenn grössere Teile zersetzt werden.
«Mikroplastik wird vom Plankton aufgenommen, der wiederum von vielen anderen Tiere gefressen wird», sagt Heike Vesper. «Das Mikroplastik lagert sich im Körpergewebe der Meeresorganismen ab und reichert sich in der Nahrungskette an.» An den winzigen Teilchen heften sich zudem Schadstoffe an, sodass auch die Konzentration schädlicher Substanzen in den Körpern von Meerestieren ansteigt. Diese werden später oft auch von Menschen gegessen.
Das könnte man dagegen tun: In Küstennähe und Flussmündungen gelingt es manchmal, grössere Plastikteile wieder aus dem Meer zu entfernen. Noch wichtiger ist aber, dass das von den Vereinten Nationen geplante Plastikabkommen tatsächlich wie angestrebt im Jahr 2024 in Kraft tritt. Es sieht unter anderem vor, dass weniger Plastik produziert wird und dass die Produzenten einen finanziellen Beitrag zum Recycling ihrer Produkte leisten müssen. «Wichtig wäre, dass die Vorgaben, so wie bis jetzt vorgesehen, auch tatsächlich verbindlich sind», sagt Vesper.
Überdüngung
Phosphor und Stickstoff aus Düngemitteln, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, werden auch ins Meer geschwemmt. Über die Luft kommt Stickstoff aus dem Verkehr, von Heizungen und von Industrieanlagen hinzu. Auch im Meer wirken diese Substanzen als Dünger für Pflanzen – mit fatalen Folgen: Algen überwuchern zum Beispiel artenreiche Seegraswiesen und Braunalgenwälder. Die verdrängten Pflanzen sterben ab, weil ihnen Sonnenlicht fehlt. Auch Cyanobakterien vermehren sich oft massenhaft, wenn das Meer auf diese Weise «gedüngt» wird. All diese Algen und Bakterien sinken nach dem Absterben auf den Meeresgrund, wo sie von Mikroorganismen zersetzt werden. Dabei wird soviel Sauerstoff verbraucht, dass auf dem Meeresgrund riesige «Todeszonen» entstehen, in denen es keinen Sauerstoff mehr gibt.
Das könnte man dagegen tun: Extensive Landwirtschaft fördern, in der weniger oder gar kein Dünger eingesetzt wird.
Rohstoffabbau
Neben Öl und Gas werden aus den Weltmeeren auch grosse Mengen Kies und Sand abgebaut, meistens für die Produktion von Zement. Dabei wird der Meeresboden abgetragen, was natürlich den Lebensraum zerstört. Oft wird auch die Umgebung geschädigt, etwa, wenn überschüssiges Material zurück ins Meer gekippt wird und etwa Steinriffe verschüttet werden.
Auf Hoher See, wo in der Tiefe der Ozeane Mangan und andere Bodenschätze lagern, darf bis jetzt noch nichts abgebaut werden. Das liegt daran, dass die Hohe See rein rechtlich niemandem, oder genauer gesagt der gesamten Menschheit gehört. Doch das könnte sich bald ändern. «Schon lange wird darüber diskutiert, wie eine Nutzung geregelt werden könnte», sagt Vesper. Viele Länder haben bereits «Claims» auf dem Meeresgrund abgesteckt, um starten zu können, sobald es erlaubt ist.
Das könnte man dagegen tun: Zumindest in Schutzgebieten sollte der Abbau von Rohstoffen verboten sein – bisher ist das erstaunlicherweise nicht immer der Fall. Anderswo müsste strenger als jetzt darauf geachtet werden, dass möglichst umweltverträglich gearbeitet wird, etwa indem genau festgelegt wird, wie viel gefördert werden darf. In der Tiefsee sollte der Abbau weiter verboten bleiben. «Eine nachhaltige Nutzung ist dort nach neuen Erkenntnissen nicht möglich», sagt Vesper.
Lärmbelastung
Nicht nur an Land, auch unter Wasser veranstaltet der Mensch einen Riesenlärm: Ölfirmen suchen mithilfe von Schallkanonen nach Erdöl im Boden. Militärische Sonaranlagen beschallen das Wasser kilometerweit. Industrieanlagen und Schiffe verlärmen die Meere zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das stört unter anderem die Kommunikation der Meerestiere. Paarungspartner können sich nicht mehr finden, weil ihre Rufe im allgemeinen Getöse untergehen. «Bei Walen gehen manchmal Kälber verloren, weil Mutter und Kind sich nicht mehr hören können», sagt Vesper. Wahrscheinlich wird auch die Orientierung vieler Unterwassertiere gestört.
Das könnte man dagegen tun: Inzwischen gibt es viele Technologien, um die Lärmbelastung in den Meeren zu reduzieren. Blasenschleier etwa, die den Lärm dämpfen, der beim Bau von Ölplattformen oder Offshore-Windenergieanlagen entsteht. Oder schwimmende Plattformen, für die keine lauten Rammarbeiten erforderlich sind. Aus Kostengründen werden sie aber oft nicht eingesetzt. Für Schiffe sollte es Geschwindigkeitsbegrenzungen geben, denn langsam fahrende Frachter machen deutlich weniger Lärm. Zudem müssten die Schiffsrouten überarbeitet werden, so dass etwa besonders artenreiche Stellen umfahren werden.
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