Erinnerungen an goldene Ski-ÄraDie Achtziger sind zurück – dank Gut-Behrami und Odermatt
Das Skiteam ist im Hoch, die Tessinerin und der Nidwaldner überragen alles. Das schreit nach einem Blick auf vergangene Tage – auch auf solche, als alles ganz anders war.
Eigentlich braucht es nur eine Zahl, um die Schweizer Skisaison auf den Punkt zu bringen: 8. So viele Kugeln stehen vor den Finalrennen in Saalbach ab Samstag bereit für die Delegation von Swiss-Ski. Oder genauer: Sie stehen bereit für Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt. Die beiden überstrahlen in diesem Winter alles.
Die Tessinerin ist diese Saison 16-mal auf dem Podest gelandet, hat acht Rennen gewonnen. Die 32-Jährige führt im Gesamtweltcup beinahe uneinholbar, ist im Riesenslalom, im Super-G und in der Abfahrt Erste. Der Nidwaldner erlebt einen nächsten Traumwinter mit bereits 20 Podestplätzen, darunter schier unheimliche 13 Siege. Dem 26-Jährigen ist der Triumph im Gesamtweltcup und im Riesenslalom nicht mehr zu nehmen, auch im Super-G und der Abfahrt wird er wohl zum Besten gekürt.
8 von 10 Auszeichnungen also könnten an die Schweiz gehen, einzig die beiden Slalomkugeln werden nach Österreich (Manuel Feller) und in die USA (Mikaela Shiffrin) vergeben. Gut-Behrami und Odermatt sind auch dafür verantwortlich, dass die Schweiz zum vierten Mal in den letzten fünf Jahren die erfolgreichste Nation ist. Es ist eine Dominanz, die an die ganz grossen Schweizer Skiwinter erinnert – verteilt auf eine Athletin und einen Athleten.
Doch wie war das damals, zu Zeiten von Zurbriggen, Müller, Walliser, Figini, Hess oder Schneider? Und gab es nicht auch einmal einen grossen Absturz? Ein Blick auf ausgewählte Schweizer Ären.
Der Start: Ein Kriechgang
Es ist ein gemächlicher Start in den Ski-Weltcup, den die Schweiz erlebt. Frankreich dominiert die Premierensaison 1967, bei den Männern räumt Jean-Claude Killy alles ab, gewinnt die Gesamtwertung, in Abfahrt, Riesenslalom und Slalom. Bei den Frauen sind Marielle Goitschel und Annie Famose die grossen Figuren neben der Kanadierin Nancy Greene.
Im Jahr darauf gewinnt mit Dumeng Giovanoli im Slalom erstmals ein Schweizer eine Kugel. Dann folgt die grosse Zeit von Bernhard Russi. Der Urner, verwegener Abfahrer und Sonnyboy in einem, wird zum ersten Skistar der Nation. Er ist 1971 und 1972 der schnellste Abfahrer und krönt sich in Sapporo zum Olympiasieger.
Die nächsten Jahre gehören Landsmann Roland Collombin, Draufgänger auf der Piste und daneben. Bei den Frauen avanciert Lise-Marie Morerod zur Dominatorin, im Winter 1976/77 gewinnt die Waadtländerin einzig die Abfahrtswertung nicht. Die Karriere wird im Folgejahr jäh durch einen schweren Autounfall gestoppt, unter dem Morerod noch heute leidet.
Bis die Schweiz auch erstmals die beste Skination ist, dauert es noch ein Weilchen.
Achtzigerjahre: Die goldene Ära
1981 gewinnt die Schweiz erstmals die Nationenwertung, es brauchte dafür 15 Anläufe. In den Achtzigern folgen sieben weitere Triumphe in der Länderwertung, phasenweise degradiert die helvetische Belegschaft die Konkurrenz zu Statisten. Im Winter 1986/87 ist sie sensationell erfolgreich: Von 65 Rennen gewinnen Schweizerinnen und Schweizer 40, es resultieren 87 Podestplätze und sechs Dreifachsiege.
Pirmin Zurbriggen gewinnt den Gesamtweltcup und auch die Wertungen in der Abfahrt, Super-G, Riesenslalom und Kombination. Bei den Frauen gehen alle Kugeln in die Schweiz, Walliser, Schneider, Figini, Oertli und Schmidhauser sind nicht zu stoppen. Eine einzige Disziplinenwertung holt ein Nicht-Schweizer, der Slowene Bojan Krizaj reüssiert im Slalom.
