Topdiplomat Thomas GremingerEr verhandelte mit Russland und der Hamas – nun soll er Amherd retten
Bei der Besetzung des Staatssekretariats für Sicherheitspolitik wurde er noch übergangen. Nun soll der 62-jährige Zürcher im VBS doch zum Zug kommen.
Einen Schweizer Fachmann, der sich mit den grossen Krisen unserer Zeit besser auskennt als Thomas Greminger, kann Viola Amherd kaum finden. Als Diplomat verhandelte er bereits vor fast zwanzig Jahren mit der Hamas, später vermittelte er zwischen Russland und der Ukraine.
Trotzdem wurde Greminger übergangen, als es jüngst um die Kür des ersten Staatssekretärs für Sicherheitspolitik ging. Dem 62-jährigen Zürcher wurde der zwei Jahre jüngere Jurassier Jean-Daniel Ruch vorgezogen.
Ruch hat als Botschafter der Schweiz in Belgrad, Tel Aviv und Ankara Krisen ebenfalls direkt miterlebt. Trotz dieses Curriculums ist er international keine so grosse Nummer wie Greminger, der auch Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) war.
Potenziell erpressbar
Ruch wird, wie vergangene Woche bekannt wurde, den Posten an der Spitze des neuen Staatssekretariats im Verteidigungsdepartement (VBS) nicht antreten, nachdem Vorwürfe zu seinem Privatleben aufgetaucht waren, die ihn potenziell erpressbar machten.
Dies trug der Findungskommission und insbesondere Bundesrätin Amherd Kritik ein. Auch drängt die Zeit, denn das Staatssekretariat wird bereits am 1. Januar aktiv. Nun scheint die Verteidigungsministerin in Greminger den Mann gefunden zu haben, der ihr aus der Patsche hilft. Zumindest sieht es stark danach aus, dass der Topdiplomat im zweiten Anlauf zum Zug kommen wird. Das zeigen Recherchen dieser Zeitung, die sich mit Informationen decken, die «Le Temps» am Dienstag publiziert hat.
Demnach hatten sowohl Ruch als auch Greminger in der Findungskommission und in einem Assessment besser abgeschnitten als die bisherige Chefin Sicherheitspolitik im VBS, Pälvi Pulli. Amherd beantragte dem Bundesrat dann, Ruch zum Staatssekretär zu ernennen.
Offizier, Sozialdemokrat, Vermittler
Dies war nicht der erste verweigerte Karriereschritt für Greminger. Er war in den letzten Jahren mehrfach Kandidat für den Posten als Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) gewesen und schaffte es in die Endauswahl. Doch statt EDA-Chefdiplomat wurde Greminger 2021 Direktor des Zentrums für Sicherheitspolitik in Genf. Der Bund finanziert diesen Thinktank mit 85 Mitarbeitenden zu drei Vierteln mit rund 15 Millionen Franken pro Jahr.
Mit seiner Karriere passt Greminger auch gut ins neue Staatssekretariat: Der promovierte Historiker diente als Generalstabsoffizier in der Schweizer Armee. In den 1990er-Jahren trat er in den diplomatischen Dienst ein.
Von 2004 bis 2010 leitete er unter Aussenministerin Micheline Calmy-Rey die Abteilung für menschliche Sicherheit im EDA. Wie Calmy-Rey ist Greminger Sozialdemokrat. Ab 2005 begannen Schweizer Diplomaten mit der Hamas zu verhandeln, welche die Macht im Gazastreifen übernommen hatte. Heute bezeichnet Greminger die Hamas auch als «terroristische Organisation». Doch er hält es nach wie vor für sinnvoll, mit den «konstruktiven Teilen dieser Organisation» in Dialog zu treten, wie er kürzlich Swissinfo sagte.
Zwischen den Fronten
Ab 2010 machte Greminger bei der OSZE in Wien Karriere. Zuerst vertrat er dort die Schweiz als Botschafter, von 2017 bis 2020 war er OSZE-Generalsekretär. In beiden Funktionen versuchte er, zwischen Russland und der Ukraine eine Friedenslösung zu finden.
Dass sein Mandat als Generalsekretär vor rund drei Jahren nicht erneuert wurde, lag nicht an Gremingers Leistungen, sondern an politischen Querelen und Blockaden zwischen den OSZE-Mitgliedstaaten, die sich bei der Besetzung der Leitungsfunktionen nicht einigen konnten. Der Abgang des Schweizer Diplomaten war ein Kollateralschaden politischer Scharmützel.
Auch von «seinem»Zentrum in Genf aus arbeitet Greminger, der als gut vernetzt gilt, an möglichen Friedenslösungen zwischen Russland und der Ukraine. In den Wochen vor Kriegsausbruch hatten sich die stellvertretende US-Staatssekretärin Wendy R. Sherman und ihr russisches Pendant Sergei Rjabkow im Thinktank zu Gesprächen getroffen.
«Ich bin frustriert und enttäuscht», sagte Greminger im März 2022 im Gespräch mit dieser Redaktion über den russischen Einmarsch in die Ukraine. Nur zehn Tage vor dem Überfall auf das Nachbarland hatte er Russlands Aufmarsch in einem NZZ-Interview noch als «militärische Muskelspiele» und «Säbelrasseln» abgetan und gesagt: «Ich halte Präsident Wladimir Putin für einen rational denkenden und handelnden Staatschef.»
Das VBS will sich zur Personalie Greminger nicht äussern, schreibt aber, dass die Stellenbesetzung fürs Staatssekretariat in den kommenden Wochen erfolgen soll. Eine erneute Ausschreibung gebe es nicht.
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