Schweizer Hilfsbereitschaft hört beim Geld auf
Ein internationaler Vergleich zeigt: Wenn es darum geht, einem Fremden zu helfen, sind die Schweizer alles andere als top.
Die Weihnachtszeit ist auch die Zeit des Spendens. Traurige Kinderaugen starren uns von Plakaten und Bettelbriefen an. Wohltätigkeitsanlässe haben Hochkonjunktur. Und auf der Strasse sammeln Hilfswerke Geld für Menschen in Not. Sie haben erkannt, dass die Schweizer jetzt besonders generös sind. Im Schnitt spendet ein Haushalt jährlich 300 Franken. Die Schweiz wird deshalb gerne als Land der Spenderinnen und Spender bezeichnet.
Aber wie sieht es im internationalen Vergleich aus? Seit 2005 gibt die britische Wohltätigkeitsorganisation Charity Aid Foundation den World-Giving-Index heraus, der mithilfe von repräsentativen Befragungen in knapp 130 Ländern die Wohltätigkeit misst. Die Teilnehmenden müssen drei Fragen beantworten:
- Haben Sie dieses Jahr einer Stiftung oder einem Hilfswerk etwas gespendet?
- Haben Sie einem Fremden oder Unbekannten geholfen, der Unterstützung brauchte?
- Haben Sie in einer Hilfsorganisation Freiwilligenarbeit geleistet?
56 Prozent der teilnehmenden Schweizerinnen und Schweizer konnten die erste Frage mit Ja beantworten. Das zeigt die neuste Ausgabe des World-Giving-Index, die alle Resultate der letzten zehn Jahre zusammenfasst. Die Schweiz landet damit auf dem 13. Platz im internationalen Ranking – hinter den USA, den Niederlanden und Grossbritannien, aber vor den Nachbarländern und 112 anderen Staaten.
Wenn es darum geht, einem Fremden zu helfen, sind die Schweizer allerdings alles andere als top. Weniger als die Hälfte der Befragten gaben an, in den letzten zwölf Monaten einen Unbekannten unterstützt zu haben. Damit kann vieles gemeint sein: Geld geben, über die Strasse begleiten, Einkaufstasche tragen oder sonst irgendwie behilflich sein.
Mit 48 Prozent Ja-Antworten landet die Schweiz in dieser Kategorie lediglich auf dem 58. Rang. Zum Vergleich: In den USA liegt dieser Wert bei 72 Prozent. Auch Deutsche und Österreicher sind diesbezüglich sozialer als wir. In afrikanischen Ländern ist laut dem Bericht die «Ubuntu»-Philosophie weit verbreitet, was mit «Menschlichkeit» übersetzt werden kann.
Die Schweiz liegt hier sogar knapp unter dem weltweiten Durchschnitt: Einem Fremden zu helfen, ist mit 48,3 Prozent dasjenige Verhalten, das in vielen Ländern als am wichtigsten angesehen wird.
Bei der dritten Frage, der Freiwilligenarbeit in einer Hilfsorganisation, ist der Wert hierzulande mit 32 Prozent sogar noch tiefer. Allerdings steht die Schweiz damit international deutlich besser da. Nur 21 Staaten sind in dieser Kategorie besser, über hundert sind schlechter.
Werden alle drei Fragen zusammen berücksichtigt, belegen die USA den ersten Rang. 58 Prozent der Amerikaner spenden jedes Jahr, helfen einem Unbekannten oder leisten Freiwilligenarbeit. Wenn es um Wohltätigkeit geht, sitzt bei ihnen das Geld traditionell locker. Nicht nur unter den Reichen gehört es in den USA zum guten Ton, der Gesellschaft etwas zurückzugeben oder zumindest ein freiwilliges Engagement zu leisten. Zudem lohnt sich das Geben steuerlich: Amerikaner können Spenden vom zu versteuernden Einkommen abziehen, und zwar in unbegrenzter Höhe.
Die Schweiz landet insgesamt auf dem 13. Platz, zusammen mit Österreich und knapp vor Deutschland. In Italien (Rang 54) und vor allem Frankreich (Rang 66) wird Wohltätigkeit viel weniger hoch geschrieben.
Auffällig ist, dass sich viele osteuropäische Staaten und Balkanländer am Ende des internationalen Rankings wiederfinden. Im Bericht wird das auf eine Mischung aus kulturellen und ökonomischen Faktoren zurückgeführt. Russland etwa kommt auf einen Schnitt von 21 Prozent, Serbien auf nur 19 Prozent. Schlusslicht ist China, wo nicht einmal jeder Sechste nach eigenen Angaben wohltätig ist.
Kaum Unterschiede gibt es global betrachtet nach Geschlecht und Alter. Sorgen bereitet dafür die Tatsache, dass wohltätiges Verhalten tendenziell immer mehr abnimmt – fast überall. In der Schweiz gaben vor zehn Jahren noch 71 Prozent der Befragten an, gespendet zu haben. Heute sind es noch 56 Prozent. Auch die Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden und die Freiwilligenarbeit gingen zurück.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch