Stellungnahme Rat der ReligionenSchweizerische Religionsgemeinschaften lehnen Verhüllungsverbot ab
Die christlichen, muslimischen und jüdischen Gemeinschaften wehren sich gegen «eine unverhältnismässige Einschränkung der Religionsfreiheit».
Sechs Wochen vor dem Urnengang schaltet sich der Schweizerische Rat der Religionen (SCR) in den Abstimmungskampf um ein Verhüllungsverbot ein. Er moniert, dass sich der Initiativtext vor allem gegen eine religiöse Minderheit richte.
Am 7. März stimmen Volk und Stände über die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» des Egerkinger Komitees ab. Sie verlangt, dass schweizweit niemand sein Gesicht verhüllen darf. Das Verbot würde an allen Orten gelten, die öffentlich zugänglich sind – so zum Beispiel auf den Strassen, in Restaurants oder im Museum. Die Initianten argumentieren unter anderem mit einem Sicherheitsgewinn für die Bevölkerung.
Das will der Schweizerische Rat der Religionen aber nicht gelten lassen. Mit einer einstimmig verabschiedeten gemeinsamen Stellungnahme hat er am Montag ein Zeichen gesetzt «für die Religionsfreiheit und Frieden unter den Religionen», wie verschiedene Repräsentantinnen und Repräsentanten der christlichen, muslimischen und jüdischen Religionsgemeinschaften an einer virtuellen Medienkonferenz erklärten.
Niqab-Trägerinnen aus Überzeugung
Harald Rein, SCR-Vorsitzender und Bischof der Christkatholischen Kirche der Schweiz, sagte, dass sich der Rat mit gutem Grund in die Debatte einmische: «Es geht um die Diskriminierung einer religiösen Minderheit», was verhindert werden müsse. Ein Verhüllungsverbot wäre aus seiner Sicht «eine unverhältnismässige Einschränkung der Religionsfreiheit». Alle politisch motivierten Versuche, in diese Freiheit einzugreifen, seien zu verurteilen.
Die Initiative nehme muslimische Frauen ins Visier. Betroffene wären bei einem Ja zur Initiative im Clinch, sagte Rein: «Einerseits ist da die religiöse Forderung zur Verhüllung, andererseits wäre da ein staatlicher Zwang zur Enthüllung.»
Zudem würden mit dem Volksbegehren keine Probleme gelöst. Die Kleidervorschriften richteten sich gegen eine «verschwindend kleine Bevölkerungsgruppe». Montassar BenMrad, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz, gab zu bedenken, dass in der Schweiz lediglich zwanzig bis dreissig Frauen einen Niqab trügen – «die meisten aus eigener Überzeugung».
Argumente für Gegenvorschlag
Einen «Dresscode staatlich zu verordnen» – wie es Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz, ausdrückte -, würde dem Grundsatz widersprechen, wonach vor dem Gesetz jeder gleich sein müsse. Weihbischof Alain de Raemy sagte im Namen der Schweizerischen Bischofskonferenz, dass keine religiöse Diskriminierung tolerierbar sei.
Auch Pfarrerin Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, argumentierte mit dem Recht auf Selbstbestimmung jeder einzelnen Person und der Gleichbehandlung der Geschlechter. «Frauen müssen frei sein, eine Kopfbedeckung zu tragen und sie auch wieder abzulegen.»
Der Religionsrat begrüsst statt der Initiative den indirekten Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament, der die Enthüllung nur für Identifikationszwecke durch die staatlichen Behörden vorsieht. Diese Lösung sei verhältnismässig.
SDA
Fehler gefunden?Jetzt melden.