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«Killers of the Flower Moon»
Leonardo DiCaprio kriegt den Hintern versohlt

Bis dass der Tod euch scheidet – dieses Gelübde bekommt bei diesem Paar eine ganz besondere Bedeutung. Lily Gladstone und Leonardo DiCaprio in «Killers of the Flower Moon».
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Allein für die Szene, in der Robert De Niro dem Kollegen Leonardo DiCaprio wie einem kleinen Lausebengel mit einem grossen Paddel den Popo verdrischt, weil er recht unartig war, müsste bei den Oscars eigentlich ein eigener Preis eingeführt werden. Aber der Reihe nach. Denn eine Komödie ist dieser Film nur an wenigen Stellen.

«Killers of the Flower Moon» basiert auf dem Besteller «Das Verbrechen» von David Grann. Es handelt sich um ein Sachbuch, wobei die moderne Verlagssprache natürlich keine schnöden Sachbücher mehr kennt, sondern «True-Crime-Thriller». David Grann arbeitet darin meisterlich eine perverse Mordserie im Oklahoma der 1920er-Jahre auf, die zu den Ursünden im Gründungsmythos der modernen Vereinigten Staaten zählt.

Die Ureinwohner Oklahomas vom Stamm der Osage wurden kurz nach der Jahrhundertwende unfassbar reich. Das karge Land, das ihnen von den Weissen als Reservat zugewiesen worden war, brachte unglaubliche Mengen an Erdöl hervor. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen galten die Osage für ein paar Jahre als wohlhabendstes Volk der Welt. Die New Yorker Zeitung «Outlook» kommentierte damals: «Sieh da! Statt zu verhungern, erfreut sich der Indianer eines regelmässigen Einkommens, das selbst Bankiers vor Neid erblassen lässt.»

Die weissen Siedler wären ihrem Ruf als gnadenlose Rassisten und Ausbeuter aber nicht gerecht geworden, wenn sie nicht Wege gefunden hätten, den Osage ihr Geld wieder wegzunehmen. Unterdrückung, Erpressung und auch Mord waren die üblichen Mittel der Wahl. Besonders Letzteres lohnte sich, wenn zum Beispiel ein Weisser eine Osage heiratete und diese starb – dann gingen ihre Besitzrechte an den Gatten über. Nur zu diesem Zweck sollen Ehen gestiftet und Frauen ermordet worden sein.

Robert De Niro und DiCaprio sind wunderbar als Odd Couple der Finsternis.

Analog zu Granns Buch spielt Robert De Niro in «Killers of the Flower Moon» einen gierigen reichen Alten, der das Ausnehmen der Osage perfektioniert hat: William «King» Hale spielt sich als Freund der Osage und Wohltäter der Kleinstadt Halifax in Oklahoma auf, während er im Hintergrund die Ureinwohner niedermetzeln lässt. Dazu instrumentalisiert er auch seinen Neffen Ernest (Leonardo DiCaprio). Dieser Mann mit dem schönen deutschen Einwanderernamen Ernest Burkhart ist ein intellektuell nicht an vorderster Front kämpfender Veteran des Ersten Weltkriegs.

Ernest ist schon froh, wenn er trotz Prohibition seinen Whiskey bekommt. Sein Onkel drängt ihn, mit der Osage Molly (Lily Gladstone) anzubandeln. Die beiden werden tatsächlich ein Paar, heiraten – und dann dezimiert sich nach und nach Mollys Familie.

«Du wirst eher dafür verurteilt, einen Hund zu treten, als einen Indianer zu töten.»

Ermittler im Film

Manchmal sehen die Morde aus wie Unfälle, manchmal geben die Mörder sich nicht mal dafür die Mühe. Auf jeden Fall erbt Molly mehr und mehr Landrechte von ihren Verwandten, bis sie so viel besitzt, dass der Onkel auch ihre Ermordung beschliesst. Aber lässt sich der Neffe tatsächlich dazu überreden, seine eigene Frau umzubringen, die Mutter seiner Kinder?