Es ist die goldene Ära, in den Stuben schaut landauf, landab alles Ski. In der Saison 1987/88 gibt es 26 Erfolge, die Frauen gewinnen sämtliche Abfahrten. Das tun sie auch im Winter 1988/89, dazu werden auch alle Riesenslaloms, Slaloms und Kombinationen zur Schweizer Beute. Von 28 Frauenrennen gewinnen Schneider und Teamkolleginnen 24!
Es gibt interne Duelle wie Walliser gegen Figini, Zurbriggen gegen Müller, welche die Bevölkerung fesseln und spalten. Der Konkurrenzkampf ist so gewaltig, dass sich die Bernerin Beatrice Gafner nicht für die Heim-WM in Crans-Montana qualifiziert – obwohl sie kurz davor ein Rennen gewonnen hat.
Bei den Schweizern gilt damals die Devise: Wer in die ersten zehn fährt, darf wieder starten. Wer es in die ersten 15 schafft, mit dem kann man diskutieren. Wer 16. wird, braucht gar nicht zu fragen. Die Vormachtstellung wird zelebriert und soll aufrechterhalten werden, jeder Punkt zählt im Kampf gegen Österreich. So streicht Männer-Cheftrainer Karl Frehsner bei den Nachtessen den Wein und fordert etwa Franz Heinzer auf, Kombinationen zu bestreiten. Der Abfahrtsweltmeister antwortet einmal, er habe doch gar keine Slalomkleider. Worauf Frehsner entgegnet: «Dann fährst du halt in den Regenhosen.»
Die zwei monumentalen Krisen
Im Winter 2004/05 bleibt die Ski-Schweiz komplett sieglos, die Nullnummer an der WM in Bormio kommt mit Ansage – es sind die ersten medaillenlosen Titelkämpfe seit 39 Jahren. Mit dem Teamgeist ist es nicht weit her, aus Mücken werden Elefanten gemacht und in die Öffentlichkeit getragen.
Das Frauenteam gibt ein überaus tristes Bild ab, es bleibt die ganze Saison ohne Podestplatz. Sonja Nef hat ihren Zenit überschritten, Corinne Rey-Bellet ist zurückgetreten. In der Nationenwertung der Frauen reicht es gerade noch für Rang 10 – hinter Kanada, Finnland und Kroatien, aber gerade noch vor Slowenien und Spanien.
Auch vor elf Jahren, im Winter 2012/13, liegt das Schweizer Skiteam am Boden. Ja, mehr noch, an und für sich steckt es mehrere Etagen im Untergrund fest.
Die Männer liefern eine schreckliche Saison ab, die schlechteste in der Weltcup-Geschichte. Ein einziger Podestplatz resultiert, Carlo Jankas dritter Rang in der Super-Kombination von Wengen. Der beste Schweizer im Gesamtweltcup? Didier Défago, als 30. – mit läppischen 217 Punkten. In den Disziplinenwertungen ist kein Swiss-Ski-Vertreter besser als 19. Alles in allem holen die Schweizer Männer keine 1000 Punkte. Zum Vergleich: Derzeit sind es 5613, und die Saison ist noch nicht mal zu Ende.
Auch die Frauen tun sich damals schwer, aber dank der jungen Lara Gut gewinnen sie immerhin ein Rennen. Weshalb vor allem auf die Männer eingeprügelt wird. Diese bieten genügend Stoff für Kritik, Défago streitet sich mit Cheftrainer Osi Inglin, dieser wiederum bezeichnet Verbandspräsident Urs Lehmann als Schönredner und die Schweiz aufgrund der schwierigen Pistensituation bezüglich Trainings im Rennsport als Ski-Entwicklungsland.
Didier Cuche hat aufgehört, Beat Feuz pausiert wegen gravierender Kniebeschwerden, Carlo Janka plagt sich mit heftigen Materialproblemen herum. Im ersten Riesenslalom-Lauf von Alta Badia verliert er 7,81 Sekunden. In der Abfahrt von Lake Louise schaffen es die Schweizer auf die Ränge 24, 28, 47, 51, 53, 57, 58 und 59. Nach der Saison hagelt es Entlassungen.
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