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Schwerwiegende Folgen für Konsumenten
Schwächung des Kartellrechts könnte Preise in der Schweiz steigen lassen

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Konsumentenschützer sind alarmiert. Das Parlament berät derzeit über eine von bürgerlicher Seite angestrebte Änderung des Kartellgesetzes. Wird sie angenommen, würde der Wettbewerb in der Schweiz empfindlich geschwächt. «Gewisse Absprachen zwischen Unternehmen, die heute verboten sind, wären dann wieder möglich», sagt André Bähler, Leiter Politik und Wirtschaft bei der Stiftung für Konsumentenschutz.

Das hat auch Auswirkungen auf Konsumentinnen und Konsumenten. Können Firmen wieder vermehrt Preise unter sich festlegen oder Marktgebiete aufteilen, sinkt der Wettbewerb, und Unternehmen können höhere Preise verlangen.

Für Bähler ist das eine bedenkliche Entwicklung: «Die steigenden Mieten und höhere Prämien für die Krankenkassen bringen jetzt schon viele Menschen in Schwierigkeiten.» Diese Änderung des Kartellrechts wäre für Konsumentinnen und Konsumenten ein klarer Rückschritt.

Die Schweiz galt als Paradies für Kartelle

Lange fehlte in der Schweiz ein griffiges Gesetz zur Regelung von Kartellen. Noch in den Achtzigerjahren galt das Land als Paradies für Absprachen aller Art. Bekannt ist beispielsweise das Bierkartell, das bis 1991 überdauerte.

Erst seit 1995 ist gesetzlich festgeschrieben, dass Wettbewerbsabsprachen von Unternehmen nicht zulässig sind. Seit damals gab es jedoch keine grössere Reform. Ein gewisser Modernisierungsbedarf in dem Bereich ist daher politisch unumstritten.

«Die Wettbewerbskommission müsste künftig in jedem Einzelfall die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen einer Absprache auf einen Markt nachweisen.»

Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Umstritten ist dagegen folgender Punkt der nun diskutierten Gesetzesänderung: Bei Verstössen gegen das Kartellgesetz ist die Wettbewerbskommission zuständig. Will sie allfälligen Absprachen von Firmen nachgehen, muss sie künftig «qualitative wie auch quantitative Kriterien berücksichtigen», wie es im Gesetzesentwurf heisst.

Dies hätte grosse Auswirkungen auf die geltende Praxis der Kommission. «Die Wettbewerbskommission müsste künftig in jedem Einzelfall die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen einer Absprache auf einen Markt nachweisen», sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans. Damit würden die Verfahren deutlich erschwert und verlängert, was es für die Kommission schwieriger mache, gegen Absprachen unter Firmen vorzugehen.

Solche Beweise waren für die Wettbewerbskommission bislang nicht nötig. Seit einem Urteil des Bundesgerichts 2016 reichte es aus, wenn sie zeigen konnte, dass Absprachen unter Firmen stattgefunden haben oder auch nur beabsichtigt waren. In dem sogenannten Gaba-Urteil ging es um Parallelimporte von Elmex-Zahnpasta aus Österreich. Das Bundesgericht hielt darin fest, dass solche harten Wettbewerbsabsprachen mit wenigen Ausnahmen grundsätzlich als erheblich einzustufen sind und verboten sind.

Schweizer Markt wäre abgeschottet

Dieses Urteil könnte mit der Gesetzesänderung nun praktisch aufgehoben werden. Was das bedeuten könnte, zeigt der Fall BMW: Vor ein paar Jahren führte die Wettbewerbskommission ein Verfahren gegen den Autohersteller. Der hatte seinen Händlern in Europa damals verboten, Neuwagen an Kunden aus der Schweiz zu verkaufen. Diese mussten ihre Autos zu deutlich höheren Preisen in der Schweiz kaufen.

Im Verfahren hatte der Autohersteller argumentiert, die Auswirkungen dieser Absprache seien nicht erheblich, Konsumentinnen und Konsumenten könnten schliesslich auch auf andere Automarken ausweichen. Damals blieb BMW mit dieser Argumentation erfolglos.

Muss nun die Wettbewerbskommission künftig für jeden Fall detailliert zeigen, dass dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, könnten solche Verträge unter Firmen erneut zulässig sein, wie Gegnerinnen und Gegner der Gesetzesänderung fürchten. «Kommt ein Unternehmen mit diesem Argument durch, könnten es ihm andere gleichtun. Letztlich wäre der Schweizer Markt abgeschottet zulasten der Konsumentinnen und Konsumenten», sagt André Bähler.

Unternehmenslobbyisten werfen der Wettbewerbskommission vor, Unsicherheit zu schüren

Die Unternehmen sind sich uneins in ihrer Haltung gegenüber der Kartellrechtsrevision. So wehrt sich der Wirteverband Gastro Suisse gegen eine erneute Marktabschottung. «In der Gastronomie gibt es einige Fälle von Unternehmen, die Geräte oder ihre Ausrüstung nicht im Ausland kaufen konnten, sondern diese zu höheren Preisen in der Schweiz kaufen mussten», sagt Präsident Casimir Platzer. Es könne nicht sein, dass Unternehmer in ihrer Beschaffung derart eingeschränkt würden.

Interview mit Gastrosuisse-Chef Casimir Platzer im Café Fédéral. Foto: Beat Mathys / Tamedia AG.

Unterstützt wird die Änderung dagegen von der Baubranche und dem Unternehmensdachverband Economiesuisse. Sie stören sich vor allem an der jetzigen Praxis der Wettbewerbskommission.

Diese sorge für Unsicherheit unter den Firmen, schreibt der Schweizerische Baumeisterverband. «Heute ist es für eine Verurteilung irrelevant, ob sich ein Unternehmen an einer Absprache beteiligt hat oder ob daraus tatsächlich ein Schaden entstanden ist.» Einkaufsgemeinschaften, Zusammenarbeiten im Lokaltourismus oder bei der Ausbildung würden laut dem Verband pauschal verurteilt.

«Ein Unternehmen sollte nur dann sanktioniert werden, wenn es eine Wettbewerbsabrede umgesetzt hat und tatsächliche negative Auswirkungen auf den wirksamen Wettbewerb nachgewiesen sind», sagt Erich Herzog, Bereichsleiter Wettbewerb und Regulatorisches bei Economiesuisse.

Er wehrt sich gegen den Vorwurf, eine Anpassung des Gesetzes würde zu mehr Absprachen unter den Firmen und damit zu höheren Preisen für Konsumentinnen und Konsumenten führen. «Das Gegenteil ist der Fall. Das Kartellrecht wird damit gesamthaft gestärkt», sagt er.

Ganz anders sehen dies der Bundesrat, das Staatssekretariat für Wirtschaft und fünf ehemalige Präsidenten der Wettbewerbskommission. Sie alle lehnen die Änderung ab. «Ein geringerer Wettbewerbsdruck führt erfahrungsgemäss tendenziell zu höheren Preisen», schreibt das Staatssekretariat. Zudem wäre es mit einer Annahme der Gesetzesänderung für schweizerische und ausländische Unternehmen leichter möglich, den Schweizer Markt abzuschotten. Seien Parallelimporte nicht mehr möglich, führe dies ebenfalls zu höheren Preisen in der Schweiz.

Als Nächstes ist die Wirtschaftskommission des Ständerats am Zug. Mitte Oktober debattiert sie über die Details der Umsetzung.