Der Fall ging nicht nur wegen seines perversen Rassismus und seiner Brutalität in die Geschichte ein, sondern auch, weil die damals neu gegründete Behörde eines gewissen J. Edgar Hoover sich durch seine Aufklärung profilierte. Washington hatte die Mordserie lange ignoriert («Du wirst eher dafür verurteilt, einen Hund zu treten, als einen Indianer zu töten», sagt ein Ermittler im Film), bis schliesslich doch das FBI einschritt.

Der Meister und seine Stars beim Dreh: DiCaprio, Gladstone, Scorsese, De Niro.

Die klassische Vorgehensweise für einen Film wäre natürlich die Perspektive der Ermittler gewesen – aber die hat Martin Scorsese noch nie sonderlich interessiert. Denn im sinisteren Onkel und seinem willfährigen Neffen steckt genau der Stoff, der Scorsese schon immer und in fast all seinen Filmen fasziniert hat: der Sündenfall in all seinen Formen menschlicher Grausamkeit.

Also erzählt der Film aus der Sicht der Verbrecher und der Opfer, nicht der Ermittler. De Niro und DiCaprio sind wunderbar als Odd Couple der Finsternis, und in so unsympathischen Rollen mit teils bizarrer Komik (siehe die Popo-Prügel-Szene) hat man die beiden selten gesehen. DiCaprio hat sich sogar seine sonst selbstverständlich Hollywood-like gebleachten Zähne grau-gelb färben lassen.

Aber vor allem Lily Gladstone als betrogene Osage-Ehefrau, die das Unheil von Anfang an ahnt, aber doch nicht abwehren kann, wird bereits jetzt für den Oscar gehandelt. Sie ist die grosse Entdeckung dieses Films der vielen Altstars. «Killers of the Flower Moon» ist in vielerlei Hinsicht klassisches Hollywoodhandwerk. Das Drehbuch hat Scorsese gemeinsam mit dem Oscarpreisträger Eric Roth geschrieben, der spätestens seit «Forrest Gump» zu den wichtigsten US-Filmautoren gehört.

Und trotzdem stört etwas in diesem in vielerlei Hinsicht meisterlichen Film.

epa10641756 Director Martin Scorsese (L) and Lily Gladstone arrive for the screening of 'Killers of the Flower Moon' during the 76th annual Cannes Film Festival, in Cannes, France, 20 May 2023. The festival runs from 16 to 27 May. EPA/MOHAMMED BADRA

Womit wir bei der Laufzeit von dreieinhalb Stunden wären. Martin Scorsese hat jahrzehntelang gejammert, dass ihm die blöden Studios immer die Filme zusammenschneiden, dass er mehr Zeit als läppische zwei Stunden brauche, um eine Geschichte vernünftig erzählen zu können, dass er immer um jede zusätzliche Filmminute habe kämpfen müssen.

Die Ironie der Geschichte: Nachdem Scorsese nun im zarten Alter von 80 Jahren eine Carte blanche und einen grossen Scheck von Apple bekommen hat, also endlich machen kann, was er will, muss man leider attestieren: Der Film ist viel zu lang.

Das Handeln der Figuren wird unlogischer

Intrigen, Morde, Verhaftungen, Gerichtsverhandlungen, Zusammenbrüche – «Killers of the Flower Moon» hat die Laufzeit einer Miniserie, aber die Dramaturgie eines klassischen Spielfilms, und diese Kombination führt stellenweise leider zu ordentlich Leerlauf. Ausserdem wird das Handeln der Figuren immer unlogischer, je länger der Film dauert.

Gegen Ende kommt dann eine Art Schluss (mit dem leider immer noch nicht ganz Schluss ist), bei dem Martin Scorsese persönlich auf einer Bühne die Geschehnisse zusammenfasst. Wir sehen, wie nach den Ermittlungen ein Radiofeature über die Morde aufgenommen wird, und Scorsese spielt so eine Art Radio-Erzählonkel. Spätestens an dieser Stelle muss man festhalten, dass irgendjemand vielleicht doch mal im Schneideraum ein ernstes Wörtchen mit ihm hätte reden sollen.

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